"Der Biologe darf sich [...] nicht auf sein enges Gebiet beschränken, sondern muß als Vorkämpfer für den rassischen Gedanken, ausgestattet mit dem Material seiner Wissenschaft, vordringen in andere Gebiete, um auch dort zur Weiterforschung mit neuen Erkenntnissen anzuregen." Die Biologie-Lehrerin Dr. Karin Magnussen hat mit ihrem Buch "Rassen- und bevölkerungspolitisches Rüstzeug", das während der NS-Zeit drei Auflagen erlebte und sich explizit an Biologielehrer richtete, die Rassenlehre der Nationalsozialisten propagiert. 1909 geboren, wuchs sie in der Hansestadt Bremen auf, studierte in Göttingen, promovierte und gelangte 1941 schließlich an das renommierte Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin-Dahlem, in dessen Gebäude heute das Otto-Suhr-Institut der FU Berlin untergebracht ist. In ihrer wirtschaftlichen Praxis befasste sie sich mit Augen, unter anderem mit verschiedenfarbigen Augen (Heterochromie). Im März 1943 wurde eine Sinti-Familie mit diesem Merkmal in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Dr. Josef Mengele versprach ihr, ihr die Augen der Opfer zukommen zu lassen, wenn sie einmal sterben sollten. Dies geschah dann bald nachdem Magnussen hatte Menschenversuche an diesen Opfern durch Mengele durchführen lassen. Die Familie starb nahezu gleichzeitig; eine Obduktion ergab, dass die Kinder durch eine Herzinjektion getötet worden waren. Kurze Zeit danach hatte Magnussen die Augen in ihrem Institut auf dem Tisch liegen und fertigte von ihnen histologische Schnitte an. Dieses Buch schildert diesen Fall ausführlich und dokumentiert eine rassistische Wissenschaft, die den Tod ihrer Opfer einplante. Magnussen kam nach 1945 wieder nach Bremen zurück. Sie unterrichtete unbehelligt an einem Bremer Gymnasium - Biologie.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Thomas Meyer zeigt sich durchaus gespalten in seiner Ansicht zu diesem Buch. Was den Text angeht, bemerkt er lobend, dass die Studie "materialreich und sachkundig" sei. Die Lebensgeschichte der Ärztin Karin Magnussen, die sich zusammen mit Josef Mengele durch Menschenversuche profiliert hatte und der auch nach dem Krieg keinerlei Konsequenzen aus ihrem menschenverachtenden Tun entstanden waren, sei überzeugend dargestellt. Die Bildgestaltung bezeichnet der Rezensent allerdings als "sehr ärgerlich", da einige der grauenhaften Details mit Bildern versehen seien, die zudem noch aus einem anderen Zusammenhang stammen. Das vernichtende Fazit zu diesem Aspekt des Buches: "Die Menschen, die Magnussen auf dem Gewissen hat, haben diesen plakativen Unsinn nicht verdient."
© Perlentaucher Medien GmbH
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