Ingrid und Jan sind seit 25 Jahren verheiratet und führen in Oslo, Norwegen, ein Leben in Wohlstand. Doch Ingrid kann nicht mehr - sie sieht alles schwarz. Die freudlose Ehe frustriert sie, das Engagement am Arbeitsplatz ist nur geheuchelt, und von den halbwüchsigen Söhnen ist kein Trost zu erwarten. Während Ingrid eine Therapie beginnt, schlittert Jan in eine Affäre mit seiner jungen Kollegin Hanne. Das dauert ein Jahr, dann zwingt Hanne den zaudernden Jan, Ingrid zu verlassen. Diese reagiert gelassen, zieht kurzerhand mit einer Matratze in ihr Auto und fühlt zum ersten Mal seit langem eine tiefe Zufriedenheit. Mitreißend und voll schwarzem Humor erzählt Nina Lykke vom Drama einer Familie - mit fast versöhnlichem Ausgang.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.05.2018Im Auto schlafen
Nina Lykkes Romandebüt
„Aufruhr in mittleren Jahren“
Mit dem Älterwerden wächst der Unruhefaktor des Déjà-vu. In Nina Lykkes „Aufruhr in mittleren Jahren“ hat die Hauptfigur, die fünfzigjährige Lehrerin Ingrid, das Gefühl, an sich selbst und dem gutbürgerlichen Leben, das sie in einem Vorort von Oslo führt, zu ersticken. Doch handelt der erste Roman der norwegischen Autorin nicht nur von der Melancholie des Älterwerdens. Es ist zugleich das bissige Porträt einer Ehe und einer Midlife-Krise in all ihren verrückten und verzweifelten Ausformungen.
Von außen betrachtet funktioniert diese Ehe reibungslos, eine gut geölte Maschine, bis ins kleinste Detail austariert und über mittlerweile 25 Jahre erprobt. Rasen mähen, Schnee fegen, Rechnungen bezahlen, Sex haben – der Roman legt ein Alltagskorsett über seine Figuren, das ihnen Halt gibt, aber auch die Luft abschnürt. Jan, Ingrids Mann, Beamter im Ministerium, fühlt sich eingepasst in ein Leben, das vom Kontrollzwang seiner Frau bestimmt wird, und flüchtet sich in Aussteigerfantasien. Die beiden großen Söhne, die noch zu Hause leben, lassen sich von der Mutter die Wäsche waschen und überhaupt alles Unangenehme vom Hals halten. Aber da Ingrid, die als Lehrerin arbeitet, an der Rolle des resignierten Hausmädchens festhält, obwohl sie darunter leidet, bleibt alles, wie es ist. Zunächst jedenfalls.
Es ist nur eine Frage der Zeit, wann dieses überreglementierte, fragile System zerbricht und die Bombe platzt. Die Bombe heißt in diesem Fall Hanne und ist eine deutlich jüngere Kollegin von Jan, die beiden treffen sich heimlich, rauchen in ihrer versifften Wohnung gemeinsam Shit, bis Jan die Beziehung irgendwann nicht mehr geheim halten kann. Ingrid ist geschockt. Der Roman hätte hier in ein Scheidungsdrama übergehen können. Doch er wählt die modernere Variante. Jans Ehebruch wird zum Katalysator, der Ingrids Leben neuen Schwung verleiht. Sie verbringt immer weniger Zeit zu Hause, richtet sich draußen im Auto häuslich ein, schläft sogar nachts darin und bricht schließlich zu einer großen Reise auf, natürlich allein. Während die Betrogene zu sich selbst findet, verheddert sich Jan zunehmend in seinem Leben.
Ingrid, die als Kind den Selbstmord der Mutter verkraften musste und sich Zeit ihres Lebens nahezu zwanghaft in diverse Katastrophenfantasien gestürzt hat, wird zur eigentlichen Gewinnerin des Romans. Glücklicherweise belässt es die 1965 geborene Autorin bei Andeutungen und überfrachtet ihren Roman nicht mit psychologischen Deutungsmustern. Auch hütet sie sich vor Ratgeber-Botschaften des Typs „Warum Krisen uns stark machen“. Trotz kleiner dramaturgischer Schwächen ist ihr Roman über die in der Wohlstands-Saturiertheit enthaltenen Unglückspotentiale ein gelungenes Debüt.
FRANZISKA WOLFFHEIM
Nina Lykke: Aufruhr in mittleren Jahren. Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger und Sylvia Kall. Nagel & Kimche Verlag, Zürich 2018. 272 Seiten, 20 Euro.
Die Bombe heißt Hanne
und raucht in ihrer versifften
Wohnung Shit
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Nina Lykkes Romandebüt
„Aufruhr in mittleren Jahren“
Mit dem Älterwerden wächst der Unruhefaktor des Déjà-vu. In Nina Lykkes „Aufruhr in mittleren Jahren“ hat die Hauptfigur, die fünfzigjährige Lehrerin Ingrid, das Gefühl, an sich selbst und dem gutbürgerlichen Leben, das sie in einem Vorort von Oslo führt, zu ersticken. Doch handelt der erste Roman der norwegischen Autorin nicht nur von der Melancholie des Älterwerdens. Es ist zugleich das bissige Porträt einer Ehe und einer Midlife-Krise in all ihren verrückten und verzweifelten Ausformungen.
Von außen betrachtet funktioniert diese Ehe reibungslos, eine gut geölte Maschine, bis ins kleinste Detail austariert und über mittlerweile 25 Jahre erprobt. Rasen mähen, Schnee fegen, Rechnungen bezahlen, Sex haben – der Roman legt ein Alltagskorsett über seine Figuren, das ihnen Halt gibt, aber auch die Luft abschnürt. Jan, Ingrids Mann, Beamter im Ministerium, fühlt sich eingepasst in ein Leben, das vom Kontrollzwang seiner Frau bestimmt wird, und flüchtet sich in Aussteigerfantasien. Die beiden großen Söhne, die noch zu Hause leben, lassen sich von der Mutter die Wäsche waschen und überhaupt alles Unangenehme vom Hals halten. Aber da Ingrid, die als Lehrerin arbeitet, an der Rolle des resignierten Hausmädchens festhält, obwohl sie darunter leidet, bleibt alles, wie es ist. Zunächst jedenfalls.
Es ist nur eine Frage der Zeit, wann dieses überreglementierte, fragile System zerbricht und die Bombe platzt. Die Bombe heißt in diesem Fall Hanne und ist eine deutlich jüngere Kollegin von Jan, die beiden treffen sich heimlich, rauchen in ihrer versifften Wohnung gemeinsam Shit, bis Jan die Beziehung irgendwann nicht mehr geheim halten kann. Ingrid ist geschockt. Der Roman hätte hier in ein Scheidungsdrama übergehen können. Doch er wählt die modernere Variante. Jans Ehebruch wird zum Katalysator, der Ingrids Leben neuen Schwung verleiht. Sie verbringt immer weniger Zeit zu Hause, richtet sich draußen im Auto häuslich ein, schläft sogar nachts darin und bricht schließlich zu einer großen Reise auf, natürlich allein. Während die Betrogene zu sich selbst findet, verheddert sich Jan zunehmend in seinem Leben.
Ingrid, die als Kind den Selbstmord der Mutter verkraften musste und sich Zeit ihres Lebens nahezu zwanghaft in diverse Katastrophenfantasien gestürzt hat, wird zur eigentlichen Gewinnerin des Romans. Glücklicherweise belässt es die 1965 geborene Autorin bei Andeutungen und überfrachtet ihren Roman nicht mit psychologischen Deutungsmustern. Auch hütet sie sich vor Ratgeber-Botschaften des Typs „Warum Krisen uns stark machen“. Trotz kleiner dramaturgischer Schwächen ist ihr Roman über die in der Wohlstands-Saturiertheit enthaltenen Unglückspotentiale ein gelungenes Debüt.
FRANZISKA WOLFFHEIM
Nina Lykke: Aufruhr in mittleren Jahren. Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger und Sylvia Kall. Nagel & Kimche Verlag, Zürich 2018. 272 Seiten, 20 Euro.
Die Bombe heißt Hanne
und raucht in ihrer versifften
Wohnung Shit
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2018Hotel Mama hat von morgen an geschlossen
Lebenskrise einer Lehrerin: Nina Lykkes Roman "Aufruhr in mittleren Jahren"
Auf Romanen voller Klischees müssten eigentlich Warnschilder pappen - es sei denn, ihre Autoren baden so lustvoll in ihnen, wie es die norwegische Schriftstellerin Nina Lykke in ihrem furchtbar komischen, weil in vielen Details einfach zu lebensnahen Midlife-Crisis Roman "Aufruhr in mittleren Jahren" getan hat.
Alles in ihm ist betont stereotyp. Erst recht Ingrid, um die es hier geht, eine Studienrätin, der nach zwanzig Jahren im Beruf sowohl die Leidenschaft für ihr Hauptfach Norwegisch ("Wen interessierte es, was der Autor gemeint haben könnte?") als auch der Glaube an einen spürbaren "Beitrag der Schule zur Volkswirtschaft" abhandenkamen. Sie wirkt ein wenig neurotisch, wie sie ihre Tage anhand einer imaginären Liste abhakt. Auf dem Schulweg trägt sie einen sündhaft teuren Lärmschutzkopfhörer, weil sie die vielen "kleinen Psychopathen" in der Bahn nicht erträgt. Sie ist in Gedanken zynisch und misantrophisch geworden, würde manchmal am liebsten die Prügelstrafe wiedereinführen, wenn sie mit den Marotten der Wohlstandskinder konfrontiert ist. Auch der Schulreformismus mit seinem Unternehmersprech hinterließ bei Ingrid Spuren. Trotzdem schafft sie es, die Fassade ihres alten energie- und empathievollen Ichs diszipliniert aufrechtzuerhalten. Ingrid funktioniert und ist für alle von der essgestörten bis zur beinahe zwangsverheirateten Schülerin da.
Daheim, im Haus am Solveien, was "Sonnenweg" heißt, ist es nicht anders. Hier ackert Ingrid für ihre zwei großen Söhne, die allmählich mal ausziehen könnten, aber nicht ausziehen wollen, solange Mama noch die Unterhosen wäscht. Ingrid und ihr Mann, ein braver Ministerialbeamter, Typ Luftgitarrenspieler, haben sich seit je so aufopferungsvoll um die Kindern gekümmert, dass nicht nur ihrer Ehe der Schwung fehlt - er fehlt ihrem Leben an sich.
Oberflächlich betrachtet, ist bei Ingrid natürlich alles okay: Sie ist verheiratet, die Familie hat Geld, ein Haus mit Garten und zwei sicher bis zum Abitur gebrachte Kinder. Aber genau dieses vorbildlich eingerichtete Leben wird zur Belastung: Es macht Ingrid nicht glücklich oder zumindest nicht mehr. Ihr schimmert, stets nur die gesellschaftlichen Erwartungen erfüllt zu haben. Streng genommen, wollte sie damals nicht einmal Kinder.
Ist es vielleicht normal, dass man in ihrer Lebensphase ("Sie sind bestimmt in den Wechseljahren", vermutet ihr Arzt) von allem die Nase voll hat? Dass man an der Routine versauert, erschöpft ist und sich nicht einmal mehr mit denen unterhalten mag, mit denen man sich immer unterhalten mochte, weil "alles schon einmal gesagt" und jede Geschichte "schon einmal erzählt" worden ist? So oder so braucht es in Ingrids Situation dringend einen Impuls, um das Erreichte wieder schätzen oder, was wahrscheinlicher ist, ein neues Kapitel aufschlagen zu können.
Dieser Impuls kommt nun tatsächlich. Ingrid verdankt ihn der weit jüngeren Hanne, die ihrem Mann Jan über den Weg läuft, kaum dass er unverhofft zum Referatsleiter aufgestiegen ist. Und sie reagiert auf die Affäre, wie es der naive Jan irgendwie gar nicht erwartet: Ingrid trennt sich von ihm. Mehr noch: Sie lebt fortan im Auto, als brauchte man nicht mehr zum Glück, und tingelt durch Europa, "bis sie die äußersten Grenzen des Geltungsbereichs der Europäischen Krankenversicherungskarte erreicht" hat. "Aufruhr in mittleren Jahren" ist die Geschichte einer Befreiung, bei der das Schönste Ingrids langsam aufziehende Erkenntnis ist, dass sich fortan diese Hanne um Jan, die Söhne und die Schwiegereltern zu kümmern hat.
Ob das nur ein Zwischenhoch bedeutet, lässt Nina Lykke angenehmerweise offen. Sie hat eine bissige, tragikomische Dreiecksgeschichte an der Kante zur Gesellschaftssatire geschrieben, keinen Lebenskrisenratgeber. Nicht jedes der zehn Kapitel, in denen Lykke das Geschehen abwechselnd aus der inneren Warte von Ingrid, Hanne und Jan erzählt, ist so durchgeschliffen und bitter im Ton wie das erste, das Ingrids Dasein als Lehrerin und Mutter beschreibt.
Aber wenn man Antennen für das Satirische und die Sorgen des wohlhabenden Mittelstands hat, dann ist "Aufruhr in mittleren Jahren" mit seiner glasscherbenklaren Sprache ein geradezu entspannendes Buch. Nina Lykke stellte ihm ein Zitat des schwedischen Ministerpräsidenten Tage Erlander von 1956 voran: "Es gibt eine Unzufriedenheit, die ich die Unzufriedenheit der hohen Erwartungen nennen möchte."
MATTHIAS HANNEMANN
Nina Lykke: "Aufruhr in mittleren Jahren". Roman.
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger und Sylvia Kall. Verlag Nagel & Kimche, Zürich 2018.
272 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lebenskrise einer Lehrerin: Nina Lykkes Roman "Aufruhr in mittleren Jahren"
Auf Romanen voller Klischees müssten eigentlich Warnschilder pappen - es sei denn, ihre Autoren baden so lustvoll in ihnen, wie es die norwegische Schriftstellerin Nina Lykke in ihrem furchtbar komischen, weil in vielen Details einfach zu lebensnahen Midlife-Crisis Roman "Aufruhr in mittleren Jahren" getan hat.
Alles in ihm ist betont stereotyp. Erst recht Ingrid, um die es hier geht, eine Studienrätin, der nach zwanzig Jahren im Beruf sowohl die Leidenschaft für ihr Hauptfach Norwegisch ("Wen interessierte es, was der Autor gemeint haben könnte?") als auch der Glaube an einen spürbaren "Beitrag der Schule zur Volkswirtschaft" abhandenkamen. Sie wirkt ein wenig neurotisch, wie sie ihre Tage anhand einer imaginären Liste abhakt. Auf dem Schulweg trägt sie einen sündhaft teuren Lärmschutzkopfhörer, weil sie die vielen "kleinen Psychopathen" in der Bahn nicht erträgt. Sie ist in Gedanken zynisch und misantrophisch geworden, würde manchmal am liebsten die Prügelstrafe wiedereinführen, wenn sie mit den Marotten der Wohlstandskinder konfrontiert ist. Auch der Schulreformismus mit seinem Unternehmersprech hinterließ bei Ingrid Spuren. Trotzdem schafft sie es, die Fassade ihres alten energie- und empathievollen Ichs diszipliniert aufrechtzuerhalten. Ingrid funktioniert und ist für alle von der essgestörten bis zur beinahe zwangsverheirateten Schülerin da.
Daheim, im Haus am Solveien, was "Sonnenweg" heißt, ist es nicht anders. Hier ackert Ingrid für ihre zwei großen Söhne, die allmählich mal ausziehen könnten, aber nicht ausziehen wollen, solange Mama noch die Unterhosen wäscht. Ingrid und ihr Mann, ein braver Ministerialbeamter, Typ Luftgitarrenspieler, haben sich seit je so aufopferungsvoll um die Kindern gekümmert, dass nicht nur ihrer Ehe der Schwung fehlt - er fehlt ihrem Leben an sich.
Oberflächlich betrachtet, ist bei Ingrid natürlich alles okay: Sie ist verheiratet, die Familie hat Geld, ein Haus mit Garten und zwei sicher bis zum Abitur gebrachte Kinder. Aber genau dieses vorbildlich eingerichtete Leben wird zur Belastung: Es macht Ingrid nicht glücklich oder zumindest nicht mehr. Ihr schimmert, stets nur die gesellschaftlichen Erwartungen erfüllt zu haben. Streng genommen, wollte sie damals nicht einmal Kinder.
Ist es vielleicht normal, dass man in ihrer Lebensphase ("Sie sind bestimmt in den Wechseljahren", vermutet ihr Arzt) von allem die Nase voll hat? Dass man an der Routine versauert, erschöpft ist und sich nicht einmal mehr mit denen unterhalten mag, mit denen man sich immer unterhalten mochte, weil "alles schon einmal gesagt" und jede Geschichte "schon einmal erzählt" worden ist? So oder so braucht es in Ingrids Situation dringend einen Impuls, um das Erreichte wieder schätzen oder, was wahrscheinlicher ist, ein neues Kapitel aufschlagen zu können.
Dieser Impuls kommt nun tatsächlich. Ingrid verdankt ihn der weit jüngeren Hanne, die ihrem Mann Jan über den Weg läuft, kaum dass er unverhofft zum Referatsleiter aufgestiegen ist. Und sie reagiert auf die Affäre, wie es der naive Jan irgendwie gar nicht erwartet: Ingrid trennt sich von ihm. Mehr noch: Sie lebt fortan im Auto, als brauchte man nicht mehr zum Glück, und tingelt durch Europa, "bis sie die äußersten Grenzen des Geltungsbereichs der Europäischen Krankenversicherungskarte erreicht" hat. "Aufruhr in mittleren Jahren" ist die Geschichte einer Befreiung, bei der das Schönste Ingrids langsam aufziehende Erkenntnis ist, dass sich fortan diese Hanne um Jan, die Söhne und die Schwiegereltern zu kümmern hat.
Ob das nur ein Zwischenhoch bedeutet, lässt Nina Lykke angenehmerweise offen. Sie hat eine bissige, tragikomische Dreiecksgeschichte an der Kante zur Gesellschaftssatire geschrieben, keinen Lebenskrisenratgeber. Nicht jedes der zehn Kapitel, in denen Lykke das Geschehen abwechselnd aus der inneren Warte von Ingrid, Hanne und Jan erzählt, ist so durchgeschliffen und bitter im Ton wie das erste, das Ingrids Dasein als Lehrerin und Mutter beschreibt.
Aber wenn man Antennen für das Satirische und die Sorgen des wohlhabenden Mittelstands hat, dann ist "Aufruhr in mittleren Jahren" mit seiner glasscherbenklaren Sprache ein geradezu entspannendes Buch. Nina Lykke stellte ihm ein Zitat des schwedischen Ministerpräsidenten Tage Erlander von 1956 voran: "Es gibt eine Unzufriedenheit, die ich die Unzufriedenheit der hohen Erwartungen nennen möchte."
MATTHIAS HANNEMANN
Nina Lykke: "Aufruhr in mittleren Jahren". Roman.
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger und Sylvia Kall. Verlag Nagel & Kimche, Zürich 2018.
272 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main