"Ein wunderbar leicht geschriebener Roman - fein, filigran, voller Poesie." WDR.
Eine Frau sucht mit ihren drei Kindern Zuflucht in einem alten Haus. Alles, was vorher war, sollen die Kinder zu ihrem Schutz vergessen, sogar ihre Namen. Umgeben von hohen Mauern, inmitten eines verwunschenen Gartens, erfinden die Geschwister nun ihre eigene Welt. Riesige Bäume, ein Bachlauf, Tiere - alles dient ihnen als Quell der Phantasie und lässt sie ihr neues Leben lieben. Eines Tages jedoch betritt ein Hausierer den Garten, der fremde, wundersame Dinge aus seinen Taschen hervorzaubert ... Ein hinreißender Roman über den Zauber der Kindheit, der die großen Fragen nach Liebe, Zusammenleben und Familie stellt. Düster und dennoch voll lichter Schönheit erzählt Yoko Ogawa die Geschichte dreier Geschwister, die in einer Traumwelt voller Geheimnisse und Magie aufwachsen.
"Ogawa ist originell, elegant - und sehr beunruhigend." Hilary Mantel
"Ogawa beschwört Glück, Vergänglichkeit, Schutzräume und Mythen der Kindheit herauf." FAZ
Eine Frau sucht mit ihren drei Kindern Zuflucht in einem alten Haus. Alles, was vorher war, sollen die Kinder zu ihrem Schutz vergessen, sogar ihre Namen. Umgeben von hohen Mauern, inmitten eines verwunschenen Gartens, erfinden die Geschwister nun ihre eigene Welt. Riesige Bäume, ein Bachlauf, Tiere - alles dient ihnen als Quell der Phantasie und lässt sie ihr neues Leben lieben. Eines Tages jedoch betritt ein Hausierer den Garten, der fremde, wundersame Dinge aus seinen Taschen hervorzaubert ... Ein hinreißender Roman über den Zauber der Kindheit, der die großen Fragen nach Liebe, Zusammenleben und Familie stellt. Düster und dennoch voll lichter Schönheit erzählt Yoko Ogawa die Geschichte dreier Geschwister, die in einer Traumwelt voller Geheimnisse und Magie aufwachsen.
"Ogawa ist originell, elegant - und sehr beunruhigend." Hilary Mantel
"Ogawa beschwört Glück, Vergänglichkeit, Schutzräume und Mythen der Kindheit herauf." FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2019Das Wissen der Bäche und Bibliotheken
Yoko Ogawa sperrt Kinder hinter Ziegelmauern und lässt sie dort frei sein
Die 1962 geborene Yoko Ogawa, die mit Werken wie "Zärtliche Klagen" (1996) und "Museum der Stille" (2000) Pastoralen entwirft und die Leerstellen der Leistungsgesellschaft feiert, beschwört in "Augenblicke in Bernstein" (Original 2015) Glück, Vergänglichkeit, Schutzräume und Mythen der Kindheit herauf.
Eine alleinerziehende Mutter schließt nach dem Tod der Jüngsten die verbliebenen Kinder in eine verfallene Villa ein, ehemals der Arbeitsort des Vaters als gescheiterter Verleger von Enzyklopädien. Es ist ein aus Verfolgungswahn, Fürsorge und Hirngespinsten gewebter Kokon. Neben dem Ausgangsverbot aus dem Arkadien hinter Ziegelmauern steht Mutters Gebot zu flüstern und der Wunsch, das Woher abzustreifen: Durch blindes Aufschlagen eines Kinder-Lexikons finden sie zu den neuen Namen Achat, Bernstein und Opal.
Der autistische Kinderkosmos spiegelt Japans vormodernen Status der Landesabschließung, die vaterlose Familie das der Macht des Kaisers beraubte Nachkriegsjapan wider. Neben märchenhaften und schintoistischen Zügen wie weise Esel und beseelte Steine äußert sich die vorsprachliche Kommunikation durch ein Eigenleben der Organe: Achat lernt fern vom Walten der Institutionen über einen imaginären Lehrer im Ohr Wörter. Opals Mund weiß "Geschichten über die Außenwelt zu erzählen", in denen die Überreste ihrer wahren Namen überdauern. Und Bernstein kann mit seinem medial begabten linken Auge die geliebte Schwester wiederbeleben und verewigt das Gesehene in Bleistiftskizzen an Rändern der Enzyklopädien wie ein Daumenkino: So "entstand eine mit Händen greifbare animierte Figur. Alle Momente ihres Daseins wurden sorgfältig in Szene gesetzt, von ihren Schatten befreit und dem Licht übergeben."
Puppen als Schutzpatrone, das Wissen alter Bäche und Bibliotheken, Kinderschwüre, Kommunion im Hauskonzert trotz verkümmerter Stimmbänder prägen dieses Universum. Statt die Mutter anzuklagen, liegt der Fokus der Erzählung auf der Überlebenskunst der Kinder.
Risse in das Refugium reißen Hubschrauber, in deren Windschatten Giftpilze wachsen, und die ebenso faszinierende wie bedrohliche Figur des Hausierers Joe. Über ein geheimes Tor besucht er die Kinder, als die Mutter außer Haus ist. Ohne den Notausgang wahrzunehmen, proben sie spielerische Evasionen, wenn Oval, deren Pubertät erwacht, beim Tanz mit Joe Grenzen überschreitet und Achat Rundgänge um die Mauer macht, bis ihn eine Passantin entdeckt.
Ogawa inszeniert die Klingelszene der Polizei und Bernsteins instinktives Verstecken seiner Lexikonschätze als Reflex gegen die Verstaatlichung der Kinderpflege. Auch wenn Bernstein in der Folge einige Sozialeinrichtungen durchläuft, lebt er trotz seiner neuen Freiheiten im Geist weiter hinter Mauern und gemäß Mutters Geboten. Für die Autorin, so scheint es, ist Kindheit schöpfungsnahes Sein, das als verdichtete Zeit und überwältigendes Leben die korrumpierte Erwachsenenwelt transzendiert.
STEFFEN GNAM.
Yoko Ogawa: "Augenblicke in Bernstein". Roman.
Aus dem Japanischen von Sabine Mangold. Liebeskind Verlag, München 2019. 320 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Yoko Ogawa sperrt Kinder hinter Ziegelmauern und lässt sie dort frei sein
Die 1962 geborene Yoko Ogawa, die mit Werken wie "Zärtliche Klagen" (1996) und "Museum der Stille" (2000) Pastoralen entwirft und die Leerstellen der Leistungsgesellschaft feiert, beschwört in "Augenblicke in Bernstein" (Original 2015) Glück, Vergänglichkeit, Schutzräume und Mythen der Kindheit herauf.
Eine alleinerziehende Mutter schließt nach dem Tod der Jüngsten die verbliebenen Kinder in eine verfallene Villa ein, ehemals der Arbeitsort des Vaters als gescheiterter Verleger von Enzyklopädien. Es ist ein aus Verfolgungswahn, Fürsorge und Hirngespinsten gewebter Kokon. Neben dem Ausgangsverbot aus dem Arkadien hinter Ziegelmauern steht Mutters Gebot zu flüstern und der Wunsch, das Woher abzustreifen: Durch blindes Aufschlagen eines Kinder-Lexikons finden sie zu den neuen Namen Achat, Bernstein und Opal.
Der autistische Kinderkosmos spiegelt Japans vormodernen Status der Landesabschließung, die vaterlose Familie das der Macht des Kaisers beraubte Nachkriegsjapan wider. Neben märchenhaften und schintoistischen Zügen wie weise Esel und beseelte Steine äußert sich die vorsprachliche Kommunikation durch ein Eigenleben der Organe: Achat lernt fern vom Walten der Institutionen über einen imaginären Lehrer im Ohr Wörter. Opals Mund weiß "Geschichten über die Außenwelt zu erzählen", in denen die Überreste ihrer wahren Namen überdauern. Und Bernstein kann mit seinem medial begabten linken Auge die geliebte Schwester wiederbeleben und verewigt das Gesehene in Bleistiftskizzen an Rändern der Enzyklopädien wie ein Daumenkino: So "entstand eine mit Händen greifbare animierte Figur. Alle Momente ihres Daseins wurden sorgfältig in Szene gesetzt, von ihren Schatten befreit und dem Licht übergeben."
Puppen als Schutzpatrone, das Wissen alter Bäche und Bibliotheken, Kinderschwüre, Kommunion im Hauskonzert trotz verkümmerter Stimmbänder prägen dieses Universum. Statt die Mutter anzuklagen, liegt der Fokus der Erzählung auf der Überlebenskunst der Kinder.
Risse in das Refugium reißen Hubschrauber, in deren Windschatten Giftpilze wachsen, und die ebenso faszinierende wie bedrohliche Figur des Hausierers Joe. Über ein geheimes Tor besucht er die Kinder, als die Mutter außer Haus ist. Ohne den Notausgang wahrzunehmen, proben sie spielerische Evasionen, wenn Oval, deren Pubertät erwacht, beim Tanz mit Joe Grenzen überschreitet und Achat Rundgänge um die Mauer macht, bis ihn eine Passantin entdeckt.
Ogawa inszeniert die Klingelszene der Polizei und Bernsteins instinktives Verstecken seiner Lexikonschätze als Reflex gegen die Verstaatlichung der Kinderpflege. Auch wenn Bernstein in der Folge einige Sozialeinrichtungen durchläuft, lebt er trotz seiner neuen Freiheiten im Geist weiter hinter Mauern und gemäß Mutters Geboten. Für die Autorin, so scheint es, ist Kindheit schöpfungsnahes Sein, das als verdichtete Zeit und überwältigendes Leben die korrumpierte Erwachsenenwelt transzendiert.
STEFFEN GNAM.
Yoko Ogawa: "Augenblicke in Bernstein". Roman.
Aus dem Japanischen von Sabine Mangold. Liebeskind Verlag, München 2019. 320 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main