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Die Hauptfigur in diesem Buch ist - eine Matratze. Von 1935 bis 1992 kreuzen viele abenteuerliche Schicksale ihren Weg. Sie fungiert als Liebesnest, Spielzeug, Bettstatt oder Retterin in der Not und verändert das Leben der Menschen, die auf ihr liegen. In acht federleichten Miniaturen blickt Tim Krohn auf das stürmische 20. Jahrhundert - aus der Horizontalen. Ein literarisches Kleinod, von der Presse hochgelobt.

Produktbeschreibung
Die Hauptfigur in diesem Buch ist - eine Matratze. Von 1935 bis 1992 kreuzen viele abenteuerliche Schicksale ihren Weg. Sie fungiert als Liebesnest, Spielzeug, Bettstatt oder Retterin in der Not und verändert das Leben der Menschen, die auf ihr liegen. In acht federleichten Miniaturen blickt Tim Krohn auf das stürmische 20. Jahrhundert - aus der Horizontalen. Ein literarisches Kleinod, von der Presse hochgelobt.
Autorenporträt
Tim Krohn, geboren 1965 in Nordrhein-Westfalen, wuchs in Glarus in den Schweizer Alpen auf und lebt als freier Schriftsteller in Santa Maria im Münstertal. Seine Romane 'Quatemberkinder' und 'Vrenelis Gärtli' sind Kultbücher, mit Büchern wie 'Nachts in Vals' oder der Romanserie 'Menschliche Regungen' erweist er sich immer wieder aufs Neue als einer der vielseitigsten und originellsten Autoren der Schweiz.
Rezensionen
»Tim Krohn ist ein Autor, den man kennt als heiteren und auch witzigen Unterhalter, als Erzähler leuchtender, schwebender Geschichten von Liebe und der ihr bisweilen innewohnenden Leichtfertigkeit.« Gabriele von Arnim / Tages-Anzeiger Tages-Anzeiger

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Keinen beliebigen Episodenroman hat Moritz Scheper seiner Meinung nach gelesen, sondern ein raffiniertes und glänzendes Panorama Europas des 20. Jahrhunderts. Der Schweizer Autor hat sich eine Matratze als Bühne für wechselnde Zeiten, Benutzer und Orte gewählt und dem begeisterten Rezensenten wird schnell klar, dass es Krohn hier um eine Erzählung von Europa geht. Es gelinge ihm dabei großartig, die jeweilige Atmosphäre der wechselnden Zeiten einzufangen, preist Scheper, und wenn am Ende die auseinanderfallenden Reste der Matratze ihrem ersten, nun alt gewordenen Benutzer vor die Füße gespült werden, bekommt der Leser nicht nur ein beeindruckendes "Vanitas-Gemälde" präsentiert, sondern kann sich auch davon überzeugen, dass dieser Roman in seiner Qualität seiner Hauptfigur in nichts nachsteht: "allerbeste Machart".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2014

Wie du dich bettest, so lebst du
Balladen aus der Matratzengruft: Tim Krohn macht eine Bettstatt zum Helden einer leichthändig geschriebenen Familiensaga

Von großen Anschaffungen sagt man gern, dass diese sich "ein Leben" halten werden, und meint damit das eigene. Um das Eigenleben jener Dinge aber, mit denen wir uns in der Welt einrichten und womöglich mehr Zeit verbringen als mit vielen Menschen, die wir jemals kennenlernen, machen wir uns kaum Gedanken. Dabei hätten nicht nur alte Möbel- oder Erbstücke, die Generationen überdauern, sicher sehr viel zu erzählen. Auch Alltagsgegenstände, deren Lebensdauer kürzer ist, durchlaufen wohl in dieser Spanne oft so viele Eigentümer und Verwendungen, dass es ohne Zweifel lohnen mag, den Lauf der Welt einmal aus ihrer Perspektive zu erkunden oder sich zumindest vorzustellen, wie sich die Weltgeschichte ausnähme, wenn wir den Wechselfällen ihrer materiellen Grundlagen je folgen könnten. Das unternimmt Tim Krohn - Schweizer Erfolgsautor deutscher Herkunft, der letzten Sonntag 49 Jahre alt geworden ist - in seinem wunderbaren neuen Buch, einer Folge aus acht Miniaturen, die "aus dem Leben einer Matratze bester Machart" berichten.

Fast sechs Jahrzehnte umfasst deren Lebenszyklus, von 1935 bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts, und man muss sich wohl die hohen Produktionsstandards eines schwäbischen Handwerksbetriebs jener Zeit vorstellen, der auch noch "auf der Schillerhöhe" angesiedelt ist, damit diese Lebensdauer überhaupt begreiflich wird. Alles beginnt mit einer Hochzeitsnacht: Ein jüdischer Farbenfabrikant aus Berlin namens Immanuel Wassermann hat im spätsommerlichen Tessin kurzentschlossen eine schöne junge Sizilianerin gefreit und die erste Nacht mit ihr in einer Pension bei Stuttgart zugebracht. Viel Schlaf, so schon der erklärte Vorsatz, haben sie dort nicht gefunden, dafür aber ihre schönsten Stunden auf einem fabrikneuen Prachtexemplar von Qualitätsmatratze zugebracht.

Leider hat es, wie der nächste Morgen zeigt, infolge dieser Nacht einen größeren Blutfleck davongetragen, der auf wundersame Weise wie Amerika aussieht. "Blut geht nie aus", weiß die junge Braut und scheint sich ihrer Hinterlassenschaft so sehr zu schämen, dass ihr Mann diese Matratze dem Pensionswirt kurzerhand abkauft. Und tatsächlich, als wir ein Menschenleben später und nach den Wirren eines Kriegsjahrhunderts Wassermann als einen verschrobenen Alten wiedertreffen, der in einem Badeort bei Nizza lebt und täglich Treibgut am Strand sammelt, lässt sich auf den Überresten der Matratze, die wie durch Zufall angespült wurde, jener Fleck noch immer ausmachen.

Dazwischen liegen lauter weitere Stationen - ein Luftschutzkeller, in dem Kinder vergeblich auf die Mutter warten; ein ärmliches Nachkriegsnotquartier, das dennoch wohnlich eingerichtet wird; die Passstraße zum Gotthard, auf der ein liebeshungriges Pärchen vom frühen Wintereinbruch überrascht wird; die Tiberbrücke in Trastevere bei schlimmer Überschwemmung; die offene See vor Anzio, in der ein sehnsuchtsvoller Angler gegen das Ertrinken kämpft -, an denen wir jeweils eine klitzekleine Episode aus dem wechselvollen Dasein dieses Alltagsgegenstands erfahren, kaum mehr als Schlaglichter auf ein gewaltiges Epenpanorama, das weithin im Dunkel liegt und doch wie durch Wetterleuchten momentweise derart erhellt wird, dass wir uns das Übrige aufs schönste selbst ausmalen. Denn das ist das wahrhaft Große an diesem kleinen Buch: dass es so unauffällig wie beständig über sich hinausweist und den Realismus seiner klaren, schnörkellosen Sprache zur Ahnung höherer Gewalten steigert.

Seit jeher ist es Vorrecht von Erzählern, allwissend sein zu dürfen. Selten aber hat eine Erzählung dieses Privileg so spielerisch wie zugleich sinnfällig genutzt, indem sie auf so knappem Raum - die Kapitel umfassen jeweils ein paar Seiten - mit leichter Hand und scharfem Blick Weltverbindungen stiftet und Spuren für uns auslegt, ihnen nachzugehen. Sein bislang größter Triumph gelang Tim Krohn vor etlichen Jahren mit dem Doppelroman "Quatemberkinder" und "Vrenelis Gärtli", einer betörenden Verbindung von Schweizer Heimatliteratur und Alpenzaubermärchen. Diesmal verzichtet er auf Spuk und Zauberei und bis zur märchenhaften Schlusswendung auf alle Einlassungen mit Mächten jenseits der vertrauten Alltagswirklichkeit. Die eigentliche Magie liegt hier in den Dingen selbst, und seien sie auch noch so unscheinbar. Man muss wohl bis zu Annette von Droste-Hülshoff zurückgehen und ihrer Ballade über jenen schicksalhaften Holzbalken mit der Aufschrift "Batavia. Fünfhundert Zehn", um eine derart eindringliche Studie über Eigenwert von Gegenständen und deren Zirkulation zu finden: Lektüre für Minuten, die ein Zeitalter umfasst.

Damit bietet Krohn zugleich einen vielsagenden Gegenentwurf zu den Großerzählungen des zwanzigsten Jahrhunderts. Nicht der Verfall einer Familie wird hier erzählt, sondern eine fragmentarische Geschichte, in deren Verlauf die Grundlage allen Familienlebens - denn was sollte eine Matratze anderes sein? - unaufhaltsam fortschreitend zu Abfall wird und dennoch weiterhin Verwendung findet, bis hin zur lebensrettenden Funktion. Es sind sicher solcherlei Geschichten, Phantasien, Selbsterzählungen oder Fiktionen, mit denen wir uns in der Welt am besten einrichten. Manche davon halten lebenslang.

TOBIAS DÖRING

Tim Krohn:

"Aus dem Leben einer Matratze

bester Machart".

Galiani Verlag, Berlin 2014. 120 S., geb., 16,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.04.2015

Federkern und Ungeheuer
Gut gelaunt und sehr makaber: Tim Krohns Roman „Aus dem Leben einer Matratze bester Machart“
Die Rhythmen der Literaturmoden werden schneller. Kaum reißt es ein, Gegenstände durch die Geschichte wandern zu lassen, Schreibtische, Autos oder Porzellanfiguren mit dem Pathos der Schicksale der Menschen aufzuladen, die sie berührt und benutzt haben, melden sich Spaßvögel, die den Trend ins Absurde führen, wie der Wahlzürcher Tim Krohn in seinem kleinen Buch „Aus dem Leben einer Matratze bester Machart“, was platter klingt, als es ist.
  Den besten Erfolg erzielt Krohn, wenn er anfangs das parodistische Element seines Erzählens zur Groteske steigert, der die Katastrophe als Vorlage dient: Er zeigt den jungen Berliner Juden Immanuel Wassermann als Leichtfuß, der 1935 nicht an das Unkengezeter der Zeit glauben will, seine Wasserfarbenfabrik weiterführt und mit seinem beigefarbenen Isotta-Fraschini nach Ascona und auf den Monte Verità braust, um vor Freigeistern von seiner neuen Farbe „Isabella“ zu erzählen und sich am Abend in der Trattoria dell’ Nonno in die junge Kellnerin Gioia zu verlieben, sie am nächsten Morgen zu heiraten und die Schamvolle schließlich im süddeutschen Leonhardshof, auf einer vom Gasthofbesitzer beim Fabrikanten-Bruder frisch besorgten Federkernmatratze zu entjungfern. Woraus ein Blutfleck resultiert, was zu Wassermanns Kauf der Matratze führt, mit der das Paar nach Berlin fährt.
  Der zentrale Kunstgriff des Erzählers ist hier der Zeit- und Tatenraffer, der keine epische Breite zulässt, wie sonst oft bei „Gegenstands-Romanen“, sondern die Geschichte der Matratze Immanuel Wassermanns derart verkürzt, dass sie locker voranhüpft, was, in Kombination mit den historischen Erwartbarkeiten, makabren Schauder erzeugt. In diese Richtung bewegt sich Krohn auch mit der nächsten Geschichte: Im schweizerischen Schaffhausen spielen die Kinder von Weishaupts 1944 Bombenangriff – der in der Regel die deutschen Nachbarn trifft. Die Matratze, die den Weishaupts, zusammen mit der Wohnung, von ihrer Vormieterin Gioia Wassermann übergeben wurde, liegt im Keller, die grausamen Kinder schlafen gut auf ihr. Sie verströmen eine noch etwas ruppigere Lustigkeit als Immanuel Wassermann, dessen Verbleib unaufgeklärt bleibt, aber am Ende ist ihre Mutter tot.
  So gelangt die durch Gioias Blutfleck bleibend gezeichnete Matratze über den aufopferungswilligen Simon Pistorius – er macht sich in der Nachkriegszeit um die Restitution von Kunstgegenständen aus jüdischem Besitz verdient – und ein älteres Paar an einen 1971er-Hippie-Jüngling, der im Ferienchalet seines Onkels Studentinnen flachlegt.
  Natürlich verliert die Matratze literarisch an Gewicht, je weniger tragisch das Schicksal der auf ihr schlafenden Menschen ist. Aber bei aller sich zeitgemäß steigernden Belanglosigkeit der knapp erzählten Lebensgeschichten wartet man auf eine Bemerkung zu Immanuel Wassermann. Was macht Krohn mit ihm? Zugegeben: Diese Baustelle erzählerisch auszuloten fällt schwer. Es geht ja Krohn nicht unbedingt um wahre Geschichten. Sie sind wirklichkeitsnah und verzerrt zugleich, und nicht unbedingt genauso geschehen. Es geht auch um Symbole und Symbolpolitik.
  Insofern ist es durchaus erstaunlich, wenn Immanuel Wassermann am Ende wieder auftaucht – als einsamer alter Mann in Nizza. Soll das eine Art happy ending mit Qualitäts-Matratze werden, schließt sich der Kreis wohlgefällig? Nein, aber um der Gefahr der Harmlosigkeit zu entgehen, nimmt Tim Krohn seinen Wassermann, dessen Übermut schon durch die erste Berliner Verhaftung gebrochen wurde, nicht ganz geschickt in die Pflicht der political incorrectness: „Die Jahre der Gefangenschaft danach, der Folter, des Tötens (denn auch er hatte getötet) hatten alles andere verdrängt.“
  Wie? Bei aller Liebe zu Auslassungen: Hier wüsste man gern, was genau hat Wassermann getan, wen hat der Jude getötet? Warum? Keine Antwort. Nur zwei weitere Sätze: „Dass er überlebt hatte, erfüllte ihn, als ihn die Amerikaner zehn Jahre später befreiten, vor allem mit Scham. Keiner hatte die Lagerhaft überlebt, ohne sich an anderen zu vergehen, und auch er war kein guter Mensch geblieben.“ Dass es Lagerinsassen gab, die nicht schuldlos blieben, hat man gehört und gelesen. Aber gleich alle, die danach noch am Leben waren?
  Statt einen Einzelfall sorgfältig auszumalen, hat sich der nachgeborene Erzähler und mutige Verletzer politischer Korrektheit in die Arme von schüchterner Distanz und Größenwahn zugleich begeben – und tappt mitten ins Näpfchen: Der grotesk-makabre Matratzenspaß endet in grausamem Harmoniekitsch: Wir sind doch alle irgendwie gleich – Täter wie Opfer, nicht?
HANS-PETER KUNISCH
Der zentrale Kunstgriff ist hier
der Zeit- und Tatenraffer
              
  
  
  
  
Tim Krohn: Aus dem Leben einer Matratze bester Machart. Galiani Berlin Verlag, Berlin 2014. 120 Seiten, 16,99 Euro. E-Book 14,99 Euro.
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