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Dass die Französische Revolution ein weltveränderndes Ereignis war, haben damals auch die meisten Menschen im Ausland sofort begriffen. Politik ist Herzenssache geworden, Herzenssachen stehen im Banne der Politik. Paris zieht nun Revolutionstouristen aus aller Herren Länder an. Von einigen dieser »étrangers«, zwei Engländerinnen und einem deutschen Weltbürger, wird in diesem Buch erzählt. Im April 1793 finden wir sie zusammen in der Pariser Oper: die empfindsame Dichterin Helen Maria Williams, bislang eine Frau von untadeligem Ruf, die ihren Landsleuten nun als engagierte Korrespondentin aus…mehr

Produktbeschreibung
Dass die Französische Revolution ein weltveränderndes Ereignis war, haben damals auch die meisten Menschen im Ausland sofort begriffen. Politik ist Herzenssache geworden, Herzenssachen stehen im Banne der Politik. Paris zieht nun Revolutionstouristen aus aller Herren Länder an. Von einigen dieser »étrangers«, zwei Engländerinnen und einem deutschen Weltbürger, wird in diesem Buch erzählt. Im April 1793 finden wir sie zusammen in der Pariser Oper: die empfindsame Dichterin Helen Maria Williams, bislang eine Frau von untadeligem Ruf, die ihren Landsleuten nun als engagierte Korrespondentin aus Frankreich berichtet und mit einem verheirateten Mann liiert ist. Mary Wollstonecraft, die mit ihrer »Verteidigung der Rechte der Frau« Aufsehen erregt hat und mitten in einer leidenschaftlichen Beziehung zu einem amerikanischen Abenteurer steckt. Und den Weltumsegler Georg Forster, der sich der Revolution in die Arme geworfen und seine Frau an einen anderen Mann verloren hat, doch weiterhin unbeirrt an ihr festhält. »Es ist sonderbar, meine geliebteste Therese, daß unsere eigentümlichsten Verhältnisse so mit den wichtigsten Angelegenheiten der Menschheit zusammenhängen«, schreibt er ihr aus Paris. In ihrem neuen Buch erzählt Ursula Naumann klug, mit tiefer Empathie und ebenso unterhaltsam wie spannend von der Verwobenheit individueller Schicksale mit welthistorischen Umbrüchen.- mit zahlreichen Abbildungen
Autorenporträt
Ursula Naumann, geboren 1945 in Görlitz, lebte als freie Autorin in Erlangen. Nach ihrer Lehrtätigkeit an der Universität Erlangen-Nürnberg und langjähriger Mitarbeit beim Bayerischen Rundfunk erschienen ihre minutiös recherchierten und brillant geschriebenen biographischen Darstellungen im Insel Verlag, bei C. H. Beck und in der Anderen Bibliothek. Ursula Naumann starb 2022 in Erlangen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Sozusagen ohne Punkt und Komma referiert Klaus Harpprecht das hier offenbar anmutig aufbereitete Gesellschaftspanorama aus der deutsch-britischen Emigrantenszene im revolutionären Paris nach. Hauptfigur ist der Naturforscher Georg Forster, Weltumsegler, Republikaner und Geograf, dessen tragische Liebe zu seiner Frau Harpprecht gefühlvoll und unter Nennung dieser und jener Namen aus der Zeit nacherzählt. Sinnlich erfahrbar wird für Harpprecht, um was für eine Aufbruchszeit es sich damals handelte: Der Journalismus gelangte zu erster Blüte, neue Lebensmodelle wurden ausprobiert, und Mary Wollstonecraft schrieb 'The Rights of Women'. Naumanns Streifzug "könnte ein bisher verschollenes Werk von Friedrich Sieburg sein", so Harpprechts überschwängliches Lob für dieses Buch. Nur biografische Notizen zu den vielen Personen des Dramas vermisst er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.02.2013

Politik
auf dem Sofa
Ursula Naumann über die Liebe
in Zeiten der Revolution
Vorweg ein Ratschlag: Man bleibe schön auf dem Canapé von Georg Forster sitzen, das der Titel des Buchs anbietet, und schiele nicht zu sehr auf den Untertitel. Hinter dessen allzu weit gestecktem Thema verbergen sich in Wirklichkeit drei lange monografische Essays über zwei Damen und einen Herrn: die englische Dichterin Helen Maria Williams, die Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft und den deutschen Weltenfahrer Georg Forster. Gemeinsam ist ihnen, dass sie nach den Ereignissen von 1789 alle drei als Revolutionstouristen nach Paris gelockt wurden.
  An einem Aprilabend 1793 sollen sie sogar zusammen im Theater an der Porte Saint-Martin gesehen worden sein. Aufgeführt wurde eine neue Variante der Geschichte vom Urteil des Paris, das der Ballettmeister Pierre Gardel mit diversen Musikstücken von Haydn, Pleyel, Méhul choreografiert hatte. Paris verfällt darin durch das Einwirken von Venus der Leidenschaft für die Nymphe Oenone. Ergebnis: Der Raub Helenas entfällt, der Trojanische Krieg findet nicht statt – schließt daraus kühn die Autorin Ursula Naumann in ihrer Einleitung. Politik werde fortan als Herzenssache betrieben, ein kurzes Goldenes Zeitalter habe begonnen, in dem auf die Ausschweifungen des Adels das Privatglück der frei gewordenen Herzen gefolgt sei und die großen Konflikte politisch entsorgt habe – bevor die Tugendwächter der Revolution Venus und die übrigen Götter wieder von der Bühne vertrieben haben.
  Dieses kurze Wunder der „Herzenswende“ will die Autorin, ausgehend von jenem Theaterabend an der Porte Saint-Martin, anschaulich machen. Es ist ein nicht ganz neues, aber immer wieder faszinierendes Unternehmen, und wir freuen uns schon aufs Feuerwerk der Beispiele von Watteaus „Einschiffung nach Kythera“ und Mozarts „Figaro“ bis zu Goethes „Werther“ und „Wahlverwandtschaften“. Es kommen dann aber die drei Herrschaften, die sich nach dem Theaterabend kaum mehr begegnen und, von den Kapitelüberschriften „Fraternité“, „Égalité“, „Liberté“ notdürftig beim Thema gehalten, wie Ahnen nebeneinander von der Liebe in Zeiten der Revolution Zeugnis ablegen.
  Ursula Naumann hat zu den drei Personen enorm viel Material zusammengetragen, verfügt über einen sicheren Sinn für Szenen und reizvolle Situationen, kann vorzüglich schreiben und erzählen. Ihre Porträts, vorab das von Mary Wollstonecraft, das deren enttäuschte Liebe zum Maler Johann Heinrich Füssli – der Grund ihrer Abreise 1792 nach Frankreich – herausarbeitet, sind voll interessanter Einzelheiten. Durch das ihnen auferlegte Thesenband aber schlottert der mit Zitaten und Anekdoten weitmaschig gestrickte Text immerfort ins Ungewisse. Liest man eine historische Analyse? Eine monografische Reihe? Beides wäre reizvoll, aber nicht unbedingt gemischt. Die Zitate ufern aus. So verfolgen wir nach dem Dekret der Nationalsammlung von 1793, das die Verhaftung aller in Frankreich wohnenden Engländer anordnete, in einem über zwei Seiten laufenden Zitat die strapazierende Verhaftung von Helen Maria Williams, bis sie mit ihren Leidgenossen hinter den Eisengittern des Palais du Luxembourg erschöpft auf die Matratzen sinkt. Und in einem weiteren sechsseitigen Zitat machen wir mit ihr dann die langen Stunden und Tage der Haft durch. Dem reichhaltigen Recherchematerial hätte eine etwas strengere Auswertung nicht geschadet.
  Williams’ „Briefe aus Frankreich“, Georg Forsters Berichte als Entsandter der Mainzer Republik aus Paris sind wertvolle Zeugnisse aus erster Hand über die Ereignisse zwischen Revolution und Schreckensherrschaft. Dass diese Beobachtungen wie auch Mary Wollstonecrafts Kampf für die Rechte der Frauen im Zusammenhang jeweils persönlicher Lebens- und Liebessituationen entstanden, nehmen wir der unterhaltsam schreibenden Autorin gern ab. Wie weit diese privaten Liebessituationen den Lauf der Dinge aber beeinflusst haben, bleibt Gegenstand der Konversation auf dem Sofa.
JOSEPH HANIMANN
Die Engländerin Helen Maria
Williams sinkt hinter Eisengittern
erschöpft auf die Matratzen
  
  
  
  
Ursula Naumann:
Auf Forsters Canapé. Liebe in Zeiten der Revolution.
Mit zahlreichen Abbildungen. Insel Verlag, Berlin 2012.
496 Seiten, 24,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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