Die im vorliegenden Band enthaltenen Beiträge tragen der Konstellation, dass der in Weimar geborene August von Kotzebue (1761–1819) einen Großteil seiner Werke in Estland verfasste, aber deren Wirkung sich vor allem in den deutschsprachigen Ländern entfaltete, insofern Rechnung, als die Betrachtung auf ihn und seine Werke ganz wesentlich von der Nationalität der Forscher bestimmt ist. Die Beiträge eröffnen zwei Perspektiven: erstens den Blick aus Estland und zweitens den Blick aus Deutschland. Für das nationale Selbstverständnis der estnischen Forscher ist Kotzebue äußerst wichtig, weil er der erste war, der die estnische Sprache auf die Bühne gebracht und sich in die Diskussion um die Bauernbefreiung in Estland eingemischt hat. Erst neuerdings beginnt man, Kotzebue auch kritisch zu sehen. In Deutschland hingegen war Kotzebue schon zu Lebzeiten umstritten. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts – zu Goethes Antipoden stilisiert – galt er als Verkörperung des Negativen schlechthin. Erst seit der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert vollzieht sich in Deutschland ein zaghafter Diskurswechsel, der ermöglicht, vorurteilsfrei über Kotzebues Dichtungskonzepte zu sprechen. Die von der Dramaturgin Bettina Bartz im Rahmen der Kotzebue-Gespräche geäußerte These, dass die gern als Goethezeit benannte Epoche mit gutem Grund auch Kotzebuezeit heißen könnte, charakterisiert dieses neue Nachdenken über den Dichter und Menschen, dem die hier vorgelegten Studien verpflichtet sind. Neben diesen Untersuchungen präsentiert der Band erstmals den zwischen 1791 und 1804 geführten Briefwechsel zwischen Kotzebue und Ludwig Ferdinand Huber. Die Briefe sind ein eindrucksvolles Zeugnis des zielgerichteten Gestaltungswillens August von Kotzebues.