WINNER OF THE 1973 NATIONAL BOOK AWARD By the Author of Stoner In Augustus, his third great novel, John Williams took on an entirely new challenge, a historical narrative set in classical Rome, exploring the life of the founder of the Roman Empire. To tell the story, Williams turned to the epistolary novel, a genre that was new to him, transforming and transcending it just as he did the western in Butcher's Crossing and the campus novel in Stoner. Augustus is the final triumph of a writer who has come to be recognized around the world as an American master.
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Frankfurter Allgemeine ZeitungDie Macht und ihr Preis
Ein Zoom auf die Antike: John Williams lässt in seinem Roman "Augustus" von dem Mann erzählen, der Rom groß machte. Nach 44 Jahren erscheint das Buch erstmals auf Deutsch
Wer soll das lesen? Ein Buch, das vor 44 Jahren erschienen ist und jetzt erstmals auf Deutsch herauskommt? Dessen Autor seit mehr als zwanzig Jahren tot ist? Ein Buch, das in Form eines historischen Romans vom römischen Princeps Augustus erzählt, zu dessen 2000. Todestag vor zwei Jahren pflichtschuldig die eine oder andere Studie veröffentlicht wurde? Soll man das also lesen? Unbedingt, natürlich, selbst dann, wenn einem römische Geschichte bestenfalls aus "Gladiator" bekannt ist und schlimmstenfalls als lästige Plage aus dem Lateinunterricht.
Denn der Autor John Williams ist einer der großen, lange übersehenen amerikanischen Schriftsteller in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der erst vor ein paar Jahren wiederentdeckt, um nicht zu sagen: entdeckt wurde. Vier Romane hat er geschrieben, ein Spätwestern ist darunter, "Butcher's Crossing", und ein großartiger Campusroman, "Stoner". Und eben "Augustus", für den Williams 1973 den National Book Award erhielt. Was sofort die Frage nach sich zieht, wie ein Mann aus dem tiefsten ländlichen Texas, der sein Studium abbrach und als Journalist arbeitete, bevor er weiterstudierte und Literaturdozent wurde, wie ein Autor, dessen übrige Romane so unverwechselbar von Americana handeln, darauf kommt, ausgerechnet über die römische Antike zu schreiben.
Viel ferner von Texas könnte sie kaum sein, vielleicht ist das gerade der Reiz, die Herausforderung durch das Unbekannte und Fremde. Williams sei, so kann man lesen, durch einen Bekannten darauf gekommen, der ein Buch über die Geschichte der Liebe seit der Antike geschrieben hatte. Der hatte ihm von Julia erzählt, dem einzigen Kind von Gaius Octavius, wie er hieß, bevor er sich Caesar nannte und Augustus genannt wurde. Julia wurde von ihm drei Mal mit machtpolitischem Kalkül verheiratet, zuletzt an den späteren Princeps Tiberius, und sie wurde schließlich von ihrem Vater verbannt auf die Insel Pandateria, heute Ventotene. Wegen ihres Lebenswandels, wegen ihrer Liebhaber, wegen der Beteiligung an einer Verschwörung - so genau und verlässlich ist das aus den wenigen Quellen nicht zu ermitteln.
Für Williams war das Verhältnis von Tochter und Vater, war die Spannung zwischen privaten Wünschen und öffentlichen Pflichten offenbar der Schlüssel, um diese ferne Welt zu öffnen, und er hat sich, man muss das schon mit einem altmodischen Wort sagen, hingebungsvoll versenkt in diese Zeit, er hat sehr genau auf die Stimmen, die Tonlagen geachtet, wie sie aus den Briefen, Gedichten, Epen von Vergil, Horaz, Ovid, Cicero oder Caesar hörbar werden. Seine Phantasie hat sich von diesen Quellen entzünden lassen. Aber er war nicht so naiv, einen linearen historischen Roman möglichst dicht an den gesicherten Fakten zu schreiben.
Williams hat sich für die Form des Briefromans entschieden, weil eine durchgängige Erzählung zu simpel erschien und überdies genötigt hätte, eine Figur zu erklären oder sie sich ständig selbst erklären zu lassen. So kann er zwischen Perspektiven und Zeiten springen. "Ich wollte auch nicht den Blick des 20. Jahrhunderts auf römische Geschichte", hat er gesagt. Deshalb hat er alle Dokumente im Roman bis auf sehr, sehr wenige Passagen erfunden: die Briefe, die Memoirenauszüge, Senatsprotokolle, Tagebucheinträge, Schmähschriften oder Konsulatsbefehle. Und deshalb laufen auch alle Erbsenzählereinwände gegen historische "Fehler" von vornherein ins Leere, deshalb können wichtige Personen einfach aus der Geschichte herausgekürzt werden, und andere erhalten dafür eine Stimme und eine Rolle, über die kaum etwas bekannt ist.
Es schreiben und sprechen dann Vergil, Horaz oder Ovid, und es sind doch nicht Vergil, Horaz oder Ovid; man liest Auszüge aus den Memoiren Agrippas, Julias zweitem Ehemann und Erbauer des Pantheons in Rom; Briefe von Maecenas an den Historiker Livius, von Marcus Antonius an Cleopatra, man liest in Julias Tagebuch, das sie in der Verbannung führte, verfolgt, wie Nikolaos von Damaskus, dessen Augustusbiographie verloren ist, per Brief recherchiert - und das Großartige an dieser Montage verschiedener Texte sind die feinen Schattierungen. Williams ist kein Stimmenimitator, er schafft es aber sehr gut, mal den leicht überheblichen Cicero-Ton zu treffen, mal die knappe, schlanke, nie parfümierte lateinische Prosa nachzubilden, er hat ein Auge für Gliederung und Sprache eines konsularischen Befehls oder einer Schmähschrift. Und er verzichtet auf antikisierende Wendungen wie auch auf die immer leicht lächerlich klingenden Modernisierungen, die wirken wie Cleopatra mit Prada-Tasche im Stadttheater. Die Übersetzung von Bernhard Robben hat dafür ein angemessenes deutsches Äquivalent gefunden. Und man kann schon sagen, dass Williams im Vergleich zu Marguerite Yourcenars Hadrian-Roman oder Gore Vidals "Julian" die bessere Figur macht.
Das Porträt des Augustus setzt sich aus vielen Facetten zusammen, der Porträtierte muss dabei noch nicht mal in jedem Eintrag vorkommen. Freunde, Feinde, Beobachter oder seine Ehefrau Livia erzählen, beschreiben, charakterisieren, kritisieren, drohen, hadern, spekulieren. Seine Jugendfreunde erinnern sich, wie er auf die Nachricht von Caesars Tod reagierte; sie registrieren seine wachsende Härte und Verschlossenheit. Andere zitieren ihn, und Julia, die Tochter, die am häufigsten von allen zu Wort kommt, schildert voller Bitterkeit die väterliche Heiratspolitik - "ich hatte drei Ehemänner, keinen habe ich geliebt . . ." - und ringt sich doch so etwas wie Verständnis ab, weil die Verbannung sie davor bewahrt, wegen Verschwörung angeklagt zu werden.
Es ist nicht weiter tragisch, dass Gaius Octavius' machtpolitische Strategie, seiner Alleinherrschaft die alte Fassade jener glorreichen Republik vorzublenden, die er am Ende der Bürgerkriege liquidiert hatte, dass die Details der Imperiumssicherung allenfalls am Rande vorkommen. Das ist Stoff für historische Analysen. Williams interessiert sich für die Person, die er an der Schnittstelle zwischen privatem und öffentlichem Raum beobachtet - wenn man denn überhaupt mit diesem modernen Begriffspaar operieren will. Und deswegen lässt er im dritten Buch des Romans schließlich auch Augustus selbst in einem Brief an seinen Biographen sprechen, durchsetzt mit ein paar Auszügen aus den "Res gestae divi Augusti", die nahezu vollständig erhalten sind.
Es ist ein langer Brief zum kurzen Abschied, geschrieben auf einem Schiff, das von Ostia nach Capri segelt, ein paar Tage vor dem Tod des Princeps im Jahr 14. Weil es unvermeidlich ist, dass man beim Blick zurück auf eine ferne Welt nicht frei von Projektionen bleibt, weil man instinktiv dazu neigt, das Fremde vertrauter aussehen zu lassen, ist es in einem Roman auch legitim, wenn in Augustus' Blick auf sein Leben bisweilen die Reflexivität eines auf sich selbst gestellten, modernen Subjekts durchschimmert.
Zur Affektlage, wie Historiker das nennen, eines Römers dieser Zeit, besser: zu dem, was wir über diese wissen, auch zum römischen Verständnis von Geschichtlichkeit und Subjektivität, passt das nicht so ganz, wenn der mächtigste Mann der damaligen Welt erklärt, für jeden komme der Moment, in dem er "die schreckliche Tatsache begreift, dass er allein ist, getrennt von allen anderen, und dass er niemand sonst sein kann als dieses arme Geschöpf, das er nun mal ist".
Das klingt verdächtig modern, diese Erkenntnis, dass ein Leben darin besteht, Möglichkeiten und Alternativen zu tilgen und in Taten und Fakten zu verwandeln. Augustus ist hier näher an William Stoner oder an Will Andrews aus "Butcher's Crossing". Die gern erzählte Legende, Augustus habe auf seinem Sterbebett gefragt, ob er seine Rolle gut gespielt habe, mag auf den ersten Blick zwar verlockend klingen wie eine moderne Reflexion über die Inszenierungen des Selbst und brüchige Identitäten - man sollte sich bloß hüten, das wörtlich zu nehmen, wenn es heißt, er habe wie ein Schauspieler so viele Rollen gespielt, "dass es ein Selbst gar nicht mehr gibt".
Das ist nun kein Einwand gegen diesen Roman, der sich seine poetischen Freiheiten nimmt, der einen Menschen in seine Zeit einbettet und zugleich mit den Augen des 20. Jahrhunderts prüft, was uns vertraut oder verwandt sein könnte. Wenn in "Stoner", so könnte man vereinfachend sagen, ein kleines Schicksal groß wurde, dann wird in "Augustus" eine weltgeschichtliche Gestalt klein in jenem Sinne, dass auch ein Imperium seinen Herrscher nicht aus der Umlaufbahn des Menschlichen herauskatapultiert. Williams' Verfahren gleicht einem Zoom: Er holt eine ferne Zeit heran, und dank der klugen Komposition, dank der Genauigkeit seiner Prosa wird diese Zeit, während man von ihr liest, anschaulich und lebendig - um danach wieder ihre alte Fremdheit anzunehmen.
PETER KÖRTE
John Williams: "Augustus". Roman. Übersetzt von Bernhard Robben. dtv, 476 Seiten, 24 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Zoom auf die Antike: John Williams lässt in seinem Roman "Augustus" von dem Mann erzählen, der Rom groß machte. Nach 44 Jahren erscheint das Buch erstmals auf Deutsch
Wer soll das lesen? Ein Buch, das vor 44 Jahren erschienen ist und jetzt erstmals auf Deutsch herauskommt? Dessen Autor seit mehr als zwanzig Jahren tot ist? Ein Buch, das in Form eines historischen Romans vom römischen Princeps Augustus erzählt, zu dessen 2000. Todestag vor zwei Jahren pflichtschuldig die eine oder andere Studie veröffentlicht wurde? Soll man das also lesen? Unbedingt, natürlich, selbst dann, wenn einem römische Geschichte bestenfalls aus "Gladiator" bekannt ist und schlimmstenfalls als lästige Plage aus dem Lateinunterricht.
Denn der Autor John Williams ist einer der großen, lange übersehenen amerikanischen Schriftsteller in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der erst vor ein paar Jahren wiederentdeckt, um nicht zu sagen: entdeckt wurde. Vier Romane hat er geschrieben, ein Spätwestern ist darunter, "Butcher's Crossing", und ein großartiger Campusroman, "Stoner". Und eben "Augustus", für den Williams 1973 den National Book Award erhielt. Was sofort die Frage nach sich zieht, wie ein Mann aus dem tiefsten ländlichen Texas, der sein Studium abbrach und als Journalist arbeitete, bevor er weiterstudierte und Literaturdozent wurde, wie ein Autor, dessen übrige Romane so unverwechselbar von Americana handeln, darauf kommt, ausgerechnet über die römische Antike zu schreiben.
Viel ferner von Texas könnte sie kaum sein, vielleicht ist das gerade der Reiz, die Herausforderung durch das Unbekannte und Fremde. Williams sei, so kann man lesen, durch einen Bekannten darauf gekommen, der ein Buch über die Geschichte der Liebe seit der Antike geschrieben hatte. Der hatte ihm von Julia erzählt, dem einzigen Kind von Gaius Octavius, wie er hieß, bevor er sich Caesar nannte und Augustus genannt wurde. Julia wurde von ihm drei Mal mit machtpolitischem Kalkül verheiratet, zuletzt an den späteren Princeps Tiberius, und sie wurde schließlich von ihrem Vater verbannt auf die Insel Pandateria, heute Ventotene. Wegen ihres Lebenswandels, wegen ihrer Liebhaber, wegen der Beteiligung an einer Verschwörung - so genau und verlässlich ist das aus den wenigen Quellen nicht zu ermitteln.
Für Williams war das Verhältnis von Tochter und Vater, war die Spannung zwischen privaten Wünschen und öffentlichen Pflichten offenbar der Schlüssel, um diese ferne Welt zu öffnen, und er hat sich, man muss das schon mit einem altmodischen Wort sagen, hingebungsvoll versenkt in diese Zeit, er hat sehr genau auf die Stimmen, die Tonlagen geachtet, wie sie aus den Briefen, Gedichten, Epen von Vergil, Horaz, Ovid, Cicero oder Caesar hörbar werden. Seine Phantasie hat sich von diesen Quellen entzünden lassen. Aber er war nicht so naiv, einen linearen historischen Roman möglichst dicht an den gesicherten Fakten zu schreiben.
Williams hat sich für die Form des Briefromans entschieden, weil eine durchgängige Erzählung zu simpel erschien und überdies genötigt hätte, eine Figur zu erklären oder sie sich ständig selbst erklären zu lassen. So kann er zwischen Perspektiven und Zeiten springen. "Ich wollte auch nicht den Blick des 20. Jahrhunderts auf römische Geschichte", hat er gesagt. Deshalb hat er alle Dokumente im Roman bis auf sehr, sehr wenige Passagen erfunden: die Briefe, die Memoirenauszüge, Senatsprotokolle, Tagebucheinträge, Schmähschriften oder Konsulatsbefehle. Und deshalb laufen auch alle Erbsenzählereinwände gegen historische "Fehler" von vornherein ins Leere, deshalb können wichtige Personen einfach aus der Geschichte herausgekürzt werden, und andere erhalten dafür eine Stimme und eine Rolle, über die kaum etwas bekannt ist.
Es schreiben und sprechen dann Vergil, Horaz oder Ovid, und es sind doch nicht Vergil, Horaz oder Ovid; man liest Auszüge aus den Memoiren Agrippas, Julias zweitem Ehemann und Erbauer des Pantheons in Rom; Briefe von Maecenas an den Historiker Livius, von Marcus Antonius an Cleopatra, man liest in Julias Tagebuch, das sie in der Verbannung führte, verfolgt, wie Nikolaos von Damaskus, dessen Augustusbiographie verloren ist, per Brief recherchiert - und das Großartige an dieser Montage verschiedener Texte sind die feinen Schattierungen. Williams ist kein Stimmenimitator, er schafft es aber sehr gut, mal den leicht überheblichen Cicero-Ton zu treffen, mal die knappe, schlanke, nie parfümierte lateinische Prosa nachzubilden, er hat ein Auge für Gliederung und Sprache eines konsularischen Befehls oder einer Schmähschrift. Und er verzichtet auf antikisierende Wendungen wie auch auf die immer leicht lächerlich klingenden Modernisierungen, die wirken wie Cleopatra mit Prada-Tasche im Stadttheater. Die Übersetzung von Bernhard Robben hat dafür ein angemessenes deutsches Äquivalent gefunden. Und man kann schon sagen, dass Williams im Vergleich zu Marguerite Yourcenars Hadrian-Roman oder Gore Vidals "Julian" die bessere Figur macht.
Das Porträt des Augustus setzt sich aus vielen Facetten zusammen, der Porträtierte muss dabei noch nicht mal in jedem Eintrag vorkommen. Freunde, Feinde, Beobachter oder seine Ehefrau Livia erzählen, beschreiben, charakterisieren, kritisieren, drohen, hadern, spekulieren. Seine Jugendfreunde erinnern sich, wie er auf die Nachricht von Caesars Tod reagierte; sie registrieren seine wachsende Härte und Verschlossenheit. Andere zitieren ihn, und Julia, die Tochter, die am häufigsten von allen zu Wort kommt, schildert voller Bitterkeit die väterliche Heiratspolitik - "ich hatte drei Ehemänner, keinen habe ich geliebt . . ." - und ringt sich doch so etwas wie Verständnis ab, weil die Verbannung sie davor bewahrt, wegen Verschwörung angeklagt zu werden.
Es ist nicht weiter tragisch, dass Gaius Octavius' machtpolitische Strategie, seiner Alleinherrschaft die alte Fassade jener glorreichen Republik vorzublenden, die er am Ende der Bürgerkriege liquidiert hatte, dass die Details der Imperiumssicherung allenfalls am Rande vorkommen. Das ist Stoff für historische Analysen. Williams interessiert sich für die Person, die er an der Schnittstelle zwischen privatem und öffentlichem Raum beobachtet - wenn man denn überhaupt mit diesem modernen Begriffspaar operieren will. Und deswegen lässt er im dritten Buch des Romans schließlich auch Augustus selbst in einem Brief an seinen Biographen sprechen, durchsetzt mit ein paar Auszügen aus den "Res gestae divi Augusti", die nahezu vollständig erhalten sind.
Es ist ein langer Brief zum kurzen Abschied, geschrieben auf einem Schiff, das von Ostia nach Capri segelt, ein paar Tage vor dem Tod des Princeps im Jahr 14. Weil es unvermeidlich ist, dass man beim Blick zurück auf eine ferne Welt nicht frei von Projektionen bleibt, weil man instinktiv dazu neigt, das Fremde vertrauter aussehen zu lassen, ist es in einem Roman auch legitim, wenn in Augustus' Blick auf sein Leben bisweilen die Reflexivität eines auf sich selbst gestellten, modernen Subjekts durchschimmert.
Zur Affektlage, wie Historiker das nennen, eines Römers dieser Zeit, besser: zu dem, was wir über diese wissen, auch zum römischen Verständnis von Geschichtlichkeit und Subjektivität, passt das nicht so ganz, wenn der mächtigste Mann der damaligen Welt erklärt, für jeden komme der Moment, in dem er "die schreckliche Tatsache begreift, dass er allein ist, getrennt von allen anderen, und dass er niemand sonst sein kann als dieses arme Geschöpf, das er nun mal ist".
Das klingt verdächtig modern, diese Erkenntnis, dass ein Leben darin besteht, Möglichkeiten und Alternativen zu tilgen und in Taten und Fakten zu verwandeln. Augustus ist hier näher an William Stoner oder an Will Andrews aus "Butcher's Crossing". Die gern erzählte Legende, Augustus habe auf seinem Sterbebett gefragt, ob er seine Rolle gut gespielt habe, mag auf den ersten Blick zwar verlockend klingen wie eine moderne Reflexion über die Inszenierungen des Selbst und brüchige Identitäten - man sollte sich bloß hüten, das wörtlich zu nehmen, wenn es heißt, er habe wie ein Schauspieler so viele Rollen gespielt, "dass es ein Selbst gar nicht mehr gibt".
Das ist nun kein Einwand gegen diesen Roman, der sich seine poetischen Freiheiten nimmt, der einen Menschen in seine Zeit einbettet und zugleich mit den Augen des 20. Jahrhunderts prüft, was uns vertraut oder verwandt sein könnte. Wenn in "Stoner", so könnte man vereinfachend sagen, ein kleines Schicksal groß wurde, dann wird in "Augustus" eine weltgeschichtliche Gestalt klein in jenem Sinne, dass auch ein Imperium seinen Herrscher nicht aus der Umlaufbahn des Menschlichen herauskatapultiert. Williams' Verfahren gleicht einem Zoom: Er holt eine ferne Zeit heran, und dank der klugen Komposition, dank der Genauigkeit seiner Prosa wird diese Zeit, während man von ihr liest, anschaulich und lebendig - um danach wieder ihre alte Fremdheit anzunehmen.
PETER KÖRTE
John Williams: "Augustus". Roman. Übersetzt von Bernhard Robben. dtv, 476 Seiten, 24 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche ZeitungEinsame Spitze
John Williams hat mit „Stoner“ viele Leser gerührt. Sein
historischer Roman über Augustus ist anders, aber auch gut
VON JOHAN SCHLOEMANN
Auch Kaiser haben mal Probleme. Dieser hier sagt am Ende seiner Tage: „Ich bin zu der Ansicht gekommen, dass im Leben eines jeden Menschen früher oder später der Moment kommt, in dem er – über das hinaus, was er sonst noch versteht, und unabhängig davon, ob er sein Verstehen in Worte fassen kann – die schreckliche Tatsache begreift, dass er allein ist, getrennt von allen anderen, und dass er niemand sonst sein kann als dieses arme Geschöpf, das er nun mal ist.“
Oh je. War es so schlimm, der mächtigste Mann der Welt zu sein? War es so lonely at the top, so einsam dort oben? Man kriegt ja regelrecht Mitgefühl mit dem Mann, dessen große europäische Zivilisationsleistung teuer erkauft war, mit Terror, Unnahbarkeit, Propaganda, raffinierten Machtspielen, Bürgerkrieg und Militärdiktatur. Die Rede ist von Gaius Octavius, auch Oktavian genannt, der sich als adoptierter Erbe Julius Cäsars bald Imperator Caesar nannte, frech behauptete, alte Sitten und Tugenden wiederherzustellen, und dann den Ehrentitel Augustus bekam, „der Erhabene“.
Und die Zivilisationsleistung ist das Römische Reich, das nach Jahren der Brudermorde und der De-facto-Abschaffung der Republik im Inneren lange Zeit friedlich, wohlhabend, stabil war. Und außerdem voll von Marmorbauten, Wasserleitungen, Straßen, Schulen, Theatern, Künstlern, Dichtern, Einkaufsmöglichkeiten und geheizten Bädern. Das goldene Zeitalter war ein blutiger Frieden, heißt es bei dem Historiker Tacitus. Dass der brutale Augustus all diese wunderbare Kultur und Infrastruktur hinterließ, erinnert ein wenig an das Argument, Adolf Hitler habe doch immerhin die Autobahnen gebaut.
Das Gefühl existenzieller Einsamkeit aber, das der zitierte Satz ausdrückt, dieses Gefühl ist nun gerade nicht eine spezifische Alleinherrschersorge, kein Sonderfall von Führungskräfteschwermut. Es soll auf jeden Menschen lauern. Der wiederentdeckte amerikanische Schriftsteller John Williams hat jenen Satz dem ersten Kaiser Roms in den Mund gelegt, in dem 1972 erschienenen Roman „Augustus“, der jetzt zum ersten Mal auf Deutsch erscheint. Der Satz könnte aber auch gut von Stoner stammen, also von William Stoner, dem Titelhelden des 1965 erschienenen Romans „Stoner“. Dieses Buch ist in den letzten Jahren, fünfzig Jahre nach Erscheinen und zwanzig Jahre nach dem Tod des Autors, weltweit zu einem Überraschungserfolg geworden, auch hierzulande.
Viele „Stoner“-Leser waren und sind fasziniert davon, dass sie die ruhig und illusionslos erzählte Geschichte eines mittelmäßigen Literaturdozenten an einem mittelmäßigen College derart faszinieren kann. Stoner bewahrt sich eine Art tragische Integrität inmitten eines unerfüllten Lebens, in einer Geschichte, die einfach, klug und bewegend zugleich ist. Weil „Stoner“ damit so einschlug, werden jetzt überall auch die anderen beiden Romane, die John Williams abgesehen von einem Probestück und Gedichten veröffentlicht hat, neu herausgebeben, der Anti-Western „Butcher’s Crossing“ von 1960 und eben „Augustus“. John Williams war zu Lebzeiten keine große Nummer, er unterrichtete Jahrzehnte lang Literatur und kreatives Schreiben an der Universität Denver. Für den Augustus-Roman durfte er sich immerhin den „National Book Award“ des Jahres 1973 mit einem anderen Preisträger teilen, aber mehr Ruhm als 10 000 verkaufte Exemplare gab es auch dafür nicht.
Die entscheidende Frage für alle bekennenden und potenziellen „Stoner“-Fans ist nun natürlich: Wird man mit diesem Buch, das im alten Rom spielt, auch so unglücklich glücklich? Es fällt nämlich nicht mühelos in die Kategorie „Leser, die dieses Buch kauften, mochten auch . . .“. Und trotzdem lautet die Antwort: Ja – wenn man bereit ist, das Allgemeinmenschliche in einer erst einmal viel fremderen Welt zu entdecken und sich auf eine andere literarische Technik einzulassen.
Das Buch behandelt nämlich in seinen drei Teilen den unerhörten, skrupellosen Aufstieg Oktavians mit seinen Siegen über die Cäsarmörder, über Antonius und Kleopatra und über sonst alle; nach Erringung der Herrschaft dann die Intrigen, die berühmten Dichter, die dynastischen und moralischen Familienprobleme der augusteischen Ära; und am Ende auf fünfzig Seiten Augustus’ eigene Bilanz, formuliert zehn Tage vor seinem Tod mit 76 Jahren im Jahr 14 nach Christus, auf seiner letzten Reise nach Capri und Kampanien. Und das Erzählgenre ist der Briefroman, genauereine Montage von Tagebüchern – darunter das von Julia, der wegen Ehebruchs von ihm verbannten Tochter des Augustus –, von Memoiren, etwa von seinem Feldherrn und Bauherrn Agrippa, von Briefen von Cicero, dem Geografen Strabon, den Dichtern Horaz, Vergil und Ovid, von Senatsprotokollen, satirischen Gedichten und Militärbefehlen. Aus all dem setzt sich die Story zusammen, in gewisser Weise die Fortsetzung von Thornton Wilders Briefroman „Die Iden des März“ aus dem Jahr 1948.
Zuallererst muss man den unglaublichen Wagemut von John Williams bewundern. Denn alle diese geschickt verteilten „Dokumente“ sind bis auf kleine Ausnahmen von ihm erfunden. Das ist deswegen so mutig, weil einerseits kaum eine Epoche des Altertums so viele echte Quellen und Briefe bietet wie der Bürgerkrieg und der Untergang der Republik; und weil es andererseits in der Überlieferung viele blinde Flecken gibt, deren fiktive Ausfüllung aber im Vergleich leicht peinlich und ungelenk ausfallen könnte. Williams gelingt es aber bravourös, die historische Atmosphäre zu wahren und zugleich die vergangenen Zeitgenossen mühelos „normal“ reden zu lassen.
Er wollte die antiken Figuren nicht platt aktualisiert verstanden wissen – „fest entschlossen, nicht Henry Kissinger in einer Toga auftreten zu lassen“, hat Williams in seinen Aufzeichnungen notiert. Und doch ist es verblüffend, wie gegenwärtig vieles klingt, etwa wenn Mark Anton berichtet: „Octavius, dieses Milchgesicht, ist gestern Vormittag zu mir gekommen. Er ist seit etwa einer Woche in Rom und führt sich auf wie eine trauernde Witwe, nennt sich Cäsar und gibt auch sonst allen möglichen Unsinn von sich.“ Und etwas später: „Er ist ein dermaßen kaltblütiger Fisch, dass ich ihn fast schon wieder bewundere.“ Oder wenn ein Zugereister über die Römer notiert: „Es sind wirklich außergewöhnliche Menschen. (. . .) Man möchte meinen, sie könnten weder Sicherheit noch Frieden noch Wohlstand ertragen.“
Dass dieses Buch eine spannende Geschichte aus einer revolutionären Epoche der Weltgeschichte erzählt, von der Macht und ihrem Preis (das tut es, wenn man ein bisschen einsteigt, durchaus), das ist also nicht allein der Grund, warum man es gerne liest. Dann könnte man auch diverse andere Bearbeitungen des Stoffs verschlingen, die Biografien der Althistoriker oder jüngste Gesamtdarstellungen von Greg Woolf („Rom“), Mary Beard („SPQR“) oder Tom Holland („Dynastie“). Nein, das Besondere ist, wie John Williams mit seiner klaren, beweglichen Sprache Licht auf Charaktere wirft, die einem wie Figuren des menschlichen Lebens selbst erscheinen.
John Williams hat in einem Brief über den Roman gesagt, Augustus sei zwar kein College-Professor wie „Stoner“, aber er sei „in dasselbe Drama von inneren versus äußeren Werten involviert“. In der Vorbemerkung schreibt er, es gehe ihm „um literarische, nicht um historische Wahrheit“. Und so kommt es, dass inmitten bunteren Personals die Zentralfigur selbst, der Kaiser, der schon in der Antike als Chamäleon galt, gerade nicht persönlich greifbar wird – sondern eine Ausnahmeerscheinung und ein trauriger Jedermann zugleich.
John Williams: Augustus. Roman. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. dtv, München 2016. 475 Seiten, 24 Euro. E-Book 19,99 Euro.
John Williams (1922–1994)
ist posthum Bestsellerautor geworden. Foto: dtv
So nah, so fern: Bronzekopf des Augustus aus Meroë (im heutigen Sudan), um 25 v. Chr.
Foto: Trustees of the British Museum
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
John Williams hat mit „Stoner“ viele Leser gerührt. Sein
historischer Roman über Augustus ist anders, aber auch gut
VON JOHAN SCHLOEMANN
Auch Kaiser haben mal Probleme. Dieser hier sagt am Ende seiner Tage: „Ich bin zu der Ansicht gekommen, dass im Leben eines jeden Menschen früher oder später der Moment kommt, in dem er – über das hinaus, was er sonst noch versteht, und unabhängig davon, ob er sein Verstehen in Worte fassen kann – die schreckliche Tatsache begreift, dass er allein ist, getrennt von allen anderen, und dass er niemand sonst sein kann als dieses arme Geschöpf, das er nun mal ist.“
Oh je. War es so schlimm, der mächtigste Mann der Welt zu sein? War es so lonely at the top, so einsam dort oben? Man kriegt ja regelrecht Mitgefühl mit dem Mann, dessen große europäische Zivilisationsleistung teuer erkauft war, mit Terror, Unnahbarkeit, Propaganda, raffinierten Machtspielen, Bürgerkrieg und Militärdiktatur. Die Rede ist von Gaius Octavius, auch Oktavian genannt, der sich als adoptierter Erbe Julius Cäsars bald Imperator Caesar nannte, frech behauptete, alte Sitten und Tugenden wiederherzustellen, und dann den Ehrentitel Augustus bekam, „der Erhabene“.
Und die Zivilisationsleistung ist das Römische Reich, das nach Jahren der Brudermorde und der De-facto-Abschaffung der Republik im Inneren lange Zeit friedlich, wohlhabend, stabil war. Und außerdem voll von Marmorbauten, Wasserleitungen, Straßen, Schulen, Theatern, Künstlern, Dichtern, Einkaufsmöglichkeiten und geheizten Bädern. Das goldene Zeitalter war ein blutiger Frieden, heißt es bei dem Historiker Tacitus. Dass der brutale Augustus all diese wunderbare Kultur und Infrastruktur hinterließ, erinnert ein wenig an das Argument, Adolf Hitler habe doch immerhin die Autobahnen gebaut.
Das Gefühl existenzieller Einsamkeit aber, das der zitierte Satz ausdrückt, dieses Gefühl ist nun gerade nicht eine spezifische Alleinherrschersorge, kein Sonderfall von Führungskräfteschwermut. Es soll auf jeden Menschen lauern. Der wiederentdeckte amerikanische Schriftsteller John Williams hat jenen Satz dem ersten Kaiser Roms in den Mund gelegt, in dem 1972 erschienenen Roman „Augustus“, der jetzt zum ersten Mal auf Deutsch erscheint. Der Satz könnte aber auch gut von Stoner stammen, also von William Stoner, dem Titelhelden des 1965 erschienenen Romans „Stoner“. Dieses Buch ist in den letzten Jahren, fünfzig Jahre nach Erscheinen und zwanzig Jahre nach dem Tod des Autors, weltweit zu einem Überraschungserfolg geworden, auch hierzulande.
Viele „Stoner“-Leser waren und sind fasziniert davon, dass sie die ruhig und illusionslos erzählte Geschichte eines mittelmäßigen Literaturdozenten an einem mittelmäßigen College derart faszinieren kann. Stoner bewahrt sich eine Art tragische Integrität inmitten eines unerfüllten Lebens, in einer Geschichte, die einfach, klug und bewegend zugleich ist. Weil „Stoner“ damit so einschlug, werden jetzt überall auch die anderen beiden Romane, die John Williams abgesehen von einem Probestück und Gedichten veröffentlicht hat, neu herausgebeben, der Anti-Western „Butcher’s Crossing“ von 1960 und eben „Augustus“. John Williams war zu Lebzeiten keine große Nummer, er unterrichtete Jahrzehnte lang Literatur und kreatives Schreiben an der Universität Denver. Für den Augustus-Roman durfte er sich immerhin den „National Book Award“ des Jahres 1973 mit einem anderen Preisträger teilen, aber mehr Ruhm als 10 000 verkaufte Exemplare gab es auch dafür nicht.
Die entscheidende Frage für alle bekennenden und potenziellen „Stoner“-Fans ist nun natürlich: Wird man mit diesem Buch, das im alten Rom spielt, auch so unglücklich glücklich? Es fällt nämlich nicht mühelos in die Kategorie „Leser, die dieses Buch kauften, mochten auch . . .“. Und trotzdem lautet die Antwort: Ja – wenn man bereit ist, das Allgemeinmenschliche in einer erst einmal viel fremderen Welt zu entdecken und sich auf eine andere literarische Technik einzulassen.
Das Buch behandelt nämlich in seinen drei Teilen den unerhörten, skrupellosen Aufstieg Oktavians mit seinen Siegen über die Cäsarmörder, über Antonius und Kleopatra und über sonst alle; nach Erringung der Herrschaft dann die Intrigen, die berühmten Dichter, die dynastischen und moralischen Familienprobleme der augusteischen Ära; und am Ende auf fünfzig Seiten Augustus’ eigene Bilanz, formuliert zehn Tage vor seinem Tod mit 76 Jahren im Jahr 14 nach Christus, auf seiner letzten Reise nach Capri und Kampanien. Und das Erzählgenre ist der Briefroman, genauereine Montage von Tagebüchern – darunter das von Julia, der wegen Ehebruchs von ihm verbannten Tochter des Augustus –, von Memoiren, etwa von seinem Feldherrn und Bauherrn Agrippa, von Briefen von Cicero, dem Geografen Strabon, den Dichtern Horaz, Vergil und Ovid, von Senatsprotokollen, satirischen Gedichten und Militärbefehlen. Aus all dem setzt sich die Story zusammen, in gewisser Weise die Fortsetzung von Thornton Wilders Briefroman „Die Iden des März“ aus dem Jahr 1948.
Zuallererst muss man den unglaublichen Wagemut von John Williams bewundern. Denn alle diese geschickt verteilten „Dokumente“ sind bis auf kleine Ausnahmen von ihm erfunden. Das ist deswegen so mutig, weil einerseits kaum eine Epoche des Altertums so viele echte Quellen und Briefe bietet wie der Bürgerkrieg und der Untergang der Republik; und weil es andererseits in der Überlieferung viele blinde Flecken gibt, deren fiktive Ausfüllung aber im Vergleich leicht peinlich und ungelenk ausfallen könnte. Williams gelingt es aber bravourös, die historische Atmosphäre zu wahren und zugleich die vergangenen Zeitgenossen mühelos „normal“ reden zu lassen.
Er wollte die antiken Figuren nicht platt aktualisiert verstanden wissen – „fest entschlossen, nicht Henry Kissinger in einer Toga auftreten zu lassen“, hat Williams in seinen Aufzeichnungen notiert. Und doch ist es verblüffend, wie gegenwärtig vieles klingt, etwa wenn Mark Anton berichtet: „Octavius, dieses Milchgesicht, ist gestern Vormittag zu mir gekommen. Er ist seit etwa einer Woche in Rom und führt sich auf wie eine trauernde Witwe, nennt sich Cäsar und gibt auch sonst allen möglichen Unsinn von sich.“ Und etwas später: „Er ist ein dermaßen kaltblütiger Fisch, dass ich ihn fast schon wieder bewundere.“ Oder wenn ein Zugereister über die Römer notiert: „Es sind wirklich außergewöhnliche Menschen. (. . .) Man möchte meinen, sie könnten weder Sicherheit noch Frieden noch Wohlstand ertragen.“
Dass dieses Buch eine spannende Geschichte aus einer revolutionären Epoche der Weltgeschichte erzählt, von der Macht und ihrem Preis (das tut es, wenn man ein bisschen einsteigt, durchaus), das ist also nicht allein der Grund, warum man es gerne liest. Dann könnte man auch diverse andere Bearbeitungen des Stoffs verschlingen, die Biografien der Althistoriker oder jüngste Gesamtdarstellungen von Greg Woolf („Rom“), Mary Beard („SPQR“) oder Tom Holland („Dynastie“). Nein, das Besondere ist, wie John Williams mit seiner klaren, beweglichen Sprache Licht auf Charaktere wirft, die einem wie Figuren des menschlichen Lebens selbst erscheinen.
John Williams hat in einem Brief über den Roman gesagt, Augustus sei zwar kein College-Professor wie „Stoner“, aber er sei „in dasselbe Drama von inneren versus äußeren Werten involviert“. In der Vorbemerkung schreibt er, es gehe ihm „um literarische, nicht um historische Wahrheit“. Und so kommt es, dass inmitten bunteren Personals die Zentralfigur selbst, der Kaiser, der schon in der Antike als Chamäleon galt, gerade nicht persönlich greifbar wird – sondern eine Ausnahmeerscheinung und ein trauriger Jedermann zugleich.
John Williams: Augustus. Roman. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. dtv, München 2016. 475 Seiten, 24 Euro. E-Book 19,99 Euro.
John Williams (1922–1994)
ist posthum Bestsellerautor geworden. Foto: dtv
So nah, so fern: Bronzekopf des Augustus aus Meroë (im heutigen Sudan), um 25 v. Chr.
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Weir's sympathetic and detailed biography reassesses the life of a woman whose role in public life...has been underrated by historians New Statesman