Gebrauchsanweisung für unruhige Zeiten
Michael Laczynski, geb. 1973 in Warschau, war langjähriger EU-Korrespondent der Tageszeitung „Die Presse“ in Brüssel und berichtet derzeit aus der Wiener Presse-Redaktion über Europa-Themen. Mit seinem Buch „Augen auf und durch – Gebrauchsanweisung für
unruhige Zeiten“ verweist er auf tagesaktuelle politische Themen ebenso wie auf gesellschaftliche…mehrGebrauchsanweisung für unruhige Zeiten
Michael Laczynski, geb. 1973 in Warschau, war langjähriger EU-Korrespondent der Tageszeitung „Die Presse“ in Brüssel und berichtet derzeit aus der Wiener Presse-Redaktion über Europa-Themen. Mit seinem Buch „Augen auf und durch – Gebrauchsanweisung für unruhige Zeiten“ verweist er auf tagesaktuelle politische Themen ebenso wie auf gesellschaftliche Veränderungen.
Das Buch ist in einzelne Kapitel gegliedert, gut strukturiert und bietet ein breites Spektrum an Themen und Anregungen für kritisches Denken. Im Kapitel „Ich bin ein Experte. Holt mich hier raus!“ zeigt Laczynski auf, wie sich das Expertentum im Laufe der Zeit veränderte und dass deren Meinung nicht mehr zählt als die des Otto-Normalverbrauchers. Doch er zeigt nicht nur die einzelnen Themen auf, sondern begründet diese. Er erwähnt hier z.B. den Dunning-Kruger-Effekt: „Je inkompetenter ein Gesprächspartner, desto eher tendiert er dazu, sein Wissen zu überschätzen und die Expertise seines Gegenübers zu ignorieren.“ Der Effekt tritt häufiger seit dem Zeitalter des Internet und der sozialen Netzwerke auf – immer mehr Menschen haben jederzeit zu allem eine Meinung, dafür wenig Ahnung … Entgegensteuern kann man hier lt. Laczynski mit zwei wirkungsvollen Methoden: Das Niveau der Diskussion auf jenes der Empfänger zu schrauben, um diesem diverse Inhalte zu vermitteln oder man wird zum Ideenguru und hat das Talent, eine Theorie herausragend zu präsentieren und Diskussionen nicht zuzulassen (Populisten).
Der Autor zeigt auch auf, was ein Troll ist, wie diese agieren und wie man es zum „zertifizierten Troll“ schafft. „Andersdenkenden mit Unverständnis und abschätziger Haltung zu begegnen – was eine der Grundvoraussetzungen für erfolgreiches Trollen ist.“ (dazu fällt mir doch gleich die eine oder andere Person ein). Doch jeder hat die Chance, ein Troll zu werden. Dafür muss man außer viel Zeit mit Verbündeten im Internet zu verbringen, negative Gefühle verstärken, sich rhetorische Grundtechniken aneignen und Ablenkungsmanöver üben.
Ebenso hebt der Autor noch hervor, wie es mit den Bildern im Kopf funktioniert, welche Auswirkungen es teilweise hat, bestimmten Sachverhalten einen besonderen Rahmen zu geben. Hier werden einige Beispiele genannt, wie auch die Bedeutung der Wörter „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ – wer gibt denn nun wirklich Arbeit? Das Unternehmen oder der Arbeiter? Solche interessanten Denkansätze findet man während des Lesens sehr häufig und man merkt auch, dass man selbst bereits die ein oder andere manipulative Wortwahl verinnerlicht hat – ganz im Sinne des Manipulators.
Laczynski hält auch einen Leitfaden für Diskussionen bereit, in dem in acht Punkten einige Hilfestellungen aufgezeigt werden. Manche finde ich durchaus brauchbar, um diese mal auszuprobieren, einige kann man auch mit etwas Hausverstand selbst hervorkramen – was aber in der Natur der Sache liegt, ist wohl, dass die eigenen Erwartungen oftmals zu hoch geschraubt werden (man kann aus Rechtsradikalen keine Linksliberalen machen).
Außerdem findet man einiges über die Medien und über die Tendenz, diesen Meinungsmachern alles abzukaufen, weil kaum jemand bereit ist, selbst zu recherchieren und Dinge zu hinterfragen.
Das Buch ist sehr gut geschrieben, manches Mal musste ich durch zu lange Schachtelsätze einige Absätze mehrmals lesen. Doch das finde ich nun nicht weiter schlimm, weil der Autor immer mit einem Augenzwinkern schreibt und man trotz der wichtigen und ernsten Themen einige Male schmunzeln muss. Wer sich jetzt die ultimative Lösung erwartet oder allzu viel Neues wird enttäuscht sein, für Leser, die gerne mal einen Denkanstoß bekommen, ist das Buch interessant zu lesen.
„Wir sollten die Augen offen halten und nach dem goldenen Mittelweg zwischen passivem Zynismus und naiver Realitätsverweigerung suchen. Es gibt ihn immer noch. Auch in unruhigen Zeiten.“