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"Ich hätte nie gedacht, daß es so schön sein könnte, mit dir zusammen zu sein." Wegen dieses einen, vielleicht nur in der Phantasie von Maria Vitoria jemals ausgesprochenen Satzes mußte ihr Geliebter sterben. Helmut war einer der Deutschen von der Nato-Airbase in Alentejo. Und sie behauptet, sie selbst habe ihn umgebracht...

Produktbeschreibung
"Ich hätte nie gedacht, daß es so schön sein könnte, mit dir zusammen zu sein." Wegen dieses einen, vielleicht nur in der Phantasie von Maria Vitoria jemals ausgesprochenen Satzes mußte ihr Geliebter sterben. Helmut war einer der Deutschen von der Nato-Airbase in Alentejo. Und sie behauptet, sie selbst habe ihn umgebracht...
Autorenporträt
Clara Pinto Correia wurde 1960 in Lissabon geboren. Sie studierte Biologie und ist als Embryologin in Lissabon und in den USA tätig. Sie hat mehrere Romane, Erzählungen und Lyrik veröffentlicht und erhielt 1991 für "Das Alphabet der Frauen" den Großen Portugiesischen Literaturpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.06.1995

Der Praktikant ist nicht galant
Clara Pinto Correia schickt einen schwachen Helden auf die Suche

Der Praktikant ist eine Niete. Ihm fehlt alles, was ein Journalist zu seinem Beruf braucht. Ehrgeizig ist der Bursche auch nicht. Immerhin wäre er gern berühmt, so berühmt wie eine angebetete Kollegin, die ihren Aufstieg mittels Ausbeutung beschleunigt. Die erste Chance dieses naiven Helden, man ahnt es zu Beginn, wird die letzte sein.

In der Sauregurkenzeit von seiner Redaktion in Lissabon zur Wahrheitsfindung in die Provinz Alentejo geschickt, erfährt der unreife Knabe, im Hauptberuf Jurastudent, mancherlei über das nicht immer unschuldige Leben auf dem Lande. Als weißes Blatt, auf dem alle anderen Romanfiguren ihre Ansichten über Ablauf und Ursache eines Mordes einzeichnen, stellt die 1960 geborene portugiesische Autorin Clara Pinto Correia ihren Helden vor. Hier durchkreuzen fremde Meinungsspuren einander wie unterschiedlich gestrichelte Linien eines Schnittmusterbogens; jeder Umriß gibt ein in sich geschlossenes, aber zusammenhangloses Teilstück zu erkennen. Für welche Version soll sich der Held entscheiden?

Die Vielfalt der Deutungsmöglichkeiten wird zum Romanthema. Die Wahrheit liegt nicht herrenlos herum. Zum Teil befindet sie sich in den Händen der Anbieter von richtigen oder zweckdienlich verlogenen Auskünften. Die aber kann ein Blick von außen einigermaßen gerecht allenfalls, wie es die Autorin mit ihrem Roman vorführt, in vielen Kapiteln registrieren. Ihr zum Scheitern verurteilter Held jedoch soll ein journalistisch aromatisiertes Wahrheitsdestillat und keine Belletristik abliefern.

Die Korrespondenz zwischen dem Inneren und dem Äußeren des Romans ist nur eine der zahllosen Beziehungen, die alle Gegensätze ins Gleichgewicht zu bringen suchen. In diesem windstillen kleinen Überlebenszentrum werden Störungen wie die Agitation eines deutschen Alternativmissionars nicht zugelassen. Fast alle Personen treten in wechselnden Koalitionen paarweise auf, so daß jedem Ideenträger irgendein Partner gegenüber- oder zur Seite steht: Den schwachen Helden begleiten die Zynismen seines triebstarken Fotografen; die kindliche Mörderin flieht zu ihrer schönen Tante; ein versauernder Lokalredakteur findet Trost beim Landarzt.

Alle diese Paarungen, die ländliche Machtkartelle einschließen, bieten nicht nur Identifikationsgestalten für postsozialistisch verkaterte oder an Rezidiven leidende portugiesische Leser. Sie ermöglichen auch kontrastreiche Dialoge, die den Blick an den Staffage-Figuren vorbei in die Tiefe lenken. Die ist aber nur ein geschicktes perspektivisches Arrangement einzelner Prospekte. Außer diesem vom Helden sukzessive abgeschrittenen Szenenaufbau verraten Bewegungsabläufe, Ortsbeschreibungen sowie Rückblenden den typographisch verschleierten Drehbuch-Charakter des bereits verfilmten Romans.

Der formalen Nähe zum Film entspricht eine inhaltliche. Die Wirklichkeit wird perforiert durch Illusionen; Mißverständnisse und absichtliche Irreführungen bestimmen das Geschehen. Einzige Negativgestalt des Romans ist das völlig klischeehaft gezeichnete Mordopfer, eine Projektion der Erinnerungen seiner Umgebung. Dieser blonde Recke namens Helmut war vermutlich homosexuell, doch seine ihm verfallene nachmalige Mörderin verstand keines der darauf hinweisenden Signale; auch dem Leser wird die Suche nach diesem Schlüssel für die Ereignisse nicht leichtgemacht.

Wie schon in ihrem überaus munteren Roman "Das Alphabet der Frauen" variiert die Autorin auch diesmal die Themen Kommunikation, Vertrautheit und Fremdsein, nun zwischen den Geschlechtern. Verständigung kann nicht gelingen, wenn ein Mangel an Lebenserfahrung die richtige Einordnung von Worten und Wahrnehmungen verhindert. Daß der kommunikationsunfähige Held - er kann den Telex-Code nicht entziffern und seine Gedanken kaum niederschreiben - keinen Erfolg bei Frauen hat, macht ihn zum Spiegelbild der Mörderin.

Am Ende löst sich die schöne Tante aus der ländlichen Passivität, um den Praktikanten in der Stadt zu besuchen, wo sie ihm wohl ein paar Nachhilfestunden im Fach Lebenskunde geben wird. Sicher ist auch das freilich nicht, denn "gewoben ist die Welt aus Traum und Irrtum". Diese Gedichtzeile von Fernando Pessoa durchzieht wie der herbe Koriandergeschmack als heimliches Leitmotiv den Roman. RENATE MIEHE

Clara Pinto Correia: "Auf Wiedersehen, Princesa". Roman. Aus dem Portugiesischen übersetzt von Marianne Gareis. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1995. 273 S., br., 16,90 DM.

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