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Den Berichten »von der Front« in Wort und Bild kommt seit jeher entscheidende Bedeutung für die zeitgenössische Wahrnehmung und Legitimation eines Krieges zu. Diese erste Geschichte der Kriegsberichterstattung stellt deshalb die Akteure selbst in den Mittelpunkt: die Wort- und Bildkorrespondenten, ihre Wahrnehmungsweisen und ihre Praktiken der Berichterstattung; sowie die Militärs, ihre zentralen Subjekte und zunehmend ihre Kontrolleure. Während im 18. Jahrhundert noch offizielle Bulletins aus der Feder von Offizieren die Berichterstattung dominierten, etablierte sich in der Epoche der…mehr

Produktbeschreibung
Den Berichten »von der Front« in Wort und Bild kommt seit jeher entscheidende Bedeutung für die zeitgenössische Wahrnehmung und Legitimation eines Krieges zu. Diese erste Geschichte der Kriegsberichterstattung stellt deshalb die Akteure selbst in den Mittelpunkt: die Wort- und Bildkorrespondenten, ihre Wahrnehmungsweisen und ihre Praktiken der Berichterstattung; sowie die Militärs, ihre zentralen Subjekte und zunehmend ihre Kontrolleure. Während im 18. Jahrhundert noch offizielle Bulletins aus der Feder von Offizieren die Berichterstattung dominierten, etablierte sich in der Epoche der internationalisierten Pressemärkte der Beruf des zivilen Kriegsberichterstatters. Die Bedingungen, unter denen Journalisten und Fotografen im Krieg arbeiteten, ihr Umgang mit Kontrollmaßnahmen und Zensur und die Veränderung der Medienlandschaften haben zu einer Wahrnehmung des Berichterstatters als »Augenzeuge« und »Aufklärer« beigetragen.
Mit diesem Buch liegt nun erstmals ein fundiertes Überblickswerk vor, das vom Siebenjährigen Krieg (1756-1763) bis zum 2003 begonnenen Irakkrieg 250 Jahre internationaler Frontberichterstattung erschließt.

Inhaltsverzeichnis:
Ute Daniel
Einleitung

Andreas Gestrich
Kriegsberichterstattung als Propaganda. Das Beispiel des »Wienerischen Diarium« im Siebenjährigen Krieg 1756-1763

Ute Daniel
Der Krimkrieg 1853-1856 und die Entstehungskontexte medialer Kriegsberichterstattung

Frank Becker
Deutschland im Krieg von 1870/71 oder die mediale Inszenierung der nationalen Einheit

Andreas Steinsieck
Ein imperialistischer Medienkrieg. Kriegsberichterstatter im Südafrikanischen Krieg (1899-1902)

Almut Lindner-Wirsching
Patrioten im Pool. Deutsche und französische Kriegsberichterstatter im Ersten Weltkrieg

Gerhard Paul
Der Krieg der Fotografen. Die fotografische Kriegsberichterstattung im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939

Kay Hoffmann
Der Mythos der perfekten Propaganda. Zur Kriegsberichterstattung der »Deutschen Wochenschau« im Zweiten Weltkrieg

Lars Klein
Größter Erfolg und schwerstes Trauma: Die folgenreiche Idee, Journalisten hätten den Vietnamkrieg beendet

Karl Prümm
Die Definitionsmacht der TV-Bilder. Zur Rolle des Fernsehens in den neuen Kriegen nach 1989

Angaben zu den Autoren
Kommentierte Auswahlbibliografie
Abkürzungsverzeichnis
Bildnachweis
Register
Autorenporträt
Andreas Gestrich ist Professor im Ruhestand für Neuere Geschichte an der Universität Trier.

Dr. Gerhard Paul ist Professor für Geschichte und ihre Didaktik an der Universität Flensburg.

Dr. Ute Daniel ist Universitätsprofessorin für Neuere Geschichte am Historischen Seminar der TU Braunschweig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.06.2006

Schreibt, Journalisten, bevor es die Dichter tun!
Medien als Waffengattung im Felde: Ein Band zeigt die Einschußlöcher der Kriegsberichterstattung

Obwohl wir allen Grund haben, den Medien zu mißtrauen, besonders dem Fernsehen, wissen wir, was wir wissen, im wesentlichen durch die Medien. Woher sonst? Wir haben keine Alternative. Der Peinlichkeit dieser Situation entziehen wir uns, indem wir der Selbstdarstellung der Medien kaum widersprechen, die natürlich behaupten, mehr als die Wahrheit zu bieten, nämlich "Objektivität". Niklas Luhmann hat die Verhältnisse in "Die Realität der Massenmedien" treffsicher analysiert. Seine Darstellung der Selektion von Nachrichten kann man zum Beispiel mit der Kriegsberichterstattung vergleichen, die Gegenstand dieses Buches ist.

Doch verfolgt der von Ute Daniel herausgegebene Band einen anderen Ansatz. Es will vor allem über Kriegsberichterstattung berichten. Analysen fallen mehr am Rande ab. Die Gliederung folgt der Chronologie der großen europäischen Kriege. Andreas Gestrich hat die Berichterstattung der Zeitung "Wienerisches Diarium" über den Siebenjährigen Krieg ausgewertet. Ute Daniel beschreibt die vieldiskutierte Berichterstattung über den Krimkrieg. Andreas Steinsieck sieht, wie im Burenkrieg zum ersten Mal Fotografie und Film eingesetzt werden. Nach Almut Lindner-Wirsching haben im Ersten Weltkrieg beide Seiten ihre Medien ähnlich gesteuert.

Für Gerhard Paul war der Spanische Bürgerkrieg ein Krieg der Fotografen, die sich jeweils für ihre Seite mit Kampfbildern zu übertrumpfen suchten, wie mit dem berühmten Bild eines fallenden Republikaners im Augenblick seines Todes von Robert Capa. Kay Hoffmann zeigt, daß die "Deutsche Wochenschau" während des Zweiten Weltkrieges insgesamt doch recht erfolgreich manipuliert hat. Lars Klein versucht, die Rolle der Journalisten im Vietnamkrieg zu klären. Der Irak-Krieg von 2003 ist wohl noch zu frisch, als daß er mehr zuließe als Fernsehmoderatorengeschwätz, das sich vor allem durch Störungen der Medieninszenierungen irritieren läßt, wie die nicht ablichtbaren Operationen im Kampf gegen den Terror oder die Opferbilder des Senders Al Dschazira.

Insgesamt lohnt das Buch aber die Lektüre. Es macht Entwicklungen sichtbar. Man versteht den Einsatz der Medien und die Reaktionen des Militärs und der Politik besser. Man kann die Kriege aus der Perspektive der Berichterstattung gleichsam neu erleben und erfährt Hintergründe, so zum bekanntesten Bild des Vietnamkrieges aus der Zeit der Tet Offensive, die Erschießung des NFL-Captains Nguyen Van Lem durch den südvietnamesischen Polizeichef Nguyen Ngoc Loan am 1. Februar 1968, fotografiert von Eddie Adams. "Die Empörung, die das Bild auslöste, habe er nie verstanden, meinte Adams später. Er fragt, was ,wir' in der Situation getan hätten, denn Nguyen Van Lem hatte zuvor acht Südvietnamesen liquidiert. Diese Vorgeschichte erzählt das Foto freilich nicht" (Lars Klein).

Die Empörung hatte auch einen ganz anderen Grund. In den Vereinigten Staaten war die öffentliche Meinung umgeschlagen. Sie war jetzt gegen den Krieg. Die politischen und militärischen Paradoxien, die aus diesem Umschlag entstanden, konnten nur mit Mythen überblendet werden.

Die Grundfrage freilich - wie beeinflußte die Kriegsberichterstattung Krieg und Politik? - bleibt nicht nur unbeantwortet, sie drängt sich mit fortschreitender Lektüre immer dringlicher auf. Vermutlich läßt sie sich überhaupt nicht zufriedenstellend beantworten. Einmal sind Bilder nie mit ihrem Gegenstand identisch. Im strengen Sinne können sie daher keine Wirklichkeit wiedergeben. Die Wirklichkeit entwickelt sich nach ihren eigenen Gesetzen unabhängig vom Bild. Insofern sind Bilder Schein. Die moderne Kunst erkennt das auch an.

Zum anderen ist auch das Wissen über Kriegsberichterstattung Medienwissen wie alles andere. Wir müssen es mangels besserer Quellen hinnehmen. Insofern ist Kriegsberichterstattung nur ein Thema, das man entweder auf den Krieg beziehen kann und das dann neben andere Kriegsthemen wie Luftwaffe, Panzerfaust oder Ostfront tritt. Oder man bezieht es auf die Medien. Dann tritt es neben Themen wie Sendezeiten, Einschaltquoten oder Werbung.

Solche Themen schließen die Medien tatsächlich an Militär und Politik an. Aber aus diesem Grund können die Medien nicht einfach über Themen verfügen. Häufig werden sie ihnen aufgenötigt. Meistens müssen die Medien bei der Auswahl der Themen Rücksicht auf das Publikum, die Übermittlungstechnik, die Politik, die Wirtschaft und die öffentliche Meinung nehmen. Der Krieg vereinfacht die Themenwahl. Er zwingt alle, für den Sieg zu arbeiten, natürlich auch und gerade die Berichterstatter. Dagegen können Journalisten opponieren und dadurch Ruhm erwerben. Meistens tun sie es aber nicht. Auch das zeigt dieses lehrreiche, gut geplante, nachdenklich stimmende Buch.

GERD ROELLECKE

Ute Daniel (Hrsg.): "Augenzeugen". Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006. 264 S., br., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.10.2006

Vom Gentleman zum Anwalt der Zivilisten
Thomas Speckmann
Von Roßbach bis Bagdad: Trends und Tendenzen der Kriegsberichterstattung
Was haben der Siebenjährige Krieg und der dritten Golfkrieg gemeinsam? Sie waren beide auf ihre Art auch Medienkriege. In einem lesenswerten Sammelband hatUte Daniel hat eine Reihe von Beiträgen versammelt, die 250 Jahre Kriegsberichterstattung Revue passieren lassen. Anhand des Siebenjährigen Krieges beschreibt der Trierer Historiker Andreas Gestrich wie vor der Etablierung der journalistischen Frontberichterstattung berichtet wurde: Die Korrespondenten der Zeitungen arbeiteten nicht in den Kriegsgebieten, sondern inden diversen Hauptstädten und überwiegend auf der Grundlage veröffentlichten Materials. Ihre Blätter wurden von der Obrigkeit gelenkt und veröffentlichten neben den Briefen der Korrespondenten meist offizielle Informationen wie Kriegsdiarien und Bulletins.
In einem Punkt ähnelte die damalige Kriegsberichterstattung der späteren jedoch frappierend: Das, was einmal Gräuelpropaganda heißen sollte, gewann bereits zwischen 1756 und 1763 zentrale Bedeutung. Dem Gegner wurde vorgeworfen, das Kriegsrecht gegenüber Zivilisten zu verletzen. Seine Delegitimierung wurde zum Kriegsziel.
Ein Jahrhundert später mobilisierte der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland die Medienöffentlichkeit unter nationalen Vorzeichen. Frank Becker veranschaulicht, wie sehr Frontberichterstatter und Illustratoren daran beteiligt waren. Ihre Anstrengungen dienten dazu, die Kriegsbilder von Front undHeimat einander anzugleichen.
Mit dem Burenkrieg und dem Spanisch-Amerikanischem Krieg trat die Visualisierung der Berichterstattung durch Film und Fotografie in eine neue Phase. Journalistensahen sich nun gezwungen, ihre Vorstellungen von „objektivem” Berichten zu überdenken. Während im britischen Unterhaus die liberale Opposition gegen die staatliche Zensur Sturm lief, blieb das Verhältnis zwischen Militär und Medien harmonisch, so das Fazit der Studie des Braunschweiger Historikers Andreas Steinsieck.
Hier knüpft die Herausgeberin an, die sich in ihren einleitenden Bemerkungen der Figur des Kriegsberichterstatters annimmt: Die Briten, die bis zum Ersten Weltkrieg auf globaler Ebene das Bild der Profession bestimmten, und eine Reihe amerikanischer Kollegen, die seit dem Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 an internationalem Ruhm mit ihnen gleichzuziehen begannen, stammten meist aus der Oberschicht oder den oberen Mittelschichten. Damit verfügten sie über denselben Hintergrund wie die Offiziere der Truppen, die sie begleiteten. Die Korrespondenten waren „Gentlemen unter Gentlemen” und reisten mit Diener, Pferd und Wagen. Mit einfachen Soldaten kamen sie kaum in Kontakt. Die Nähe zu den Führungsschichten rief bei den Berichterstattern eine Affinität zu deren Kriegen hervor. Von Fall zu Fall kritisierten sie aber auch selbstbewusst einzelne Maßnahmen und Militärführer.
Um die Jahrhundertwende tauchte auf den Kriegsschauplätzen der erste Vorläufer eines weniger elitären Typs auf, der oft als „freelancer” versuchte, seine Karriere durch Kriegsberichte zu forcieren. Er brachte einen neuen, von der Generation der Älteren nicht goutierten Stil unter die Korrespondenten. Da er sich erst noch einen Namen machen musste, störte er das Einvernehmen zwischen Journalisten und Militärs, indem er die Zensurvorschriften umging. Im 20. Jahrhundert ging die enge Bindung zwischen Offizierskorps und Berichterstattern endgültig verloren.
Auch das kollektive Kriegsbild veränderte sich in dieser Zeit – und mit ihm die Kriegsberichterstattung. Im 19. Jahrhundert waren kriegskritische Stimmen unter Journalisten selten. Erst der Erste Weltkrieg änderte das, zusehr hatten die konventionellen Deutungen angesichts seines Zerstörungspotentials und seiner langen Dauer versagt. Nach 1918 konnten Korrespondenten „ihre” Kriege nicht mehr nur beobachten. Sie musstensich zu ihnen verhalten und sich auf ihr Verhalten hin befragen lassen und selbst befragen.
Dabei ist es bis heute geblieben. Quasi ritualisiert folgt der medialen Kriegsteilnahme nach Kriegsende die mediale Selbstkritik, wie sich erstmals im und nach dem Ersten Weltkrieg und jüngst auch im dritten Golfkrieg beobachten ließ. Die Folge ist eine neue Schwerpunktsetzung: Statt des militärischen Geschehens steht in der Regel das Schicksal der Zivilbevölkerung im Mittelpunkt. Was auf den ersten Blick als eine humane Entwicklung erscheint, entpuppt sich in Zeiten asymmetrischer Kriege als Bedrohung. Für Guerillagruppen, Partisanen und Terroristen sind zivile Ziele nur solange von Bedeutung, wie der Fokus der Medien auf zivilen Opfern liegt. Gelänge es hingegen, eine von Gelassenheit geprägte Berichterstattung zu etablieren, wäre eine wichtige Schlacht im Kampf gegenden Terror gewonnen.
THOMAS SPECKMANN
UTE DANIEL (Hrsg.): Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 2006. 264 Seiten,24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Spannend sind die Untersuchungen zur Arbeit von Kriegsberichterstattern, die die Historikerin Ute Daniel in dem von ihr gebündelten Sammelband herausgegeben hat, nach Einschätzung der Rezensentin Karin Flothmann auf jeden Fall. Das paradoxe Ergebnis ist nämlich, dass Beobachter vor Ort selten einen Überblick über das Geschehen haben, dass ihre Berichte zwar einen vermeintlich authentischen Eindruck vermitteln können, aber "in der Regel gar keinen Nachrichtenwert" haben. Auch weist Daniel nach, dass zwischen Medien und Kriegen eine Wechselwirkung besteht, denn aus ökonomischer Sicht sind Kriege gut für die Medienlandschaft. "So entstand der Hearst-Konzern etwa aus dem Spanisch-Amerikanischen Krieg heraus." Zudem zeigen die Beiträge des Sammelbands nach Einschätzung der Rezensentin, dass das Thema Kriegsberichterstattung eine längere Geschichte hat als gemeinhin angenommen.

© Perlentaucher Medien GmbH