Sieben Zugänge zur Welt. Sieben Wege ins Offene, ins wilde Land. Je nachdem, wie man die Tür öffnet, beginnt die Irrfahrt zu den Dingen. Fragen tauchen dabei auf: Was ist das, was uns voranzieht und ans Leben bindet? Wer sind wir und was verbindet uns mit den Tieren? Wie bringt man Bäume zum Reden? Und wie verwandeln wir uns dabei? Wohin geht das Leben, wenn es geht? Und welche verrückten Kreise schlägt die Zeit in uns? In leichtfüßigen Sprüngen und mit hellwachen Sinnen zieht Klaus Voswinckel den Leser in eine Folge von Abenteuern und Entdeckungen hinein. In jedem Kapitel neu einsetzend, verwandelt und weitet sich der Blick auf die Dinge – sei es auf einer Fußwanderung nach Süditalien, die sich zu einer Liebesgeschichte entwickelt („Aufbrüche“), sei es in einem Kreis von phantastisch-realen Tiergeschichten („Skylla und die Anderen“) oder einer philosophischen Recherche inmitten der mediterranen Landschaft („Ich oder wer?“). Erzählung, Denken und Zwiegespräch gehen ineinander über. Die Sprache will nichts erobern, sie will berühren und sich mit der Welt austauschen. Sie ist eine äußerste Form der Aufmerksamkeit und des Hörens („Die Sprache der Dinge“, „Körpertausch“). Selbst wo der Sinn sich verdunkelt, wie im Kopf der alten Mutter („Das Verschwinden der Sprache“), geht es um ein neu erfahrenes Buchstabieren der Welt. Im letzten Kapitel („Wiederkehr“) erzählt Klaus Voswinckel von einer Reise nach Paris, gleichsam dem Gegenbild der südlichen Macchia, wo er vor Jahren den Dichter Paul Celan kennen gelernt hat. Die Rückkehr in eine vergangene Zeit, zu den letzten Besuchen bei Celan vor seinem Tod in der Seine, ruft zugleich eine Zeit des Aufbruchs wach. Das Ende, auch das Ende des Buchs, schlägt einen Bogen zum Anfang.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2014Wenig Gesellschaft, viele Gedanken
Der Filmemacher, Autor und Paul-Celan-Experte Klaus Voswinckel begibt sich in sieben auf wundersame Weise miteinander Zwiesprache haltenden Episoden auf reisephilosophische Exkursionen - in das Wesen der Dinge und Orte, des Schreitens und Schreibens. Seine oft in südlichen Gefilden spielenden Prosatexte sind dem kosmischen Korrelieren der Alltagsphänomene gewidmete Liebeserklärungen an das Leben und ergebnisoffene Lauschangriffe auf die Natur. Traumgespinste, Verfolgungswahn, "Worte wie Versuchsballons" und eine von ewiger Wahrheitssuche getriebene "écriture automatique" prägen den tastenden Stil. In der in Welten des Unbewussten abtauchenden Erzählung "Ich oder wer?" gerät das Ich zum Glaubensakt im vom Sprudeln der unzulänglichen zwischenmenschlichen Kommunikation, Bilder, Blinkzeichen und Gedanken unberührten Einsamkeitsraum des Selbst. "Ein roter Ball namens Wir" würde bald nach Geburt und Sozialisation durch die Gesellschaft geistern, sie zu Beifallsstürmen oder Wutausbrüchen verleiten, das "Wir" bliebe aber eine illusionistische Solidarisierung. Die Schlusserzählung "Wiederkehr" schildert die Rückkehr nach Paris als Stadt der literarischen Liebe des gealterten Protagonisten: Der Autor erinnert sich an Begegnungen mit Paul Celan, der ihn mit "fast geflüsterten Gedichten" in seinen Studentenjahren politisiert hatte, und rekonstruiert die letzten Lebenswochen, Orte und Worte, die der Dichter nach ideologischer Vereinnahmung der Muttersprache erst wiederzufinden und mit neuem Sinngehalt einzukleiden suchte - bis zu seinem Freitod in der Seine.
sg
"Aufbrüche, Wiederkehr. Erzählungen" von Klaus Voswinckel. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2013. 216 Seiten. Gebunden, 20 Euro.
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Der Filmemacher, Autor und Paul-Celan-Experte Klaus Voswinckel begibt sich in sieben auf wundersame Weise miteinander Zwiesprache haltenden Episoden auf reisephilosophische Exkursionen - in das Wesen der Dinge und Orte, des Schreitens und Schreibens. Seine oft in südlichen Gefilden spielenden Prosatexte sind dem kosmischen Korrelieren der Alltagsphänomene gewidmete Liebeserklärungen an das Leben und ergebnisoffene Lauschangriffe auf die Natur. Traumgespinste, Verfolgungswahn, "Worte wie Versuchsballons" und eine von ewiger Wahrheitssuche getriebene "écriture automatique" prägen den tastenden Stil. In der in Welten des Unbewussten abtauchenden Erzählung "Ich oder wer?" gerät das Ich zum Glaubensakt im vom Sprudeln der unzulänglichen zwischenmenschlichen Kommunikation, Bilder, Blinkzeichen und Gedanken unberührten Einsamkeitsraum des Selbst. "Ein roter Ball namens Wir" würde bald nach Geburt und Sozialisation durch die Gesellschaft geistern, sie zu Beifallsstürmen oder Wutausbrüchen verleiten, das "Wir" bliebe aber eine illusionistische Solidarisierung. Die Schlusserzählung "Wiederkehr" schildert die Rückkehr nach Paris als Stadt der literarischen Liebe des gealterten Protagonisten: Der Autor erinnert sich an Begegnungen mit Paul Celan, der ihn mit "fast geflüsterten Gedichten" in seinen Studentenjahren politisiert hatte, und rekonstruiert die letzten Lebenswochen, Orte und Worte, die der Dichter nach ideologischer Vereinnahmung der Muttersprache erst wiederzufinden und mit neuem Sinngehalt einzukleiden suchte - bis zu seinem Freitod in der Seine.
sg
"Aufbrüche, Wiederkehr. Erzählungen" von Klaus Voswinckel. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2013. 216 Seiten. Gebunden, 20 Euro.
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