Und frische Nahrung, neues Blut - nicht harmlos sind die Verse Volker Brauns zu lesen, und die Possen, die der Titel meint - das sind die ernsten Späße des Daseins selbst. Von nackten verborgenen Gebärden ist die Rede, Wettererscheinungen zwischen den Schläfen, dem Separatismus der Gefühle oder dem Schichtwechsel ins Klassenlose. Es ist ein altes zerfahrenes Land, in dem der Dichter steht, aber auf Einsteins Wiese hegt er diese leichtbewegten, Gedanken ans Einfachste.»Was ist das lähmende Bewußtsein, daß alles ins Nichts läuft, gegen die Kraft der Sinne, die Lust, das Entsetzen. Ich bin, in meinen Fasern, nicht der Macht verhaftet. Apparate, Parteien und ihr abgelebter Geist, das mag zum Teufel gehn. Das macht mich lachen. Das hilft mir nicht. Meine Natur nährt eine rohere Kost.« - Wovon Braun in seiner Büchnerpreisrede sprach, in den jüngsten Gedichten ist es wiederum eingelöst. Mit formaler Fertigkeit tariert er die Verhältnisse, politische und intime, auf beiden Schultern tragend, und hält oder verliert das Gleichgewicht, während der Weltkreis wankt: ein Freudenelend / ist das Leben.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
In einem "handwerkstreuen Sinn bescheiden" findet Angelika Overath die jüngsten Gedichte des Büchnerpreisträgers Volker Braun. Gelassen-melancholisch, schreibt sie, blicke Braun hier zurück auf ein Dichterleben in zwei deutschen Staaten. Gelassen? Overath entgeht nicht das Augenzwinkern desjenigen, der von seinem Leser Genauigkeit erwartet. Und Genauigkeit, so die Rezensentin, sei schließlich nie harmlos gewesen. Dieses Oszillieren der Haltung beim Dichter nennt Overath Brauns "neuen Ton von Bedenken und Ergebung". Ihm korrespondierten Themen, "konkrete historisch-politische Erfahrungen", wie Hiroshima oder der Mauerfall, auf die diese Lyrik immer wieder "Fenster für den intimen Blick" öffne. Für Overath scheint das ein Merkmal für gelungene Dichtung zu sein.
© Perlentaucher Medien GmbH
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