Abgründe der menschlichen Seele
„Augenblicke des Bösen“ von Bernd Richard Knospe ist bereits der vierte Band mit Eric Teubner-als Protagonist, meiner Meinung nach der psychisch aufwühlendste Thriller der Reihe, teilweise nichts für Zartbesaitete.
Worum geht es?
Eric Teubner wird von der
Enkelin eines Skandal-Filmregisseurs engagiert, um dessen Biografie zu verfassen – die Beschäftigung mit…mehrAbgründe der menschlichen Seele
„Augenblicke des Bösen“ von Bernd Richard Knospe ist bereits der vierte Band mit Eric Teubner-als Protagonist, meiner Meinung nach der psychisch aufwühlendste Thriller der Reihe, teilweise nichts für Zartbesaitete.
Worum geht es?
Eric Teubner wird von der Enkelin eines Skandal-Filmregisseurs engagiert, um dessen Biografie zu verfassen – die Beschäftigung mit dessen Werk, ziemlich verstörenden Filmen, entpuppt sich als eine Aufgabe, die ihn an seine Grenzen treibt.
Nach dem tödlichen Unfall ihres Gatten findet die Witwe eigenartige Fotos ihres Mannes mit einer fremden Frau. Sie beauftragt einen Privatdetektiv mit der Aufklärung. Die Recherchen entwickeln sich zu einer tödlichen Gefahr für die Familie.
Zwei Geschichten, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben …
Der (vermutlich alte) Mann auf dem Cover strahlt Einsamkeit aus, wie er da in dieser düsteren Atmosphäre sich Filme ansieht. Auf den Titel bezogen, sind es wohl Filme, die Augenblicke des Bösen wiedergeben. Das Buch erschien 2024, die Handlung spielt in der Gegenwart. Unterteilt ist der rund 600 Seiten umfassende Roman in 24 Kapitel mit Überschriften, ohne Orts- oder Zeitangaben. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft und packend. Emotionen und Stimmungen springen ausdrucksstark auf einen als Leser über. Die stetigen Perspektiven- und Ortswechsel gestalten die Handlung abwechslungs- und temporeich. Insbesondere regen häufige Cliffhanger zum Weiterlesen an.
Eric Teubner bildet die Zentralfigur dieser Reihe. Was ihn anbelangt, so knüpft die Handlung an den Vorgängerband an, doch ist der Roman auch ohne Kenntnis der anderen Romane problemlos verständlich, weil sowohl die Protagonisten als auch deren Vorleben soweit erforderlich beschrieben werden.
Die beiden Handlungsstränge entwickeln sich über einige Kapitel parallel, völlig unabhängig voneinander. Man lernt die Protagonisten und deren Lebenssituation kennen. Zwar ist zu erahnen, dass es irgendwann eine Verbindung geben muss, aber es dauert, bis die ersten Zusammenhänge aufploppen. Dem komplexen Handlungsverlauf zu folgen, erfordert ein gewisses Ausmaß an Konzentration und Ausdauer. Dieser Roman ist eindeutig keine Lektüre für zwischendurch. Die Spannung hält sich stets auf hohem Niveau, da einerseits ein Mörder weitere Opfer im Visier hat, andererseits Teubner bei Durchsicht des Filmwerks auf verstörende Inhalte stößt. Mich fesselte vor allem jener Teil, wo es um die Suche nach jener mysteriösen Frau auf dem Foto geht. Eine Suche, die sich immer mehr zu einer Gefahr für die Ermittler, die Witwe und deren Familie entwickelt. Die andere Plotlinie, mit den (wenn auch glücklicherweise nicht bis ins kleinste Detail beschriebenen, dennoch aber beklemmenden) Filmszenen, mochte ich eben wegen dieser abstoßenden Szenen weniger.
Obwohl sowohl die Recherchen der Privatermittler einerseits, als auch jene von Teubner andererseits immer mehr Informationen liefern, gelingt es erst nach Verfolgung etlicher falscher Spuren sowie einiger unerwarteten Wendungen in einem dramatischen Finale, den Mörder zu fassen, dessen Motivation zu erkennen. Auch Teubners Suche ist erfolgreich, gewissermaßen ebenfalls überraschend. Die beiden Handlungsstränge verknüpfen sich zufriedenstellend. Und das versöhnliche Ende lässt einen letztlich nach all dem Bösen und Grauen das Buch mit dem Hoffnungsschimmer schließen, dass der nächste Band den Protagonisten ein besseres Leben bescheren wird.
Abgesehen davon, dass der Autor im Zusammenhang mit den skandalösen Filmen thematisch die Frage in den Raum stellt, „wie weit Kunst gehen darf und ab wann Kunst in Regionen vordringt, die jenseits der Grenzwertigkeit liegen“ (Zitat des Autors), liegt sein Schwerpunkt neben einer komplex aufgebauten Handlung vor allem in der facettenreichen Ausarbeitung der Charaktere. Seine Figuren wirken durch ihre Ecken und Kanten, Eigenheiten und Laster sehr authentisch, teils auch nicht überaus sympathisch. Sie sind geprägt durch Herkunft, drastische Erlebnisse und ihr Umfeld. Doch die Menschen entwickeln sich im Laufe der Handlung weiter. In unerwarteter Art und Weise, überrascht muss man das Bild, das man sich von der Person gemacht hat, revidieren. So mancher scheinbare Bösewicht offenbart letztlich positive Wesenszüge. Neben Teubner ist vor allem die Privatdetektivin Anna eine tragende Figur. Sie war meine Lieblingsfigur in diesem Roman. Ihre Stärke, ihre Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit sind beeindruckend. Sie gibt nie auf.
Ja, das Buch beinhaltet Augenblicke des Bösen, Szenen, bei denen ich mich nicht wohl fühlte, aber in seiner Gesamtheit bot der Roman packende Spannung, überraschende Wendungen und faszinierende Charaktere. Ich möchte aber nicht nur diesen Band empfehlen, denn man sollte alle gelesen haben. Ich freue mich jetzt schon auf die Fortsetzung.