Aitmatows Geschichte Aug in Auge greift ohne lange Vorrede das ungeliebte wie heikle Thema der Fahnenflucht auf. Ein Soldat entfernt sich von der Truppe, um bei seiner Frau Unterschlupf zu finden. Die Freude, die die Frau empfindet, weiß sie doch ihren Mann endlich wieder in ihrer Nähe, schlägt bald
in lähmende Verunsicherung um, die das ohnehin beschwerliche Leben hinter der Front noch…mehrAitmatows Geschichte Aug in Auge greift ohne lange Vorrede das ungeliebte wie heikle Thema der Fahnenflucht auf. Ein Soldat entfernt sich von der Truppe, um bei seiner Frau Unterschlupf zu finden. Die Freude, die die Frau empfindet, weiß sie doch ihren Mann endlich wieder in ihrer Nähe, schlägt bald in lähmende Verunsicherung um, die das ohnehin beschwerliche Leben hinter der Front noch unerträglicher macht. Es liegt an der Frau, ihren Mann zu versorgen und gleichsam nach außen hin so zu tun, als warte sie jeden Tag auf einen Brief von ihm. Aitmatow macht seinen Leser zum Zeugen, der erfahren muss, wie Krieg die mögliche Sinnhaftigkeit des Menschen und dessen Leben nicht nur in Frage stellt sondern annulliert.
Zeichnet die Handlung eines Deserteurs Mut aus oder ist es Feigheit? Ist es das gute Recht eines jeden, dem eine Uniform übergeworfen und eine Waffe in die Hand gedrückt wurde, all dies fortzuwerfen und gen heimische Stube zu stürmen? Oder offenbart der Flüchtende seinen grenzenlosen Egoismus, schließlich kappt er mit seinem Schritt den Gemeinschaftsvertrag? Wann rechtfertigt existenzielle Not einen solchen Alleingang? An einer Stelle der Geschichte versucht sich der geflohene Soldat an einer Erklärung: „Ich will nicht in der Fremde meinen Kopf hinhalten. Warum soll ich in einer Gegend kämpfen, die ich nie gesehen habe und in der niemand aus meiner Sippe je gewesen ist? Wer den Krieg angezettelt hat, mag ihn auch selber ausführen. Ich warte ab, ich mache da nicht mit ...“
Aitmatows frühe Novelle, Erscheinungsjahr war 1958, wirft Fragen auf, die schwerlich mit dem bekannten Vokabular beantwortet werden konnten und können. Natürlich erntete der Autor harsche Kritik. Millionen sowjetische Soldaten waren dreizehn Jahre zuvor für die Befreiung des Landes und schließlich für halb Europa gefallen, da galt es als Staatsräson, Aug in Auge abzulehnen. Was die Kritiker jedoch nicht daran hinderte, Aitmatow Jahre später mit allen denkbaren Ehrungen zu würdigen. Anders, die Kritiken und Auszeichnungen fehlten, erging es Alfred Andersch 1952 beim Erscheinen seines Berichts Die Kirschen der Freiheit. In dem Buch beschreibt der in München geborene Autor seinen Weg zur Desertation im Juni 1944.