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Rudolf Augstein war eine der ganz großen Figuren in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dieter Schröder erzählt nach intensiven Recherchen das Leben dieses Ausnahmejournalisten. Gleichzeitig schildert er den kometenhaften Aufstiegvon Augsteins Lebenswerk, des Spiegels, mit dem dieser ein einflussreiches politisches Enthüllungsmagazin geschaffen hat.

Produktbeschreibung
Rudolf Augstein war eine der ganz großen Figuren in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dieter Schröder erzählt nach intensiven Recherchen das Leben dieses Ausnahmejournalisten. Gleichzeitig schildert er den kometenhaften Aufstiegvon Augsteins Lebenswerk, des Spiegels, mit dem dieser ein einflussreiches politisches Enthüllungsmagazin geschaffen hat.
Autorenporträt
Dieter Schröder, geboren 1931 in Berlin, von 1953-1963 Bonner Korrespondent der "SDZ", von 1964-1965 Reporter beim SPIEGEL, anschließend wieder außenpolitischer Korrespondent der "SDZ", deren Chefredakteur er später wurde. Von 1996-2001 Herausgeber der "BZ".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.10.2004

Angst vor der Nähe
Dieter Schröders Augstein-Biografie zeichnet eine Persönlichkeitsstruktur voller Widersprüche
Es ist bestimmt nicht die letzte Biografie, die den 2002 gestorbenen Spiegel-Herausgeber zu entschlüsseln versucht - es braucht gewaltig viele Schlüssel, um den Publizisten und Politiker, den Denker und Kämpfer, vor allem aber den doppelbödigen, widersprüchlichen Menschen Rudolf Augstein aufzuschließen. Dieter Schröder, ehemaliger Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung und zeitweiliger Spiegel-Reporter, hat dieses Leben voller Dramen und Peripetien auf nur 300 zuweilen spannenden Seiten eingefangen, eine imponierende Leistung. Denn das Objekt hatte immer einen Hang zu gewollter Vieldeutigkeit, zu Verstellung und Irreführung derer, die ihm auf die Schliche kommen wollten. Außerdem hatte Augstein, diese laut Schröder "Jahrhundertfigur" unter den Journalisten, der die bundesdeutsche Szene über 50 Jahre lang durcheinander wirbelte, der Hass und Verachtung ebenso wie Verehrung und Liebe auf sich zog, gar kein konsistentes politisches Konzept und hat sich vor Fragen danach immer verkrochen.
Einen roten Faden hat sein Biograf dennoch zu fassen bekommen: Augstein war kein Revolutionär, er wollte kein im Prinzip anderes System als das bundesdeutsche, aber er wollte es nicht so, wie es war. Von seinem frühen Kampf gegen Adenauers Westbindung und die Wiederbewaffnung bis zu seinen letzten Polemiken gegen das Europa von Maastricht und den Euro wollte er eine deutsche Nation, die sich frei fühlen sollte von den Lasten der Vergangenheit, die auftreten sollte wie Briten und Franzosen und Interessenpolitik betreiben wie all die anderen. Die darin liegende Realitätsferne war ihm nicht bewusst - sie erklärt sich aus der geringen Auslandskenntnis des Eurozentrikers, der aber nicht einmal die Mentalitäten der umliegenden Europäer verstand.
Sie interessierten ihn auch nicht. Ihn fesselten die großen Akteure, die in seinen Augen verderblichen wie Adenauer und Strauß vor allem. Als diese erledigt waren und etliche seiner Kampfeswut weniger würdige wie Erich Mende, gegen den er zehn Jahre lang ätzte, und Rainer Barzel noch dazu, mussten neue her: Jesus und Friedrich der Große, denen er umfängliche, mit Dokumenten voll gestopfte Bücher widmete. Der eine hatte danach nie gelebt, der andre direkt zu Hitler geführt, nicht eigentlich originelle Polemiken. Der Augstein gewogene Heinrich Böll schrieb laut Schröder "beinahe mitleidig", über das Jesus-Buch: "Ich habe den Eindruck, dass Augstein etwas Irrationales, das ihm verloren gegangen ist, mit diesem Buch mit nur rationalen Mitteln objektiv und endgültig verloren erklärt."
Einmal,zu Beginn der Großen Koalition 1966, die er für das Ende der Demokratie in Deutschland hielt, gibt er seinen inneren Widerstreit zu Protokoll: "Man kann heute keine Aufklärung im philosophisch-historischen Sinn mehr treiben, denn das setzt doch den Glauben an die menschliche Vernunft voraus. Es setzt die Annahme voraus, dass der Mensch erzogen, veredelt werden kann, dass sich unter günstigen Umständen großartige Gemeinwesen entwickeln würden. Das alles glauben wir doch heute nicht mehr. Unser politisch-existenzielles System zwingt uns aber, diesen Glauben dennoch zu haben. Wir sind also in einer gebrochenen Lage. Wir müssen uns politisch für etwas einsetzen, an das wir philosophisch nicht mehr glauben. Das ist jedenfalls meine Lage."
Als die großen politischen Meinungsschlachten der 50er und 60er Jahre geschlagen waren, nimmt Augsteins Elan ab, und der Spiegel wandelt sich vom politischen Kampfblatt zu einem immer noch kritischen, auf Enthüllungen abonnierten Nachrichtenmagazin. Augstein, der diesem Wandel keineswegs entgegensteht - er bringt ja Geld - langweilte sich. Ähnlich doppelbödig war seine Beziehung zur Macht. Immer hatte er den Deutschen Demokratie gepredigt, immer undemokratische Umtriebe in Bonn gegeißelt, aber der Machterhalt im eigenen Haus ging ihm über alles. 1968, als eine linke Aktionsgruppe in Gefolge der Studentenrevolte die Redaktion mit basisdemokratischen Prozeduren beglücken wollte, traf sie auf einen kampfeslustigen Gegner. "Wenn es um Macht oder Geld ging, hat Augstein keinen Spaß verstanden", so der spätere Chefredakteur Erich Böhme. Der monatelange Konflikt endete mit der Exmittierung der linken Sektierer - aber auch damit, dass Augstein die Belegschaft mit 50 Prozent der Geschäftsanteile pazifizierte.
Nach außen behauptete Augstein, damit ein Beispiel fortschrittlichen Unternehmertums gegeben zu haben, aber insgeheim wird er sich den Fehler schwerlich verziehen haben. Schröder: "Er war ein Opfer seiner intellektuellen Eitelkeit geworden. Er wäre am liebsten selber der Anführer der Studentenrebellion gewesen, hatte aber ihre Ziele falsch eingeschätzt." Mit dem Spiegel hatte Augstein seinen Verdruss. "Dies ist das Gefängnis, aus dem ich manchmal gern ausbrechen würde", schreibt er an Gerd Bucerius, schränkt aber gleich ein: "Wohin ausbrechen? In die Politik oder in den Meinungsjournalismus? Denn solange ich im Spiegel bin, bleibe ich an die Magazintechnik geschmiedet wie Prometheus an den Kaukasus."
Immerhin war dieser Kaukasus-Spiegel ja so, wie er ihn gemacht hatte, aber tief in seinem Innersten mochte er ihn wohl nicht. So suchte er eine Zeit lang verbissen, sich daneben ein politisches Intelligenzblatt, eine Tages- oder Wochenzeitung, zuzulegen, scheiterte aber jedes Mal. Er flüchtete schließlich in die Politik. Das Kapitel über den politischen Agitator Augstein, der politischer Akteur werden wollte, gehört zu den aufschlussreichsten des Buches. Wieder stößt man auf eine erstaunliche Realitätsferne Augsteins. Eine vage Bemerkung des Parteichefs Walter Scheel, dass er nach einer Kandidatur für den Bundestag FDP-Fraktionsvorsitzender werden könne, nimmt er für bare Münze und ist geschockt, als die Fraktion davon nichts wissen will. Unvergessen war, dass Augstein der FDP noch ein paar Jahre zuvor, bei Beginn der sozialliberalen Koalition, das "Sterbeglöcklein" geläutet hatte. Scheel erzählte Schröder, was damals ein Abgeordneter sagte: "Als Spiegel-Herausgeber kann er mehr bewirken als wir mit der ganzen Partei, er hat mehr Geld als die Partei. Was hat er vor? Wofür will er die Partei benutzen? Tut er möglicherweise sogar etwas, was der Partei schaden kann? Was ist sein Konzept? Können wir ihn überhaupt kontrollieren?"
Augstein fiel in tiefe Depression. Damals lagen, meint Schröder, vermutlich die Anfänge seines Alkohol-Problems. Die Berufung des Chefredakteurs Günter Gaus in die Brandt/Scheel-Regierung war der Vorwand, das mit viel Aufwand an Kraft und Geld errungene Bundestagsmandat schnellstens wieder los zu werden, weil der Spiegel nicht gleich zwei Spitzenleute entbehren könne.
Nicht seine Festnahme und Untersuchungshaft in der Spiegel-Affäre 1962 war demnach Augsteins größter Schock, sondern dieser Ausflug in die Politik: die Erkenntnis, dass er, der Mächtige, auf einmal machtlos sein sollte. Schröder; "Für Augstein gab es keine richtige Partei. Er war seine eigene Partei."
Er setzte auch seine eigenen Moral-Maßstäbe. Es verwunderte ihn, dass man dem antifaschistischen Spiegel immer mal wieder vorhielt, in seiner Frühzeit Ex-Nazis wie den Kriminalrat Bernd Wehner sowie die früheren SD-Leute Horst Mahnke und Georg Wolff beschäftigt zu haben. Dies waren doch Zeitzeugen, die man brauchte, meinte Augstein. "Was übrig bleibt, ist im schlimmsten Fall der Vorwurf der Doppel-Moral", bilanziert Schröder nachsichtig. Allzu nachsichtig geht der Biograf mit der Brutalität um, die Augstein bei der Entlassung bis dahin getreuer enger Mitarbeiter an den Tag legte.
Die Gegensätze und Widersprüche in Augsteins politischer Weltsicht wie in seiner persönlichen Psychostruktur sind kaum zu zählen. Er hasste Adenauer und schrieb doch an seinem - Augsteins - 70. Geburtstag 1993 fast zärtlich: "Zum Schluss habe ich den Alten wirklich geliebt." Ja, er konnte zärtlich sein, aber auch brutal, großzügig und kleinlich, klarsichtig und verblendet, verwegen und ängstlich - ängstlich vor allem. Wer, wie der Rezensent, Augstein über vier Jahrzehnte bei der täglichen Arbeit, auf Konferenzen und Reisen sowie bei der Vorbereitung von Interviews erlebt hat, war oft verblüfft über seine Angst, die vor allem eine Angst vor Nähe war, der seiner Freunde oft mehr als der seiner Feinde. Sie hatte etwas Rührendes. Woher kam diese Angst , der existenzielle Pessimismus, der ihn immer mit dem Schlimmsten rechnen ließ? Das Bonner Grundgesetz war für ihn von Anfang an funktionsuntüchtig; die Nato-Nachrüstung führte "mit Naturnotwendigkeit" in den Dritten Weltkrieg.
Für seinen Biografen resultiert Augsteins Angst, der in den besten Zeiten seine fulminante, oft schwer erklärliche Aggressivität entsprang, aus der katholischen Erziehung, die ihn mit der Hölle bekannt gemacht hatte, und aus seiner Kriegserfahrung: "Der Mensch war sündhaft und die Welt verloren, aber an die Rettung, an Gott und den Messias, konnte er bald nicht mehr glauben."
Mit einer solchen Philosophie über 50 Jahre lang ein erfolgreiches Nachrichtenmagazin zu machen und dabei vielfacher Millionär zu werden, das war schon phantastisch.
Dieter Schröder
Augstein
Siedler Verlag, München 2004. 320 Seiten, 24,90 Euro.
Mann im Spiegel
Den so mächtigen Gründer und jahrzehntelangen Herausgeber des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zeichnet der Rezensent Dieter Wild als zerrissene Persönlichkeit. Wild war fast 40 Jahre lang in verschiedenen Funktionen beim Spiegel, zuletzt als stellvertretender Chefredakteur.
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"Gegensätze stapeln sich in ihm: bescheiden und hochmütig, sparsam und generös, bohemien, liebenswert und tiefgekühlt, vornehm und verletzend. Nur zwei Seelen würden sich in seiner Brust wohl einsam fühlen."
(Claus Jacobi über Rudolf Augstein)

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Zum Verständnis der Biografie des verstorbenen "Spiegel"-Gründers und Herausgebers Rudolf Augstein braucht es wohl recht viele Schlüssel, stöhnt Dieter Wild und vermutet, dass auf diese erste Biografie noch einige folgen werden. Der Rezensent hat ebenso wie der Verfasser eine Zeit lang unter Augstein beim "Spiegel" gearbeitet, sollte man hinzufügen. Schröder hat es immerhin fertig gebracht, lobt Wild, das Leben des kämpferischen Publizisten auf 300 Seiten einzufangen und einige wichtige Grundlinien herauszuarbeiten. Eine besagt laut Wild: "Augstein war kein Revolutionär", er hatte kein gehaltvolles politisches Konzept, sondern war an Akteuren der Geschichte als potentiellen Gegenspielern interessiert, denen er mit teilweise sehr großer Aggressivität begegnete. Als Strauß und Adenauer erledigt waren, ruft Wild uns in Erinnerung, waren Jesus und Friedrich der Große an der Reihe. Augstein war ein Machtmensch voller Widersprüche, hält Wild fasziniert fest. Dass er in Bonn alle undemokratischen Umtriebe geißelte, während er im eigenen Haus gnadenlos Machtpolitik betrieb, ist allerdings auch keine sehr neue Erkenntnis. Sehr viel aufschlussreicher findet Wild das Kapitel über Augsteins Versuch, selbst als Politiker bei der FDP Karriere zu machen. Die Fraktion schmetterte Augsteins Kandidatur als Fraktionsvorsitzender ab, der mächtige Publizist war geschockt, einmal machtlos zu sein.

© Perlentaucher Medien GmbH
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