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Paula Macedo Weiß legt nach ihren beiden vielbeachteten Büchern »Es war einmal in Brasilien« und »Reden wir über Demokratie!« eine Gemeinschaftsarbeit vor: Zusammen mit Aurea Pereira Steberl (im Foto von Dominik Mentzos rechts) erzählt sie deren Lebensgeschichte zwischen Armut und Chancenlosigkeit in Brasilien und der Eingliederung in Deutschland. Diese Reise von Aurea Pereira Steberl und Paula Macedo Weiß war eine Einladung zur Selbstreflexion, eine Gelegenheit, sich selbst neu zu definieren und zu schmerzhaftem Lernen. Es war dabei nicht um den Anspruch auf Neutralität oder gar Wahrheit zu…mehr

Produktbeschreibung
Paula Macedo Weiß legt nach ihren beiden vielbeachteten Büchern »Es war einmal in Brasilien« und »Reden wir über Demokratie!« eine Gemeinschaftsarbeit vor: Zusammen mit Aurea Pereira Steberl (im Foto von Dominik Mentzos rechts) erzählt sie deren Lebensgeschichte zwischen Armut und Chancenlosigkeit in Brasilien und der Eingliederung in Deutschland. Diese Reise von Aurea Pereira Steberl und Paula Macedo Weiß war eine Einladung zur Selbstreflexion, eine Gelegenheit, sich selbst neu zu definieren und zu schmerzhaftem Lernen. Es war dabei nicht um den Anspruch auf Neutralität oder gar Wahrheit zu tun. Das Buch ist ein Gemeinschaftswerk, das Ergebnis von Aurea Pereira Steberls Erzählen und Paula Macedo Weiß' Schreiben. Basierend auf einer wahren Begebenheit, ist dieses Buch die Summe unterschiedlicher Perspektiven und Lebenssituationen der beiden Autorinnen - eine geteilte Fiktion und ein gemeinsamer Traum. Der jungen Aurea war klar geworden, daß sie aus dem Elendskreis von Armut und Bildungsferne, aus Chancenlosigkeit und systemischer Diskriminierung als schwarze Frau zuhause in Brasilien nicht würde herausgelangen können - sie wagte die Übersiedelung nach Deutschland. Schon dies ist vor dem Hintergrund ihres prekären Ausgangspunktes ein gigantischer, kaum vorstellbar mutiger Schritt. Und was folgt ist eine Serie von tapferem Durchhalten, beherzter Selbstbehauptung und unermüdlich wiederholter Einforderung grundlegender menschlicher Ansprüche. Paula Macedo Weiß tritt in dieser Konstellation erneut als Botschafterin Brasiliens und seiner Menschen auf, baut Brücken zum Verständnis zwischen Europa und Südamerika, plädiert wiederum für den Dialog und den Ausgleich zwischen den gesellschaftlichen Extremen. Und Aurea Pereira Steberl schenkt uns Einblicke in eine hoffnungsstarke Biographie und die Bestärkung in der Gewißheit, daß wir unser Leben gestalten können - und müssen!
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Sechs Tage nach der ersten Mondlandung ist Paula Macedo Weiß in Brasilien geboren, ihre Familie gehört dem politisch engagierten Bürgertum des Landes an. Als junge Frau geht sie nach Deutschland, um mit ihrem Jura-Studium zur erfolgreichen Anwältin zu werden. Mit der Gründung ihrer eigenen Familie mit vier Kindern gibt sie den Beruf als Juristin auf, widmet sich umfangreich kulturellen Belangen in Frankfurt, wo sie lebt, wie in größeren Zusammenhängen und Institutionen. Ihre Bücher sind Ausdruck einer gesellschaftlichen Wachheit und eines 'Sinnes für die Allgemeinheit', dessen Verbreitung höchst wünschenswert wäre.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2024

"Das erste Mal vergisst man nicht"

Aurea Pereira Steberl hat sich ihr Leben erkämpft: gegen Armut, Gewalt und Rassismus, erst in Brasilien, dann in Deutschland. Jetzt hat sie ihre Geschichte zusammen mit Paula Macedo Weiß aufgeschrieben.

Von Matthias Trautsch

Es war in der vierten Klasse. Monatelang hatte sie die Quadrille für die Schulaufführung geübt. Ihre Mutter hatte ihr ein Rüschenkleid genäht, schulterfrei, der bunte Stoff mit Tieren bedruckt. Rund 60 Jahre liegt das jetzt zurück, aber Aurea Pereira Steberl erinnert sich an jedes Detail - bis hin zu den spitzengesäumten Puffärmeln. Es war der Tag des in Brasilien populären Johannisfests. Aufgeregt kam sie in die Schule, suchte den Jungen, mit dem sie tanzen sollte. Vergeblich. Eine Lehrerin teilte ihr mit, sie sei ersetzt worden. Den Grund dafür erfuhr die Zehnjährige kurz darauf: wegen der Hautfarbe.

Bis zu diesem Tag sei ihr nicht bewusst gewesen, was Schwarzsein bedeute. Sie war eine gute Schülerin, wurde akzeptiert, solange sie niemandes Platz beanspruchte. Aber bei der Aufführung sollte dann doch lieber ein hellhäutiges Mädchen im Rampenlicht stehen. "Das erste Mal vergisst man nicht", sagte Aurea Pereira Steberl kürzlich im Frankfurter Mousonturm, als sie mit Ko-Autorin Paula Macedo Weiß ihre im Dielmann-Verlag erschienene Biographie "Aurea - eine brasilianische Lebensgeschichte" vorstellte. Vor 40 Jahren ist Pereira Steberl nach Deutschland gekommen, mit ihrer Tochter und vier Enkeln lebt sie in Frankfurt.

Dass die Geschichte mit der Schulaufführung doch noch einen guten Ausgang nahm, ist ihrem Onkel Jesus zu verdanken, einem gebildeten, politisch bewussten, in der Schwarzen-Bewegung engagierten Mann. Mit einer Kamelie am Revers - dem Erkennungszeichen der brasilianischen Abolitionisten im 19. Jahrhundert - marschierte er in die Schule. Und setzte durch, dass seine Nichte doch noch auftreten durfte. Natürlich im Rüschenkleid mit den Puffärmeln.

Zwei Dinge hat das Mädchen damals gelernt: dass sie als Schwarze keinen selbstverständlichen Platz in der weißen Gesellschaft hat und sie gegebenenfalls ausgeschlossen wird, aber auch, dass es sich lohnt zu kämpfen. "Ich habe mir einen Schutzschild zugelegt, den ich bis heute trage." Und vielleicht noch etwas Drittes: dass es Menschen gibt, die helfen. So wie ihr Onkel, ihre Mutter, die bei allem Leid die Heiterkeit gegenüber den Kindern bewahrte, oder Freundinnen, die zu ihr hielten.

Das Buch erzählt in einfachen, klaren, wohlwollenden Sätzen von einer Kindheit und Jugend in Brasilien, die von Armut und Gewalt geprägt ist. Neun von zwölf Geschwistern sterben als Säuglinge, die Familie lebt zeitweise in einer Lagerhalle, in der die Ratten nachts aus dem Gully kommen. Der sadistische Vater betrügt und demütigt die Mutter nach Belieben, er schlägt die Kinder, bricht der Tochter mit einem Topf die Nase.

Als Mädchen und junge Frau erlebt Aurea immer wieder rassistische Diskriminierung. Dass ihr Onkel Jesus den gesellschaftlichen Aufstieg schafft, Physikprofessor wird, liegt nicht nur an Begabung und Ehrgeiz, sondern auch daran, dass seine Haut heller ist als die der anderen in der Familie. Und natürlich daran, dass er ein Mann ist. Aurea bleiben die Chancen höherer Schulbildung verwehrt, sie muss sich gegen männliche Übergriffe wehren, die schwer kranke Mutter drängt sie, sich eine Beziehung zu suchen und ihr Enkel zu schenken.

Tatsächlich wird Aurea von einem Mann, der sich als Frauenheld entpuppt, ungewollt schwanger. Ausgerechnet in einem Moment, als sich für sie die Möglichkeit einer Ausbildung aufgetan hat. "Das durchkreuzte den einen Traum, ließ dafür einen anderen Wirklichkeit werden", schreiben Pereira Steberl und Macedo Weiß dazu lakonisch. Der besonderen Beziehung zwischen den Autorinnen, die in Brasilien in denkbar unterschiedlichen Milieus aufgewachsen sind, ist es zu verdanken, dass das Buch entstanden ist.

Macedo Weiß, Tochter eines Juristen und Politikers, kam zum Masterstudium der Rechtswissenschaft nach Deutschland, wurde promoviert, arbeitete als Anwältin, gründete eine Familie mit vier Kindern und ist in Frankfurt als freie Kulturproduzentin und Autorin tätig. Pereira Steberl, die in etwa zur selben Zeit nach Deutschland gekommen war, half der Familie von Macedo Weiß viele Jahre im Haushalt. Über die soziale Kluft hinweg entwickelte sich Vertrauen und eine gewisse Nähe, die ihre Grenzen allerdings im Angestelltenverhältnis fand.

Erst als die Arbeitsbeziehung endete, fingen die Frauen an, sich enger auszutauschen. Macedo Weiß hörte zu, Pereira Steberl öffnete sich immer mehr, erzählte von ebenso abenteuerlichen wie traumatischen Erlebnissen im Goldsuchercamp von João Pretinho, vom Überlebenskampf gegen die Malaria, von ihrem vor Eifersucht rasenden Mann, der mit dem Messer auf sie einsticht, bis sie sich tot stellt und mit einem Beil zum Gegenschlag ausholt.

Sie lässt sich nicht unterkriegen, nicht von Männern und auch sonst nicht. "Neuanfang wäre ein schöner Name für mich", sagt sie. Ein solcher Neubeginn ist der Flug nach Deutschland. Ihr späterer Mann, der in Frankfurt wohnt, hat ihr vorgeschlagen, zu ihm zu kommen. Ihre Tochter zieht nach, es sieht so aus, als ob die Familie eine Zukunft habe. Doch wiederum wendet sich das Schicksal: Ihr Mann trinkt immer mehr, verändert sich. Schließlich, auf einer Familienfeier, sagt er ihr, dass sie nicht dazugehöre: "Oder ist hier noch jemand schwarz?"

Pereira Steberl trennt sich und beschließt, nie mehr zu heiraten. In Deutschland aber bleibt sie - einem Land, das ihr in manchem fremd ist und sie immer wieder als Fremde behandelt, in dem sie andererseits eine finanzielle und emotionale Sicherheit und damit Selbständigkeit findet, für die sie dankbar ist. "Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein", hört sie einmal eine Freundin sagen. Ein Motto für ihr siebtes und demnächst achtes Lebensjahrzehnt.

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