„Aufklärung“ von Steffen Martus ist ein gutes Werk, das die Leser über einige Aspekte des dt. 18. Jahrhunderts in Kenntnis setzt, insb. wenn es um Geschichte, Politik, Philosophie, kirchliche Angelegenheiten und manches aus der Ecke Gesellschaft geht.
Auf rund 876 Seiten reinen Textes, in vier
Teilen geordnet, erzählt der preisgekrönte Professor aus Berlin seine Version der Aufklärung. Dabei…mehr„Aufklärung“ von Steffen Martus ist ein gutes Werk, das die Leser über einige Aspekte des dt. 18. Jahrhunderts in Kenntnis setzt, insb. wenn es um Geschichte, Politik, Philosophie, kirchliche Angelegenheiten und manches aus der Ecke Gesellschaft geht.
Auf rund 876 Seiten reinen Textes, in vier Teilen geordnet, erzählt der preisgekrönte Professor aus Berlin seine Version der Aufklärung. Dabei stützt er sich auf die Werke der bedeutenden Gelehrten dieser Zeit, sowie auf zeitgenössische Zeitungen. Er fängt mit Kant’schen „Entdeckung der Unmündigkeit“ in der Einleitung an und schließt auch mit Kant und seinen Problemen und Auseinandersetzungen mit Herder.
Besonders gut gelungen fand ich die Ausführungen über: die Buchmarktentwicklung und seine Monetarisierung, auch über die Ursachen der aufsteigenden Popularität der Schauerromane, die Diskussion über Urheberrechte, denn „Der Buchhandel der Aufklärung funktionierte im Prinzip ohne Urheberrecht. Der Autor verkaufte sein Werk einem Verleger, der es fortan als sein Eigentum betrachtete.“ S. 736; über die Entwicklung und Rolle der Städte wie Hamburg, Leipzig, Frankfurt im politischen und gesellschaftlichen Geschehen jener Tage. Auch die philosophischen Aspekte, z.B. Wolfianer vs. Newtonianer vs. Thomasianer, später Kant vs. Herder sind sehr gut ausgearbeitet und recht zugänglich präsentiert worden. Einige Politiker wie Friedrich I., Friedrich II. sind auch ausführlich beschrieben worden, ferner Maria Theresia im Vergleich zu Friedrich II.
Die Entwicklung der Bildung, der Medizin sowie Frauenaufklärung, nicht nur die med. Aspekte, sondern auch Frauen als begeisterte Leserinnen, sind ebenfalls recht griffig beschrieben worden.
Zum Schluss gibt es Ausführungen über die Erbauung von Sanssouci und die Rolle der Gärten.
Einiges aus den Kapiteln des 4.ten Teils „Die Individualität der Aufklärung“ und „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ fand ich recht aufschlussreich. Hier geht es u.a. um Kriminalität, Kindesmorde, die damals nicht gerade selten vorkamen. Hier wurde u.a. der Fall von „Susanna Margaretha Brandt, das mutmaßliche Vorbild für das Gretchen aus Goethes Faust…“ S. 772, beschrieben. Oder auch der Fall mit dem Müller, der seinen Geschäften nicht nachgehen konnte, da das Wasser für königliche Karpfenteiche abgegraben wurde. Vor Gericht wurde der Müller schuldig gesprochen, da er seine Zahlungsunfähigkeit angeblich seiner Trägheit zu verdanken hatte. „Friedrich reagierte scheinbar im Namen des gesunden Menschenverstands, der bekanntlich nur selten wie der Justizapparat urteilt.“ S. 780. „… die regionale und lokal gewohnten Gesetze wurden gesammelt, kodifiziert und in die Hand des Staats gelegt, materiell aber wenig verändert. Daher wurden keine gleichen Rechte für gleiche Menschen formuliert, sondern weiterhin Gesetze, die je spezifisch für Elemente einer ständisch gegliederten Gesellschaft von Ungleichen, von Adligen, Bürgern und Bauern, Frauen und Männern, Mündigen und Unmündigen, galten.“ S. 781.
Am Ende geht es näher um Kant und seine Probleme u.a. wegen der Kritik der reinen Vernunft. Martus schließt mit einem Absatz, der folgendes enthält: „Die Aufklärung geht uns heute als zwiegesichtige Epoche an. Wir können von ihr lernen, wie tief und historische Umbrüche berühren… Uns überfordert die Aufgabe, große Ideen strikt zu realisieren… Das sanfte Licht der Aufklärung zeigt etwas anderes: wie man sich an unklare Verhältnisse und unruhige Zeiten gewöhnen kann.“ S. 887.
Fazit: Es ist ein gutes Werk über die dt. Aufklärung 1680-1784 mit Schwerpunkten Geschichte, Politik und Philosophie, das vllt etwas trocken, u.U. distanziert erzählt und nicht mit so einem hohen Unterhaltungsfaktor versehen wurde, wie so manche Sachbücher von heute. Aber insg., wenn man sich für diese Epoche interessiert, und ein Neuling auf dem Gebiet ist, wird man mit diesem Werk erstmal gut bedient.