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Optische Instrumente des 17. Jahrhunderts aus Augsburg sind kaum erhalten. Auch die frühen Optiker sind nahezu völligem Vergessen anheimgefallen. Mit ihrer Arbeit über Johann Wiesel und seine Nachfolger schließt die Verfasserin daher nicht nur eine Lücke in der Handwerksgeschichte Augsburgs, sondern erbringt auch einen Beitrag zur Frühgeschichte der optischen Instrumente. Die Autorin, die als Expertin ihres Forschungsgebietes internationale Anerkennung genießt, hat eine außergewöhnliche Rekonstruktionsleistung vollbracht. Was Inge Keil in ihrer Monographie erstmals und akribisch untersucht,…mehr

Produktbeschreibung
Optische Instrumente des 17. Jahrhunderts aus Augsburg sind kaum erhalten. Auch die frühen Optiker sind nahezu völligem Vergessen anheimgefallen. Mit ihrer Arbeit über Johann Wiesel und seine Nachfolger schließt die Verfasserin daher nicht nur eine Lücke in der Handwerksgeschichte Augsburgs, sondern erbringt auch einen Beitrag zur Frühgeschichte der optischen Instrumente. Die Autorin, die als Expertin ihres Forschungsgebietes internationale Anerkennung genießt, hat eine außergewöhnliche Rekonstruktionsleistung vollbracht. Was Inge Keil in ihrer Monographie erstmals und akribisch untersucht, ist eine bislang kaum bekannte Verknüpfung von Augsburger Leistungen mit der europäischen Entwicklung. Obwohl die Hauptperson, um die es in der Darstellung geht, mit der Signatur "Augustanus Opticus" ihre Stadtzugehörigkeit betonte, handelte es sich um einen zeitgenössisch europaweit bekannten und vernetzten Erfinder und Hersteller fortgeschrittener optischer Technologie. Für eine bestimmte Phase stellten Geräte aus Augsburger Fertigung weltweit führende Spitzenprodukte dar, stand also die oberdeutsche Reichsstadt und Zentrale südmitteleuropäischen Austausches auch in dieser Hinsicht im Mittelpunkt der einschlägigen Welt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2000

Ein Meister seines Faches
Inge Keils Buch über den Optiker Johann Wiesel macht das alte Augsburg sichtbar

Ob es wohl übereinkommt ein großer Liebhaber der Bücher und der Frauen zu seyn? Die Antwort auf diese Frage findet man in dem Büchlein "Deß hochberühmten Herrn Doctor Jacob Cats Jungfern-Pflicht oder Amt der Jungfrauen in ehrbarer Liebe. Angewiesen durch 44 Sinn-Bilder", das Cosmus Conrad Cuno übersetzt und Johann Christoph Kolb, Kupfferstecher In Augspurg, 1707 verlegt hat.

Manch ein großer Liebhaber der Bücher hat zu seiner Lektüre ein ähnliches Verhältnis wie Casanova zu den Frauen. Und mitunter erscheinen Werke, die man unabhängig von ihrem eigentlichen Zweck zum sozusagen illegitimen Genuss empfehlen möchte. Ein Beispiel ist die Neuerscheinung "Augustanus Opticus - Johann Wiesel (1583 bis 1662) und 200 Jahre optisches Handwerk in Augsburg" von Inge Keil. Die paar Wissenschaftler, die die Monografie aus fachlichen Gründen erwerben, tun das sowieso nicht auf Grund der Rezension durch einen Laien in einer Tageszeitung, aber vielleicht schaffen wir es ja, ein paar zusätzliche Verkäufe zu provozieren. Auch die "Jungfern-Pflicht" wurde wohl nicht nur von Jungfern gelesen.

Johann Wiesel (1583 bis 1662) stammte aus Burrweiler in der heutigen Rheinpfalz. Im Jahre 1621 freite er eine Augsburgerin und kam dadurch an das Augsburger Bürgerrecht. Da es in der Stadt noch keinen Brillenmacher gab, konnte er die Gelegenheit nützen und dort eine Werkstatt für optische Instrumente gründen. Sein Schwiegersohn Daniel Depiere (zirka 1615 bis 1682) setzte die Familientradition fort. Cosmus Conrad Cuno (1652 bis 1745) heiratete 1686 Depieres Witwe. Er war ursprünglich Goldschmied, betätigte sich aber später hauptsächlich als Optiker. "Bey müßigen Stunden" hat er sich in Übersetzungen wie der obigen "delectirt". Diese drei Männer stehen im Zentrum von Inge Keils Darstellung, die aber weit darüber hinausgeht.

Die optischen Instrumente, die damals in Augsburg hergestellt wurden, zählten zu den besten in Deutschland und nicht nur dort. Das Buch schildert, was es schon gab, was neu entwickelt wurde und wie man es verkaufte. Wir erfahren von den Konkurrenten in anderen deutschen oder europäischen Städten. Wir lernen, wie das Glas für die Linsen und Spiegel hergestellt und geschliffen wurde. Die Augsburger Optiker produzierten Brillen, Fernrohre, Mikroskope, Schiffslaternen und noch viel mehr. Ein Flohglas ist zum Beispiel ein kleines Rohr, mit einer Linse am einen Ende und einer Glasscheibe am anderen, mit dem man sich Kleinlebewesen anschauen konnte wie eben die Flöhe, an denen damals kein Mangel herrschte. Was eine Camera obscura und eine Laterna magica ist, wissen wir heute noch. Vergessen ist das Polemoscopicum alias Wallgucker, eine Art Periskop, mit dem man im Krieg den Feind auf der anderen Seite der Stadtmauer beobachtete, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.

Aber auch andere Handwerker als Optiker waren an der Produktion beteiligt. Die Papprohre für die Teleskope kamen von Buchbindern. Sie waren kunstvoll mit türkischem Tunkpapier, das wir heute Marmorpapier nennen, überzogen. Für Brillenfassungen bezog man Horn, Schildpatt, Metall oder Leder. Holz und Messing wurden mit Lack versehen, den man in bis zu dreißig Schichten auftrug. Der eigentliche Reiz des Buchs liegt aber für einen Nichtspezialisten wie den Rezensenten nicht in den präzisen technischen Informationen, sondern ganz woanders. Faszinierend ist die immense Fülle von geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Einzelheiten, die die Autorin kennt und an uns weitergibt. Der Geist des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts wird hier lebendig.

Nach der Lektüre wissen wir viel über Wiesel, Depiere und Cuno. Ihre Familien und ihre Lebensumstände sind uns vertraut. Für ihre Zeit wurden sie relativ alt. Die Frauen waren nicht so glücklich. Wiesel und Cuno heirateten zwei Mal, Depiere drei Mal. Damals suchte sich ein Witwer möglichst schnell eine neue Frau. Nur keine Sentimentalitäten! Natürlich wissen wir alle, dass die Ehe früher viel mehr als heute eine Geschäftsbeziehung war. Aber es ist doch ein Unterschied, ob wir etwas abstrakt wissen oder ob wir es an Hand einer konkreten Biografie nachempfinden. Wir lernen nicht nur die drei Augsburger kennen, sondern auch viel von der Welt, in der sie lebten. Ihr Handel war international. Das Glas bezogen sie mangels einheimischer Quellen aus Venedig. Andere Rohstoffe kamen aus Indien, Singapur oder Afrika. Die Kunden lebten in Rom, Paris, London, Danzig und Stockholm.

Ein Hunderter ist ein stolzer Preis für ein Buch, das man sich zum Vergnügen kauft. Aber in diesem Fall erhält man dafür einen reellen Gegenwert. Auch die wissenschaftliche Aufmachung sollte nicht abschrecken. Die Fußnoten und Anhänge mit Zitaten in altertümlicher Sprache und die Abbildungen haben ihren besonderen Reiz. Ein wenig von einem Voyeur, der seinen Vorfahren gerne durch die Butzenscheiben schaut, sollte man aber schon in sich haben, um sich an der Lektüre zu delectiren.

ERNST HORST

Inge Keil: "Augustanus Opticus". Johann Wiesel (1583 bis 1662) und 200 Jahre optisches Handwerk in Augsburg. Akademie Verlag, Berlin 2000. 550 S., 56 Abb., geb., 98,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sehr angetan ist Ernst Horst von diesem Buch, dass er unabhängig von der Fachwelt auch dem Laien dringend ans Herz legt. Das große Verdienst der Autorin sei es, nicht nur drei wichtige Optiker und die technischen Informationen zu ihrem Handwerk eindrucksvoll beschrieben zu haben, sondern darüber hinaus mit einer beeindruckenden Fülle von Überlegungen zu den "geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Einzelheiten" der Zeit aufzuwarten. Hier werde "der Geist des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts lebendig", schwärmt der begeisterte Rezensent. Die Studie vermittle nicht nur Eindrücke von Augsburg zu dieser Zeit, sondern auch "viel von der Welt". Das Buch ist zwar teuer, so Horst, doch ist es allemal sein Geld wert.

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