Produktdetails
- Verlag: Buchverlag Peter Hellmund
- Seitenzahl: 128
- Erscheinungstermin: 11. Juli 2016
- Deutsch
- Abmessung: 195mm x 120mm x 15mm
- Gewicht: 207g
- ISBN-13: 9783939103707
- ISBN-10: 3939103705
- Artikelnr.: 44877077
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.01.2017Ein Stück Sonne in der Hand
Grenzgänger mit Tradition: Saids neuer Gedichtband
"Mehr Licht", soll Goethe bekanntlich als Letztes auf seinem Sterbebett ausgerufen haben. Man kann aber darüber diskutieren, ob damit ein Einverständnis mit dem Tod und vielleicht sogar die Erwartung von Jenseitigem angedeutet ist oder ein Protest gegen das Erlöschen, ein letzter Akt des Widerstandes. Said, der 1947 in Teheran geborene, seit 1965 in München lebende, auf Deutsch schreibende und zuletzt mit dem Schweinfurter Rückert-Preis ausgezeichnete Dichter (er selbst gibt sein Pseudonym stets in Großbuchstaben wieder), muss sich in Anbetracht seines neuen Gedichtbandes ähnliche Fragen gefallen lassen.
"Auf der suche nach dem licht" lautet der Titel des Buchs, das, in leuchtend gelbes Leinen gebunden, wie ein Stück Sonne in der Hand liegt. Die Suche nach dem Licht muss die nach einem Ausweg sein, und daher trägt sie die Trauer über die Dunkelheit immer mit sich. Da aber andererseits das Dunkel geradezu die Voraussetzung für das Licht und die Suche nach ihm ist, überrascht es nicht, dass die lichtesten Momente in diesen zugleich vertrackten und federleichten Gedichten jene sind, die sich in der Dunkelheit abspielen. Und das sind natürlich erotische Momente: "Er dringt in meine dunkelheit / mit seinen anspielenden küssen".
Wollen wir diese Zeilen nicht mystisch lesen, wie wir es müssten, wenn wir hier einen Dichter in der persisch-islamischen Tradition hätten, der im Geliebten immer auch seinen Gott anredet, so ist es freilich die Geliebte, die hier über "seine" Küsse spricht. Eine Seite zuvor kam der liebende Dichter selbst zu Wort: "wenn das licht aufhört sich in deinem haar zu brechen / verlieren wir den zugriff auf die zeit / dein fleisch trägt die dunkelheit gelassen". In dieser Dunkelheit, ahnen wir, ist kein Licht mehr nötig.
Der Zyklus aus Liebesgedichten in der Mitte der Sammlung bildet nach einigen Gelegenheitsgedichten den sorgfältig vorbereiteten Höhepunkt des Bandes. Die metaphorischen Dimensionen aus Körper, Sprache und Licht gehen ununterscheidbar ineinander über: "das uneingelöste wort zwischen ihren beinen ruft nach dämmerung". Tatsächlich beweist Said in diesen Texten, dass sinnlich-erotische Lyrik auch ohne Verlust an Komplexität, ja gerade dank dieser, heute noch möglich ist. Dass existentielle und spirituelle Dimensionen dabei nicht aus dem Blick geraten müssen, sondern die Grundvoraussetzung dafür sind, dass überhaupt so gedichtet werden kann.
Vor diesem Hintergrund schließt Said subtil doch noch an die große geistige Tradition seiner Herkunft an. In dem Gedichttext "Heuschrecken, / stärker als Worte - / und das Gelächter der Gaffer. // Wer weckte sie - / die Vögel Salomos / und die Besiegten" (manche Gedichte beachten die Großund Kleinschreibung, die meisten nicht) verbirgt sich eine Anspielung auf den Koran, die, da Said auf Erläuterungen verzichtet, sich den meisten Leser nicht erschließen dürfte. Salomo, der im Islam als Prophet gilt, beherrscht die Sprache der Vögel, und diese zählen zu seinen Truppen. Ein Gedicht also, ahnen wir, über die Wiederkehr der Fundamentalismen. Es schließt mit den Versen: "Ein Narr auf der Flucht / fragt nach verlässlichen Eulen." Die Dunkelheit, in der der Dichter-Narr (wie Said im Exil) sich mit Hilfe der Eulen, ihrer Klugheit und Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen, zurechtfinden möchte, ist also auch eine politische. Ist er ein Narr, weil er flieht, obwohl keine Flucht möglich ist, oder weil er noch an die Eulen glaubt? Es ist das Nachdenken über solche Fragen, das die Leser anhand dieser Gedichte wie bei einem delphischen Orakel in die Abgründe ihrer eigenen Gegenwart blicken lässt. Die Indirektheit, mit der die politische Dimension in diesen Gedichten präsent ist - und wir erinnern uns, dass Said als ausgesprochen politischer Dichter (gegen die Herrschaft des Schahs und der Mullahs) begonnen hatte -, schraubt sich bisweilen in surrealistische Höhen, und es besteht die Gefahr, dass dabei der Sichtkontakt zur Erde verlorengeht: "Mein exterritoriales Hemd / erliegt nur noch / deinem Flitter / an diesem plebejischen Tag / im Sud deiner Abgründe." Wo aber, wenn nicht über den Wolken, sollte man heute noch nach dem Licht suchen?
STEFAN WEIDNER.
Said: "Auf der Suche nach dem Licht". Gedichte. Buchverlag Peter Hellmund, Würzburg 2016. 126 S., geb., 14,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Grenzgänger mit Tradition: Saids neuer Gedichtband
"Mehr Licht", soll Goethe bekanntlich als Letztes auf seinem Sterbebett ausgerufen haben. Man kann aber darüber diskutieren, ob damit ein Einverständnis mit dem Tod und vielleicht sogar die Erwartung von Jenseitigem angedeutet ist oder ein Protest gegen das Erlöschen, ein letzter Akt des Widerstandes. Said, der 1947 in Teheran geborene, seit 1965 in München lebende, auf Deutsch schreibende und zuletzt mit dem Schweinfurter Rückert-Preis ausgezeichnete Dichter (er selbst gibt sein Pseudonym stets in Großbuchstaben wieder), muss sich in Anbetracht seines neuen Gedichtbandes ähnliche Fragen gefallen lassen.
"Auf der suche nach dem licht" lautet der Titel des Buchs, das, in leuchtend gelbes Leinen gebunden, wie ein Stück Sonne in der Hand liegt. Die Suche nach dem Licht muss die nach einem Ausweg sein, und daher trägt sie die Trauer über die Dunkelheit immer mit sich. Da aber andererseits das Dunkel geradezu die Voraussetzung für das Licht und die Suche nach ihm ist, überrascht es nicht, dass die lichtesten Momente in diesen zugleich vertrackten und federleichten Gedichten jene sind, die sich in der Dunkelheit abspielen. Und das sind natürlich erotische Momente: "Er dringt in meine dunkelheit / mit seinen anspielenden küssen".
Wollen wir diese Zeilen nicht mystisch lesen, wie wir es müssten, wenn wir hier einen Dichter in der persisch-islamischen Tradition hätten, der im Geliebten immer auch seinen Gott anredet, so ist es freilich die Geliebte, die hier über "seine" Küsse spricht. Eine Seite zuvor kam der liebende Dichter selbst zu Wort: "wenn das licht aufhört sich in deinem haar zu brechen / verlieren wir den zugriff auf die zeit / dein fleisch trägt die dunkelheit gelassen". In dieser Dunkelheit, ahnen wir, ist kein Licht mehr nötig.
Der Zyklus aus Liebesgedichten in der Mitte der Sammlung bildet nach einigen Gelegenheitsgedichten den sorgfältig vorbereiteten Höhepunkt des Bandes. Die metaphorischen Dimensionen aus Körper, Sprache und Licht gehen ununterscheidbar ineinander über: "das uneingelöste wort zwischen ihren beinen ruft nach dämmerung". Tatsächlich beweist Said in diesen Texten, dass sinnlich-erotische Lyrik auch ohne Verlust an Komplexität, ja gerade dank dieser, heute noch möglich ist. Dass existentielle und spirituelle Dimensionen dabei nicht aus dem Blick geraten müssen, sondern die Grundvoraussetzung dafür sind, dass überhaupt so gedichtet werden kann.
Vor diesem Hintergrund schließt Said subtil doch noch an die große geistige Tradition seiner Herkunft an. In dem Gedichttext "Heuschrecken, / stärker als Worte - / und das Gelächter der Gaffer. // Wer weckte sie - / die Vögel Salomos / und die Besiegten" (manche Gedichte beachten die Großund Kleinschreibung, die meisten nicht) verbirgt sich eine Anspielung auf den Koran, die, da Said auf Erläuterungen verzichtet, sich den meisten Leser nicht erschließen dürfte. Salomo, der im Islam als Prophet gilt, beherrscht die Sprache der Vögel, und diese zählen zu seinen Truppen. Ein Gedicht also, ahnen wir, über die Wiederkehr der Fundamentalismen. Es schließt mit den Versen: "Ein Narr auf der Flucht / fragt nach verlässlichen Eulen." Die Dunkelheit, in der der Dichter-Narr (wie Said im Exil) sich mit Hilfe der Eulen, ihrer Klugheit und Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen, zurechtfinden möchte, ist also auch eine politische. Ist er ein Narr, weil er flieht, obwohl keine Flucht möglich ist, oder weil er noch an die Eulen glaubt? Es ist das Nachdenken über solche Fragen, das die Leser anhand dieser Gedichte wie bei einem delphischen Orakel in die Abgründe ihrer eigenen Gegenwart blicken lässt. Die Indirektheit, mit der die politische Dimension in diesen Gedichten präsent ist - und wir erinnern uns, dass Said als ausgesprochen politischer Dichter (gegen die Herrschaft des Schahs und der Mullahs) begonnen hatte -, schraubt sich bisweilen in surrealistische Höhen, und es besteht die Gefahr, dass dabei der Sichtkontakt zur Erde verlorengeht: "Mein exterritoriales Hemd / erliegt nur noch / deinem Flitter / an diesem plebejischen Tag / im Sud deiner Abgründe." Wo aber, wenn nicht über den Wolken, sollte man heute noch nach dem Licht suchen?
STEFAN WEIDNER.
Said: "Auf der Suche nach dem Licht". Gedichte. Buchverlag Peter Hellmund, Würzburg 2016. 126 S., geb., 14,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main