Eine Auswahl von zweiundzwanzig aquarellierten Zeichnungen Rodins wird von Liebesgedichten Rilkes und seinen Äußerungen zu Rodins Zeichnungen begleitet. "Eigentlich nichts weiter als geschlechtliche Begierde, die sich aus der Liebeskraft ableitet", so Auguste Rodin, sei "die Kunst". Keine seiner Arbeiten bestätigt dies eindrucksvoller als ein riesiges Konvolut von Zeichnungen, das in seinen letzten beiden Lebensjahrzehnten, seit den 1890er Jahren, entstand. Geradezu elektrisiert notierte Rodins Schüler und Gehilfe Bourdelle nach der Sichtung im Atelierhaus von Meudon: "Eine Million Zeichnungen wie Blitze Geruch der menschlichen Spezies Drama der Lust". In einer radikal modernen Bildsprache artikulierte sich Rodins zunehmende Fokussierung auf das Weibliche. Eine Ausstellung der aquarellierten Handzeichnungen im Großherzogtum Weimar löste 1906 den wohl bekanntesten Rodin-Skandal aus, der zur Entlassung des Kurators und Rodin-Sammlers Harry Graf Kessler führte. Rainer Maria Rilke, Autor einer Rodin-Monographie (1902) und zu dieser Zeit Sekretär des Bildhauers, hatte entschieden Position gegen die Doppelmoral des offiziellen Kunstgeschmacks bezogen, und 1922 verurteilte er im Brief des jungen Arbeiters die Herabsetzung der sinnlichen Liebe durch das Christentum. Im Oktober / November 1915 waren seine "phallische Hymnen" entstanden, ein Zyklus von sieben Gedichten (ihre Entstehung hat Siegfried Unseld beleuchtet: Das Tagebuch Goethes und Rilkes "Sieben" Gedichte, 1978), denen später weitere erotische Gedichte folgten.