Produktdetails
- Aufbau Taschenbücher
- Verlag: Aufbau TB
- Seitenzahl: 375
- Gewicht: 382g
- ISBN-13: 9783746660714
- ISBN-10: 3746660718
- Artikelnr.: 24821200
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2000Frühe Reisen
"Aus Anhalt und Thüringen" von Karl Emil Franzos. Herausgegeben von Herbert Weißhuhn. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2000. 377 Seiten, 19 Abbildungen. Broschiert, 18 Mark. ISBN 3-7466-6071-8.
Der Aufbruch erinnert an den "Taugenichts". Der Schriftsteller und Redakteur Karl Emil Franzos tritt mit "brennender Sehnsucht" und fröhlicher Neugier eine Reise in eine unbekannte Welt an, ohne Plan und bereit, sich vom Augenblick tragen zu lassen "wie der Fisch von der Welle". Und auch der Schluss, wenn der Weltenbummler in Paulinzelle von einer Terrasse ins Neckartal schaut, erinnert an Eichendorffs "und es war alles, alles gut". Doch zwischen dem enthusiastischen Anfang und dem beschaulichen Ende wird keine romantische Reise geschildert, sondern eine dem Zeitgeist um die Jahrhundertwende verpflichtete Exkursion von Berlin über Zerbst, Wörlitz nach Dessau und Erfurt bis ins Schwarzatal und zur Klosterruine Paulinzella. Erstaunlich ist, wie sehr sich der 1848 im österreichisch-ungarischen Galizien geborene jüdische Autor nach der Übersiedlung von Wien nach Berlin im Jahre 1887 mit dem Geist des Kaiserreiches identifiziert hat. In der Reiseschilderung ist nichts mehr zu spüren von der scharfen Kritik des Romanciers ("Der Pojaz") an der Trostlosigkeit der entrechteten jüdischen Bevölkerung in Galizien. Zwar ist Kritik den Reise- und Kulturbildern nicht fremd, wenn es um schöngeistigen Dusel des Bürgertums, um Banausen oder um die jammervolle geistige Verflachung einfacher Volksschichten geht. Doch die Zustimmung überwiegt. Dörfliches Brauchtum wird liebevoll illustriert, alte Bauten, Kirchen, Palais, Schlösser, Brücken, Gärten und selbst Ruinen werden als "Wahrzeichen deutscher Baukunst" gewürdigt, und das Krieger- und das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Dessau sind Anlass, ein Loblied auf den greisen Monarch und seine "schlichte Größe" zu singen. Überhaupt begeistert sich der Autor für die so genannten Großen der Geschichte seiner Gegenwart. So charakterisiert er Katharina II. als "die genialste Fürstin und das verderbteste Weib". Wem immer er begegnet, sie alle kommen nicht aus Brandenburg, sind "keine Hohenzollern an Kraft und Kühnheit" - bemerkenswerte Perspektive eines Juden, dessen Gesamtwerk von den Nationalsozialisten als "nichtarisch" verfemt worden ist. Ansonsten glänzt das Buch durch fundierte Kenntnisse und sichere Kunsturteile und weckt den Wunsch, mit ihm als Begleiter durch "Anhalt und Thüringen" zu reisen. (A.W.)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Aus Anhalt und Thüringen" von Karl Emil Franzos. Herausgegeben von Herbert Weißhuhn. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2000. 377 Seiten, 19 Abbildungen. Broschiert, 18 Mark. ISBN 3-7466-6071-8.
Der Aufbruch erinnert an den "Taugenichts". Der Schriftsteller und Redakteur Karl Emil Franzos tritt mit "brennender Sehnsucht" und fröhlicher Neugier eine Reise in eine unbekannte Welt an, ohne Plan und bereit, sich vom Augenblick tragen zu lassen "wie der Fisch von der Welle". Und auch der Schluss, wenn der Weltenbummler in Paulinzelle von einer Terrasse ins Neckartal schaut, erinnert an Eichendorffs "und es war alles, alles gut". Doch zwischen dem enthusiastischen Anfang und dem beschaulichen Ende wird keine romantische Reise geschildert, sondern eine dem Zeitgeist um die Jahrhundertwende verpflichtete Exkursion von Berlin über Zerbst, Wörlitz nach Dessau und Erfurt bis ins Schwarzatal und zur Klosterruine Paulinzella. Erstaunlich ist, wie sehr sich der 1848 im österreichisch-ungarischen Galizien geborene jüdische Autor nach der Übersiedlung von Wien nach Berlin im Jahre 1887 mit dem Geist des Kaiserreiches identifiziert hat. In der Reiseschilderung ist nichts mehr zu spüren von der scharfen Kritik des Romanciers ("Der Pojaz") an der Trostlosigkeit der entrechteten jüdischen Bevölkerung in Galizien. Zwar ist Kritik den Reise- und Kulturbildern nicht fremd, wenn es um schöngeistigen Dusel des Bürgertums, um Banausen oder um die jammervolle geistige Verflachung einfacher Volksschichten geht. Doch die Zustimmung überwiegt. Dörfliches Brauchtum wird liebevoll illustriert, alte Bauten, Kirchen, Palais, Schlösser, Brücken, Gärten und selbst Ruinen werden als "Wahrzeichen deutscher Baukunst" gewürdigt, und das Krieger- und das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Dessau sind Anlass, ein Loblied auf den greisen Monarch und seine "schlichte Größe" zu singen. Überhaupt begeistert sich der Autor für die so genannten Großen der Geschichte seiner Gegenwart. So charakterisiert er Katharina II. als "die genialste Fürstin und das verderbteste Weib". Wem immer er begegnet, sie alle kommen nicht aus Brandenburg, sind "keine Hohenzollern an Kraft und Kühnheit" - bemerkenswerte Perspektive eines Juden, dessen Gesamtwerk von den Nationalsozialisten als "nichtarisch" verfemt worden ist. Ansonsten glänzt das Buch durch fundierte Kenntnisse und sichere Kunsturteile und weckt den Wunsch, mit ihm als Begleiter durch "Anhalt und Thüringen" zu reisen. (A.W.)
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Jörg Drews stellt den Schriftsteller Karl Emil Franzos zunächst in einer Kurzbiografie vor. Dabei erläutert er, dass der Autor bereits 1903 begonnen hat, seine Reiseberichte, die er für die Berliner "Vossische Zeitung" geschrieben hat, in Buchform zu veröffentlichen. Herausgekommen sind dabei nach Drews "glänzende Reisefeuilletons", die seiner Ansicht nach den Vergleich mit Theodor Fontane nicht zu scheuen brauchen und die nicht zuletzt einigen Unterhaltungswert bieten. Zwar scheint es Drews, als ob der Autor die Streckenplanung des öfteren spontan abgeändert hätte. Dies tut dem Lesevergnügen seiner Ansicht nach jedoch keinen Abbruch. Drews hebt besonders den Witz und die Vorliebe für "milde Ironie" des Autors hervor, der darüber jedoch nicht die Genauigkeit hinsichtlich seiner Reiseberichte vernachlässigt habe. Allerdings würde sich Drews eine Überarbeitung der Anmerkungen wünschen, die er "zu karg und außerdem in vielen Punkten überholt" findet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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