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Unter Augustus entsteht in Rom ein Herrschaftsmythos, der die gesamte Bilderwelt der Epoche prägt. Nicht nur die Kunstwerke unterliegen der bestimmenden Kraft dieses Mythos; alle Arten sozialer Begegnung, die sich zu Bildern verdichten: religiöse Rituale, Staatsakte, Geselligkeit werden geformt. Moderne Erfahrung würde hier die Wirkungen eines Propagandaaparates vermuten. Was sich tatsächlich ereignete, zeigt Paul Zanker in einem Buch, das unerwartete Einblicke in die Gesellschaft des augusteischen Zeitalters und ihre Mentalität bietet und das zu lesen ein intellektuelles Vergnügen ist.

Produktbeschreibung
Unter Augustus entsteht in Rom ein Herrschaftsmythos, der die gesamte Bilderwelt der Epoche prägt. Nicht nur die Kunstwerke unterliegen der bestimmenden Kraft dieses Mythos; alle Arten sozialer Begegnung, die sich zu Bildern verdichten: religiöse Rituale, Staatsakte, Geselligkeit werden geformt.
Moderne Erfahrung würde hier die Wirkungen eines Propagandaaparates vermuten.
Was sich tatsächlich ereignete, zeigt Paul Zanker in einem Buch, das unerwartete Einblicke in die Gesellschaft des augusteischen Zeitalters und ihre Mentalität bietet und das zu lesen ein intellektuelles Vergnügen ist.
Autorenporträt
Paul Zanker war Professor für Klassische Archäologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom. Heute lehrt er als Professor für antike Kunstgeschichte an der Scuola Normale Superiore in Pisa.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.09.1999

Der erste Marsch auf Rom
Mit Schlagworten prügeln sich Parteiführer an die Macht: Ronald Symes "Römische Revolution" entstand aus ihrer Zeit heraus und wirkt noch heute nach

Am 7. September 1939 erschien "The Roman Revolution" bei Oxford University Press. Der Autor Ronald Syme, aus Neuseeland stammend, war sechsunddreißig Jahre alt, lehrte in Oxford und hatte sich durch eine beinahe literarische Beherrschung der beiden klassischen Sprachen früh einen Namen gemacht. Bis dato war er vor allem durch Studien zur Militärgeschichte in den römischen Provinzen in Erscheinung getreten und legte nun sein erstes großes Werk vor. "Gegenstand dieses Buches", so heißt es im Vorwort, "ist die Umwandlung von Staat und Gesellschaft in Rom zwischen 60 vor und 14 nach Christus. Es ist aufgebaut um eine zentrale Darstellung, die den Aufstieg von Augustus zur Macht sowie die Errichtung seiner Herrschaft schildert und die Jahre zwischen 44 und 23 vor Christus umfasst."

Schon diese ersten Sätze empfehlen, das Buch am besten im englischen Original zu lesen. "Umwandlung" gibt das Prozessuale in "transformation" nicht hinreichend wieder, und "Es ist aufgebaut um eine zentrale Darstellung" für "It is composed around a central narrative" unterschlägt die Ankündigung, dass es sich um ein Werk erzählender Geschichtsschreibung handelt. Auch wenn die zitierte Übersetzung aus dem Jahre 1957 in der 1992 publizierten Neuausgabe von den gröbsten Versehen gereinigt und der seinerzeit weggelassene wissenschaftliche Apparat beigefügt wurde, bleibt eine zeit- und sachgemäße Übertragung ein Desiderat. Dies gilt um so mehr, als auch die Neuausgabe, die ein sehr lesenswertes Nachwort von Werner Dahlheim enthält, schon seit längerem vergriffen ist. In England ist das Werk selbstverständlich dauerhaft greifbar.

Die Zeitbezüge des Buches sind vielschichtig. In einer Rezension schrieb Syme mit Blick auf den zweitausendsten Geburtstag Vergils im Jahre 1930 und den 1937 anstehenden nämlichen Jahrestag des am 23. September 63 geborenen Augustus: "Ein bemerkenswertes und alarmierendes Jubiläum dräut schwer über uns. Der Dichter der italischen Nation empfing seine gebührenden Ehren vor sieben Jahren, und jetzt wird sich ganz Italien im Schwur verbinden, um den Princeps zu bejubeln, der auch Dux war." Auf engstem Raum verbindet Syme taciteische Prägnanz ("A memorable and alarming anniversary looms heavenly upon us"), sarkastische Schärfe ("due honours") und Durchblicke in die ferne Zeit, wenn er mit "Italy will conspire to acclaim the Princeps" auf den Eid des Jahres 32 anspielt, als Octavian seine in diesem Moment rechtlich prekäre Lage durch einen Schwur zu verbessern suchte, den ihm seine Anhänger in tota Italia, ganz Italien, leisteten.

Das Verschwörerische im Aufstieg Octavians zur Macht schimmert in den wenigen Worten ebenso durch wie die Bedeutung von inszenierten Akten demonstrativer Zustimmung. Und in den komplementären Führer-Begriffen steckt nicht nur der nahe liegende Verweis auf die Renaissance römischer Konzepte, Schlagworte und Machtsymbole in Mussolinis faschistischem Italien, sondern auch Symes These: Der Dux erobert mit Hilfe einer entschlossenen Gruppe von Gefolgsleuten die staatliche Macht und verwandelt sie in dauerhafte Herrschaft, indem er die Eliten austauscht und seine Parteigänger zu Stützen des neuen Regimes macht. Dieses personale Netz, verbunden mit einem integrierenden System politischer und nationaler "Ideen", erlaubt es dem Dux, zum Princeps und Vater des Vaterlandes zu werden. Dem Geschichtsschreiber ermöglicht die Fokussierung auf die Partei zweierlei: die Erklärung des unwahrscheinlichen Erfolges ihres Anführers und die Ordnung der Ereignisse durch eine leitende Perspektive, die nicht in den Intentionen der Leitfigur liegt oder gar in einer historischen Notwendigkeit, welche der Historiker nur noch nachzuvollziehen hätte.

Die Selbstidentifizierung des faschistischen Italien und seines Duce, der gerade Äthiopien hatte besetzen lassen, mit dem Imperium Romanum unter Augustus fand ihren Ausdruck in vielfachen Aktivitäten, von der millionenfachen Streuung augusteischer Bilder und Schlagwörter auf Briefmarken bis hin zu großzügig finanzierten Ausgrabungen, welche die monumentale Pracht des kaiserlichen Rom wieder präsent machen sollten. Die Komplexität der geschichtspolitischen Inszenierungen im Italien jener Jahre hat jüngst Friedemann Scriba in einer faszinierenden Rekonstruktion der zentralen "Mostra Augustea della Romanità" in Rom 1937/38 aufgezeigt; die ausschließlich mit Repliken bestückte Schau bildete später den Grundbestand des "Museums der römischen Kultur" im EUR-Viertel, das als Bühne der für 1942 geplanten Weltausstellung errichtet wurde. Als umfassende Quellensammlung zur römischen Geschichte ist die um ein Modell Roms in konstantinischer Zeit gruppierte Schau in diesem Museum noch heute einen Abstecher mit der U-Bahn wert, trotz ihres vernachlässigten Zustandes.

Syme nahm die Kontinuitätsstiftung durch die italienische Gedenkpolitik ernst. Aber er verschob die Gewichte, indem er sich auf den Vorgang der Machtgewinnung und Machtbehauptung konzentrierte, nicht auf die ideologische Überhöhung, den inneren Ausbau und die äußere Expansion eines konsolidierten Reiches. Obwohl "The Roman Revolution" keine Augustus-Biographie ist, steht der Mann, dem die Transformierung von Staat und Gesellschaft gelang, doch konzeptionell im Mittelpunkt.

Syme zeichnet ihn als skrupellosen Parteiführer und finsteres Genie. Schon im Vorwort setzt er sich von der in dieser Zeit überwiegend verklärenden Sicht auf den Princeps ab; es sei nicht notwendig, "politischen Erfolg zu preisen oder die Männer zu idealisieren, die durch einen Bürgerkrieg zu Reichtum und Ehre gelangten". Syme scheut sich nicht, den Octavian der Proskriptionen des Jahres 43 als kalten und ausgereiften Terroristen zu bezeichnen, an anderer Stelle als Chef eines Syndikats. "Jedoch", fährt er fort, "sind Verdammung und Verteidigung gleichermaßen fehl am Platz." Dieses Bekenntnis zu einer Geschichtsschreibung sina ira et studio konnte Syme abgeben, weil die moralische Dimension des historischen Geschehens seiner Schilderung immanent ist; sie findet sich in seiner Methode und in der historiographischen Verschlüsselung des Berichts.

In eigentümlicher Weise verbindet Syme die wissenschaftliche Methode der Prosopographie - sie untersucht auf breiter Quellengrundlage Herkunft, Laufbahn und die familiären und politischen Verbindungen der römischen Senatoren und Ritter sowie die daraus resultierenden Loyalitäten und Entscheidungen - mit dem urteilsstrengen Ton der moralischen Geschichtsschreibung römischer Prägung, wie sie von Sallust und Tacitus exekutiert wurde. Diese beiden verschiedenen Ansätze treffen sich in der zentralen These: Die Geschichte Roms war stets die Geschichte der römischen Oligarchie, und die römische Revolution bestand in der Transformierung der herrschenden Oligarchie der späten Republik in die ihrer souveränen Handlungsfreiheit beraubte, mitregierende Senatsaristokratie des Prinzipats - ein Vorgang auch der physischen Ausrottung von großen Teilen der alten Elite, dessen tragische Züge sich erst dem offenbaren, der wie Syme zahlreiche Einzelschicksale nachzeichnet.

Die von Augustus durch die Aufnahme "neuer Männer" aus ganz Italien rekonstituierte senatorische Oberschicht brauchte die Alleinherrschaft, um dauerhaft konsensfähig zu bleiben. "Die Aristokratie konnte die monarchische Herrschaft leichter ertragen als den Vorrang eines der Ihren. Der Ehrgeiz der Nobiles, mochte er als die ernsteste Bedrohung seiner Herrschaft erscheinen, wurde im Gegenteil die sicherste Stütze."

Syme fragt aber nicht allein nach den Umschichtungen des aristokratischen Personals und der Geschichte von Familien über Generationen, sondern ebenso nach individuellem Verhalten und dem generellen Wandel in der Haltung von Adligen, die sich einem Monarchen unterordnen. Im Urteil über das neue Wechselspiel zwischen dem hohen Herrn und der Aristokratie folgte er seinem Vorbild Tacitus, dessen Geschichtswerke er verinnerlicht hatte und dem er 1958 sein zweites großes Hauptwerk widmete. Ein zwiespältiges Urteil; mit dem neuen Herrn kam der Friede, so sagt der Dichter Lucan, ein anderer "Republikaner" in der Monarchie. Stimmt, erwidert Tacitus, aber: Miteinander wetteifernd stürzten sich die Aristokraten in die Knechtschaft. "Der Geschichtsschreiber Tacitus", stellt der moderne Historiograph fest, "bemerkt in seinem Kommentar über die Stabilität des neuen Regimes, als die Macht von Augustus auf Tiberius übergehen sollte, dass nur noch wenige Männer am Leben waren, die sich an die Republik erinnern konnten - quotus quisque reliquus qui rem publicam vidisset." Syme zeigt die Richtigkeit dieses Satzes durch seine prosopographischen Unterfütterungen.

"Republikaner" waren beide, Tacitus wie Syme, freilich nur in dem Sinne, dass sie das Unvermeidbare nicht auch noch mit dem Gütesiegel des Vollkommenen versahen und es wagten, auf die menschlichen, moralischen und politischen Kosten hinzuweisen. Beiden erschien ein Sieg des Brutus nicht als die Alternative in der letalen Krise der Republik. Es war Tacitus' Absicht, so erläutert Syme, die Illusion zu zerstören, Augustus habe die Res publica libera wieder hergestellt, doch die Anarchie der ausgehenden Republik, die Mutter des Despotismus, zu rehabilitieren sei ihm selbstverständlich nicht in den Sinn gekommen.

Syme expliziert diese Sicht: Politische Freiheit, auch wenn nur wenige an ihr teilhaben konnten, sei ein wichtiger, aber kein absoluter Wert. Die Sicherheit für Leben und Eigentum konnte von der Republik nicht mehr gewährleistet werden. "Das durch Bürgerkriege und Unruhen verbrauchte und gebrochene Volk war bereit, das sterbliche Privileg der Freiheit aufzugeben und sich wie am Anfang der Zeiten einer strengen Regierung unterzuordnen." Nicht länger waren das Forum in Rom und die Ressourcen Italiens und der Provinzen Tummelplatz und Reservoir für den egoistischen Ehrgeiz der alten Elite. Der Prinzipat bedeutete den Sieg der unpolitischen Klasse, wie Syme an gleicher Stelle dekretiert, doch diese mit der Monarchie an ihr Ende gekommene Politik hatte schon lange wenig mehr als das Machtspiel einer kleinen Clique bedeutet.

Man darf nicht vergessen, was zu dieser Zeit auch in wissenschaftlichen Texten über Augustus möglich war: Die Vorliebe für große Männer und die affirmative Rekonstruktion der Prinzipatsideologie in den Texten und Denkmälern der augusteischen Zeit konnten sich steigern zu absurden Projektionen von Führer- und Rassenideologie in eine brutal herangezoomte Antike. So erkannte Wilhelm Weber, prominenter Prinzipats-Forscher in Deutschland, dass in Augustus "die heilige Wut, der Wille zur Macht, der Glaube an das beste Blut", aber auch der "Geist der Selbstlosigkeit, sittlicher Strenge, hochherziger Freigebigkeit" am Werke waren, wobei auch aus den Augen dieses Blonden "indogermanische Urkraft in die statische Welt des Reiches" hineinstrahlte. 1945 erlosch der Kaiserkult im Gewand der Wissenschaft rasch. 1954 hat Lothar Wickert in einem Lexikonartikel den Princeps ideologiekritisch durchleuchtet.

Solchen Volten und Paradigmenwechseln konnte der Oxforder Gelehrte mit ironischem Desinteresse begegnen. Ideologiekritik? Die antike Historiographie hielt seit Thukydides, dem Syme später seine einzige Studie im Bereich der griechischen Geschichte widmete, mit der Unterscheidung von vorgeschobenem Anschein und tatsächlicher Wirklichkeit eine Denkfigur bereit, die dem auf Zuspitzungen ausgerichteten Erkenntnistemperament Symes ebenso entsprach, wie sie zu den Zeitläuften passte. Sie erlaubte ihm illusionslose Einsichten und lapidare Bonmots, etwa: "Niemand hat je die eigene Macht und die Versklavung anderer angestrebt, ohne die Libertas und andere schöne Namen aufzurufen." Das mag analytisch nicht ergiebig sein, aber Syme stellt politische Ideen ohnehin nicht als autonome ideologische Komplexe vor, sondern als Ansichten und Instrumente handelnder Personen oder Gruppen, die sich leicht auf catchwords reduzieren lassen.

Und das Festhalten an der Narration? Sie ist für Syme zum einen das Palladion gegen die Versuchung eines biographischen Holismus. "Die Persönlichkeit des Octavianus wird am besten in seinen Taten sichtbar", spitzt er zu, denn "die Sitte, historischen Darstellungen eine Untersuchung des Charakters oder der Persönlichkeit der Hauptfigur vorauszuschicken oder anzuhängen, ist im besten Falle ein zweifelhaftes Verfahren. Entweder verleiht sie der Handlung eine scheinbare Einheit, oder sie erlaubt Rechtfertigung oder Verurteilung aus moralischen oder gefühlsmäßigen Gründen. Der revolutionäre Abenteurer entzieht sich, nicht weniger als der reife Staatsmann, jedem Auffassungsvermögen und jeder Definition."

Ähnliche Skepsis übte Syme gegenüber dem wissenschaftlich unternommenen Versuch, die Schöpfung des Augustus, den Prinzipat, auf eine einzige epistemische Ebene zu projizieren, um sein "Wesen" zu erkennen. Diese Ablehnung eines methodologischen Essentialismus lässt sich auch mit einer Zeiterfahrung in Verbindung setzen. Lange Zeit hatte das Staatsrecht die epistemische Ebene gebildet, mit der die Geschichte der römischen Republik und der Prinzipatszeit in eine systematische Ordnung gebracht worden war, in Deutschland kanonisiert durch die Autorität Theodor Mommsens, in England vertreten durch die einflussreiche Gestalt von Hugh Last, dessen Nachfolger als Camden Professor of Ancient History in Oxford Syme 1949 werden sollte. Syme war in diesem Punkt kurz angebunden: "Wenn man auf der Frage beharrt, was die rechtliche Grundlage der Macht des Augustus war, auf welche Präzedenzfälle in der Verfassungspraxis er sich stützte oder wo sie in politischen Theorien vorweggenommen ist, so führt dies nur zu Schematismus oder Verblendung."

Weil das Recht in der Gegenwart als Instrument der Machtkontrolle so augenscheinlich versagte oder ins Gegenteil verkehrt wurde, konnte es für Syme kein analytisches Potential enthalten. Denn sosehr das wissenschaftlich systematisierte wie das positive Recht im neunzehnten Jahrhundert der Verbündete aller Anhänger eines liberalen Systems gewesen war, so sehr wurde es in den Händen der Diktatoren zur Camouflage ihrer totalen Herrschaft. Freilich hat er die fundamentalen Unterschiede zwischen einem monarchischen Staat der Antike und einer modernen totalitären Diktatur gesehen, und selbstverständlich war mit der Depravierung des Rechts durch Letztere die Notwendigkeit einer modernen Analyse des augusteischen Prinzipats als einer Auch-Rechtsordnung nicht erledigt.

Gerade Jochen Bleicken, der Autor der jüngsten umfassenden Augustus-Biographie (F.A.Z. vom 11. Januar), hat diese Sicht kontinuierlich und mit starken Argumenten vertreten, wobei er sich in der Verteidigung wie im modifizierenden Weiterdenken, ja Überwinden der Konzeptionen Mommsens von niemandem übertreffen ließ. Aber auch er sieht, dass die Konstituierung des Prinzipats als Summe von Ämtern, Amtsgewalten und Konzepten, die in der Republik schon vorhanden oder denkbar waren, keine Beschränkung der monarchischen Macht darstellte - rein rechtlich betrachtet war kaum ein Monarch je mächtiger als der römische Princeps; seine Stellung hatte mit einer nach Kompetenz und Dauer begrenzten Magistratur nichts mehr zu tun. Ihre rechtliche Form war vielmehr Teil einer bewussten Selbstbindung, die nach dem Scheitern der unverhüllten Monarchie Caesars in dem Angebot des Princeps an die neu gebildete senatorische Aristokratie bestand, mit ihr zusammen und nach Regeln, die zumindest nominell in der republikanischen Tradition verankert waren, die Herrschaft in berechenbarer Manier auszuüben. Das Recht war also kein aus republikanischen Flicken zusammengenähtes Gewand, unter dem sich ein autonomer Körper nur mühsam verbergen ließ, strotzend vor unwiderstehlicher Macht, sondern eher ein formendes Korsett, das den pulsierenden und seiner Natur nach unberechenbaren Körper einengte - weswegen es manchmal gelockert oder abgeworfen wurde. Dann kam wieder der Militärdespot oder - in der traditionsstarken Terminologie der Aristokratie - der Tyrann zum Vorschein.

Es liegt daher in der Logik der Sache, wenn Werner Eck für sein Augustus-Büchlein (F.A.Z. vom 29. Oktober 1998), in dem für eine erzählende Herleitung der Platz fehlt, einen roten Faden in dem monumentalen Rechenschaftsbericht (res gestae) des ersten Princeps findet, der seiner stringenten Analyse nicht nur den narrativen Einstieg liefert. In der Tradition Symes steht Eck jedoch, wenn er dieses Selbstbild mit der gnadenlos subtilen Kritik des Tacitus im so genannten Totengericht über Augustus konfrontiert. Und wie Syme akzentuiert er das allmähliche Werden des Prinzipats als Institution, das Experimentieren und die Unfestigkeit dessen, was die Administration des römischen Weltreiches werden sollte. Diese war und ist nur zu erforschen über eine umfassende Kenntnis des herrschenden und verwaltenden Personals, also mit Hilfe der prosopographischen Methode.

Die markantesten Beiträge zum frühen Prinzipat aus jüngerer Zeit lassen sich teilweise als Ausführungen von Symes Ansatz begreifen, verbunden mit einem erweiterten Begriff von Geschichte. Hatte Syme etwa als "Propagandisten" des Prinzipats nur die augusteischen Dichter behandelt, so ist die Perspektive mit der Hinwendung der Archäologie zu historischen Fragestellungen und dem Aufschwung der Kulturgeschichte stark verbreitert worden. Als Synthesen, die neue Anstöße geben, sind hier die Bücher von Paul Zanker und Karl Galinsky zu nennen. Sie können sich zu einem beträchtlichen Teil auf Funde und Erkenntnisse stützen, die bei den Ausgrabungen der dreißiger Jahre in Vorbereitung der Bimillennium-Schau gewonnen wurden.

Einen Frontalangriff auf alle gängigen Konzepte unternahm hingegen Egon Flaig mit der Charakterisierung des römischen Prinzipats als Akzeptanzsystem, dem man weder mit der Kategorie des öffentlichen Rechts noch mit Prosopographie beikommen könne, sondern allein mit einer soziologisch informierten "praxeologischen Historie" und einem erweiterten Politikbegriff. In Symes Oligarchie-Axiom vermag er umgekehrt kaum mehr als die idiosynkratische Übertragung der sozialen Verhältnisse in englischen Elite-Colleges auf die in Wahrheit weit entrückte Welt des Römischen Reiches zu sehen.

Es lohnt sich, Symes Buch zusammen mit Jochen Bleickens Biographie zu lesen. Der Göttinger Emeritus setzt sich an mehreren Stellen markant von Syme ab, aber in der These vom Elitenwechsel, der das neue System sowohl unausweichlich als auch überhaupt erst möglich gemacht habe, berührt er sich ebenso mit ihm wie auch darin, Augustus herzlich unsympathisch zu finden, aber gerade seine historische Leistung um so höher zu veranschlagen. Vielleicht am erstaunlichsten bei dem bisher vor allem als strenger Systematiker bekannten Autor: die bei aller Nüchternheit und analytischer Schärfe hoch entwickelte erzählerische Kraft.

Sir Ronald Syme hat, ähnlich wie Mommsen in der "Römischen Geschichte", an seinem Erstling später nichts mehr geändert und ist auch kaum im engeren Sinne darauf zurückgekommen. Die Hauptthese fand, ihres ursprünglichen lebensweltlichen Horizontes notwendigerweise beraubt, längst als abgesunkenes Kulturgut in breiter angelegter Interpretation Eingang, das Buch ist insofern Teil einer disziplinären Forschungsgeschichte geworden. Obwohl sich manche Gelehrte, gerade auch hierzulande, an ihm gestoßen haben, war es wahrscheinlich zu persönlich und damit unnachahmlich, um eine - in jeder Generation notwendige - Diskussion darüber anzustoßen, wie man Geschichte schreiben soll.

UWE WALTER

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