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Kenntnisreich und äußerst lebendig schildert Carola Stern das hochdramatische Leben zweier genialer Schauspieler, die sich während der Nazizeit auf den Gipfeln ihrer Karriere befanden. Als Görings Günstling feierte Gustaf Gründgens Erfolge und ließ doch gefährdete Kollegen nicht im Stich. Marianne Hoppe stieg zum UFA-Star auf, in ihren Filmen stellte sie dar, wie Hitler sich die deutsche Frau vorstellte - und versteckte in ihrer Wohnung den verfolgten jüdischen Freund Carl Dreyfuss. Zehn Jahre waren die beiden miteinander verheiratet und blieben sich - über die Scheidung hinaus - durch Nähe, Loyalität und Fürsorglichkeit verbunden.…mehr

Produktbeschreibung
Kenntnisreich und äußerst lebendig schildert Carola Stern das hochdramatische Leben zweier genialer Schauspieler, die sich während der Nazizeit auf den Gipfeln ihrer Karriere befanden. Als Görings Günstling feierte Gustaf Gründgens Erfolge und ließ doch gefährdete Kollegen nicht im Stich. Marianne Hoppe stieg zum UFA-Star auf, in ihren Filmen stellte sie dar, wie Hitler sich die deutsche Frau vorstellte - und versteckte in ihrer Wohnung den verfolgten jüdischen Freund Carl Dreyfuss. Zehn Jahre waren die beiden miteinander verheiratet und blieben sich - über die Scheidung hinaus - durch Nähe, Loyalität und Fürsorglichkeit verbunden.
Autorenporträt
Carola Stern, eine der bedeutendsten politischen Publizistinnen der Bundesrepublik, hat von 1960 bis 1970 das politische Lektorat beim Verlag Kiepenheuer & Witsch geleitet und danach als Redakteurin beim WDR gearbeitet. Ihre engagierten Kommentare forderten zu heftigen Zu- und Widersprüchen heraus. Nach der Pensionierung schrieb sie eine Reihe höchst erfolgreicher Biografien, u.a. über Dorothea Schlegel und Rahel Varnhagen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2005

Das Märchen vom Blutrand und vom Lorbeer
Gerettet, nicht gerichtet: Carola Stern schildert das ungleiche Paar Marianne Hoppe und Gustaf Gründgens

Die Formel ist zwar alt, aber bis heute gut: "Es war einmal!" Da raunt es und wabert, unterhält jedoch vor allem, und am Schluß ist die Moral von der Geschicht' im besten Fall elegant und effektiv dargetan. Warum die bewährte Redewendung nicht noch einmal nutzen, besonders wenn sich die zu schildernden Begebnisse als Märchen aus dem letzten Jahrhundert bündeln lassen? Ein Märchen, in dem es außer um den schönen Schein und den hohen Ton auch um elementare Katastrophen, politische Verbrechen und grenzenloses Grauen geht - vermittelt zwar, indes nicht weniger entscheidend für Leben und Werk der zwei Hauptpersonen, die das Zentrum der wundersamen wie wundertraurigen Halbgöttererzählung bilden?

Auf diese Weise hat sich Carola Stern in ihrem Doppelporträt "Auf den Wassern des Lebens" dem zeitweiligen Schauspieler-Ehepaar Marianne Hoppe und Gustaf Gründgens zugewandt, Helden ihrer Jugend, denen sie, nach Jahren der ideologiekritischen Distanz wegen deren Karrieren im "Dritten Reich", endlich historisch gerecht werden wollte.

Denn immerhin verlief die Entwicklung von Carola Stern, geboren 1925 als Erika Assmus, ebenfalls alles andere als geradlinig. Sie war, wie sie in ihrer Autobiographie "Doppelleben" berichtete, als junge Frau eine begeisterte Nationalsozialistin, dann in der SED aktiv und ließ sich vom amerikanischen Geheimdienst anwerben, um ihrer Mutter die neueste medizinische Versorgung zu sichern. 1951 floh sie enttarnt nach West-Berlin, wechselte den Namen, wurde Journalistin und Schriftstellerin.

Insofern ist Carola Sterns Interesse an den komplexen Abhängigkeitsverhältnissen, die in totalitären Systemen entstehen können, vital, und ihr Sezierbesteck, um Ausflüchte und Kaschierungen für Opportunismus und Mitläufertum zu entdecken, geschärft. Marianne Hoppe und Gustaf Gründgens, miteinander verheiratet von 1936 bis 1946, liefern ihr in dieser Hinsicht starkes Demonstrationsmaterial. Sie bleiben als auf der Bühne und im Film gefeierte Stars nach 1933 in Deutschland. Gründgens inszeniert außerdem, übernimmt 1934 das Preußische Staatstheater, wird kurz danach Berliner Generalintendant und Preußischer Staatsrat. Diese "Dekorateure der Diktatur", wie sie Carola Stern nennt, sind einerseits überaus privilegiert. Die "innere Emigration", die sie später für sich reklamieren, wird ihnen fürstlich vergütet. Andererseits würdigt Carola Stern nachdrücklich beider Engagement für gefährdete Kollegen und deren Angehörige. Gründgens holt möglichst viele als unabkömmliche Mitwirkende in sein Ensemble, was ihnen Schutz vor Einberufung und Verfolgung verheißt, und hilft entschlossen, den kommunistischen Schauspieler und Sänger Ernst Busch vor dem Tod zu retten. Der wird sich nach Kriegsende sofort um Gründgens kümmern, den die Sowjets 1945 verhaftet haben.

Ungeachtet der zahlreichen Legenden versuchte Carola Stern nicht mehr und nicht weniger, als die Wahrheit über das Glamourpaar des deutschen Theaters und Films herauszufinden. Die wollte sie allerdings nicht wie in einer Gerichtsakte oder einer Reportage darstellen, sondern wählte lieber die Form einer Art Doku-Drama in Prosa. Der Leser, fest an die Hand genommen, wird direkt in die Vergangenheit gehoben. Und die Autorin, als wäre sie damals dabeigewesen, intoniert eine sonore, glaubhafte Märchenmelodie: "Der Sommer ist so schön wie schon seit langem nicht. Im Park blühen Dahlien, Rosen, der Rittersporn und Malven. Kleine sanfte Wellen plätschern an den Bootssteg mit dem Ruderboot. Angesichts des schönen Wetters beschließen die Gründgens, zu einer Gartenparty einzuladen, und zwar befreundete oder ihnen gut bekannte Korrespondenten der großen ausländischen Zeitungen in Berlin." Aber während man da auf dem Landsitz Zeesen bei Berlin schmaust und trinkt und über geplante Premieren plaudert, wird der Zweite Weltkrieg vorbereitet: "Ahnen es die Gastgeber und ihre Gäste? Die Gartenparty wird zur Abschiedsparty."

Ob es nun so war oder nicht, es könnte so gewesen sein. Wenngleich mitunter ein bißchen sehr blumig, webt Carola Stern ihre fundiert recherchierten Arabesken doch kompetent und zweckdienlich um die beiden Porträtierten und stützt sich dazu auf ein eindrucksvolles Quantum an biographischen wie zeitgeschichtlichen Archivzeugnissen. Weil ein Märchen indes weder Fußnoten noch Quellenangaben braucht, begnügt sich "Auf den Wassern des Lebens" - der Titel ist Klabunds "Ode an Zeesen" entliehen - mit einer nach Kapiteln geordneten Literaturliste und einem Personenregister.

Gänzlich unverblümt thematisiert Carola Stern die Bisexualität der zwei Diven, ohne deren Ehe als reines Alibi gegenüber der Sittendoktrin der Nationalsozialisten abzuqualifizieren. Zu viele Belege für aufrichtige Zuneigung und explizite Wertschätzung sind erhalten. Auch nach der Scheidung trat Hoppe stets bedingungslos für Gründgens ein, den sie einmal als "der letzte Ehrenmann" lobte.

Mit ihrer Vergangenheit als schillernde Säulen in der "Kulturfassade" (Stern) des "Dritten Reiches" sind "Janni" und "Juste", wie Hoppe und Gründgens einander herzten, unterschiedlich verfahren. Er schwieg darüber, blieb als Regisseur seinen Klassikern wie seinem Begriff der Werktreue verpflichtet, setzte seine Karriere in der Bundesrepublik im Stil der vorherrschenden Devise von "Keine Experimente!" fort. Sie bekannte sich zu ihren Verstrickungen und lehnte den "Rotstift" zur Tilgung eigener Schuld ab: "Die Privilegien hat man mit Leichtigkeit angenommen. Aber es gab auch um alles einen Blutrand, einen Trauerrand." Marianne Hoppe öffnete sich neuen Strömungen und ließ sich auf ästhetische Wagnisse mit Regisseuren wie Robert Wilson, Heiner Müller, Frank Castorf, Werner Schroeter ein.

Carola Stern macht es sich nicht einfach mit den beiden, hört nicht auf, Fragen zu stellen, die historischen Bedingungen und die individuellen Entscheidungen zu prüfen. Bewußt verrechnet sie die politischen Verblendungen nicht mit den künstlerischen Leistungen, wiegt nicht etwa Gründgens' Schulterschluß mit Göring gegen seine Inszenierung von Goethes "Faust" auf. Was sie hier, spannend und solide, als "Es war einmal" erzählt, ist, sagt die Autorin, passiert - und ist trotzdem ein Märchen. Obwohl die Hauptfiguren gestorben sind, tun sie das, was am liebsten alle wollen: Sie leben noch heute.

Carola Stern: "Auf den Wassern des Lebens". Gustaf Gründgens und Marianne Hoppe. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005. 400 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Thomas Leuchtenmüller hat in seiner Rezension nur ein gemischtes Fazit anzubieten. Carola Stern gelingt es, schreibt er, in ihrem Doppelporträt "Auf den Wassern des Lebens" Gustaf Gründgens in seiner komplexen Motiv- und Persönlichkeitsstruktur lebendig werden zu lassen. Bei seiner Kollegin und zeitweiligen Lebensgefährtin Marianne Hoppe indes kommt die große Journalistin über das Auflisten von widersprüchlichen Charaktereigenschaften - "temperamentvoll und reserviert, kühl und herzlich" - nicht hinaus. "Ferner denn je" sei ihm nach der Lektüre die Schauspielerin gewesen, notiert der Rezensent; dafür hat er erfahren, dass Gründgens "ein Spieler war", ins Risiko verliebt, auf "Prestige und Einfluss" versessen und wachsend "durch Gefährdung".

© Perlentaucher Medien GmbH
»So wird ein Stück Theatergeschichte gegenwärtig, das untrennbar mit deutscher Zeitgeschichte verbunden ist.« Theater der Zeit