In seinem neuen Werk nimmt Einar Turkowski den Betrachter mit auf die Suche. Ein Fuchs streift durch die Nacht, zu ihm gesellt sich ein Paradiesvogel. Beiden ist nach Farbe, beide suchen etwas, beide wissen nicht, wohin sie ihr Weg führt. Die Landschaft scheint bisweilen verzaubert, beruhigend, dann wieder rätselhaft und abweisend. Die Nacht ist noch jung. Aber sie gewinnt an Macht. Die Suchenden drohen den Mut zu verlieren. Doch die Farbe ist längst bereit, gefunden zu werden. Sie zeigt sich und schenkt dem Fuchs neuen Lebensmut. Und der Vogel? Auch er findet seinen Platz und beglückt uns mit seinen Liedern. Einar Turkowski überrascht in seinen einzigartigen Bleistiftzeichnungen erstmals mit Farbakzenten, die die Künstlerin Thomke Meyer zum Leuchten gebracht hat.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2019Ihm war nach Farbe
Der Bilderbuchkünstler Einar Turkowski schickt Fuchs und Vogel durch die Nacht
Madame Merlot muss auch schon hier gewesen sein: In "Die Nachtwanderin", Einar Turkowskis bislang jüngstem Buch, hatte sie ihre kuriosen Stecken, Windraschler und Schlotterstäbe in den Strand gesteckt. In "Aus dem Schatten trat ein Fuchs", dem neuen Werk des Bilderbuchkünstlers, finden sie sich im Schilf, im Wald, in einem Tor: menschliche Spuren, seltsame Zeichen des Surrealen, mit dem in den in feinen Grautönen gezeichneten Nächten Turkowskis immer zu rechnen ist. Und es ist oft Nacht in seinen Bilderbüchern.
Gleich sein Debüt aus dem Jahr 2005 trägt den Titel "Es war finster und merkwürdig still". Vier Jahre später lässt Einar Turkowski in "Die Mondblume" einen Herrn Ribblestone auf alle möglichen Ideen kommen, um eine kürbisgroße Blütenknospe in seinem Garten endlich zum Blühen zu bringen - was schließlich in einer besonderen Nacht geschieht, natürlich ganz ohne das Zutun des Gärtners. 2015 folgten neugierige Kinder einer nachtaktiven Nachbarin bei ihren Ausflügen. Jetzt ist es ein Fuchs, der, bald begleitet von einem Vogel, auf der Suche nach Farbe die Dunkelheit durchstreift.
Wobei, Dunkelheit: In den Nuancen und Schattierungen, die der 1970 geborene Künstler in mühevoller Bleistifttechnik Schicht um Schicht zu Papier bringt, ist kaum mehr als der Nachthimmel tiefschwarz. Vom Wind bewegte Bäume und Gräser, schroffes Gestein, Tiere in Bewegung und Spuren von Menschen zeigen, wie lebendig und wie stufenreich Graphit sein kann.
Einar Turkowski erzählt in Versen von der Reise der beiden Tiere durch die Nacht, von ihrem Weg durch Dickicht und Fels, ihrer Rast unter schützenden Dornen oder am Ufer eines Sees. Doch die Sechszeiler, die er neben jedes Bild stellt, vermögen den kraftvollen Grafiken kaum etwas hinzuzufügen. Im Gegenteil greifen sie zu vagen, pathetischen Formulierungen und Füllungen, wo die Bilder ruhig für sich stehen könnten: Schon in einem vergitterten Durchgang fühlt sich der Fuchs "ganz matt", im nächsten Bild kauert er sich in einer schroffen Felslandschaft mit nur wenigen Bäumen an einen massigen Stein. "Im grauen Gewand. / Fühlte er sich ganz müde. / In die Kälte verbannt. / Kam der stille Entschluss. / Wie ein kraftloses Beben. / Sich der Nacht zu ergeben." Wozu die Erschöpfungsredundanz? Wer wurde hier verbannt, der Fuchs oder der Entschluss? Wie sollte der Entschluss anders sein als still? Wäre das "kraftlose Beben" nicht eher ein Seufzen, das Zittern eines Tiers, das nicht mehr weiterweiß? Man hätte den Bildern in ihrer Lebendigkeit und Eindringlichkeit gewünscht, dass ihnen ein gleichwertiger Text zur Seite steht.
Dabei hat die Szene, als sich Nacht und Traum längst zu mischen scheinen, durchaus etwas Zwingendes: Die Tiere sind an einem Jungen vorbeigekommen, der auf einem Baum Sternschnuppen sehen will. Seine Einsamkeit nimmt auch ihnen den Schwung. Als sie sich gerade der Nacht ergeben wollen, lässt eine Spur, ein Duft den Fuchs aufmerken - und ihn seinen Freund, den Vogel, schließlich verlassen.
Man muss nicht wissen, dass Einar Turkowskis Bilderbüchern eigentlich die Pracht der Grautöne genügt, um den Einsatz von Farbe in "Aus dem Schatten trat ein Fuchs" spektakulär zu finden: Was sich im Erdton eines Rinderpaars andeutet, dem der Fuchs noch vor dem Jungen begegnet, wird zu einem Strahlen, als er seiner Fährte folgt. Den Leser allerdings hat das Buch lange gekonnt auf eine falsche Fährte gelockt: Es ist nicht der Morgen, der die Farbe ins Leben des Fuchses zurückbringt.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Einar Turkowski: "Aus dem Schatten trat ein Fuchs".
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2019. 40 S., geb., 25,- [Euro]. Ab 5 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Bilderbuchkünstler Einar Turkowski schickt Fuchs und Vogel durch die Nacht
Madame Merlot muss auch schon hier gewesen sein: In "Die Nachtwanderin", Einar Turkowskis bislang jüngstem Buch, hatte sie ihre kuriosen Stecken, Windraschler und Schlotterstäbe in den Strand gesteckt. In "Aus dem Schatten trat ein Fuchs", dem neuen Werk des Bilderbuchkünstlers, finden sie sich im Schilf, im Wald, in einem Tor: menschliche Spuren, seltsame Zeichen des Surrealen, mit dem in den in feinen Grautönen gezeichneten Nächten Turkowskis immer zu rechnen ist. Und es ist oft Nacht in seinen Bilderbüchern.
Gleich sein Debüt aus dem Jahr 2005 trägt den Titel "Es war finster und merkwürdig still". Vier Jahre später lässt Einar Turkowski in "Die Mondblume" einen Herrn Ribblestone auf alle möglichen Ideen kommen, um eine kürbisgroße Blütenknospe in seinem Garten endlich zum Blühen zu bringen - was schließlich in einer besonderen Nacht geschieht, natürlich ganz ohne das Zutun des Gärtners. 2015 folgten neugierige Kinder einer nachtaktiven Nachbarin bei ihren Ausflügen. Jetzt ist es ein Fuchs, der, bald begleitet von einem Vogel, auf der Suche nach Farbe die Dunkelheit durchstreift.
Wobei, Dunkelheit: In den Nuancen und Schattierungen, die der 1970 geborene Künstler in mühevoller Bleistifttechnik Schicht um Schicht zu Papier bringt, ist kaum mehr als der Nachthimmel tiefschwarz. Vom Wind bewegte Bäume und Gräser, schroffes Gestein, Tiere in Bewegung und Spuren von Menschen zeigen, wie lebendig und wie stufenreich Graphit sein kann.
Einar Turkowski erzählt in Versen von der Reise der beiden Tiere durch die Nacht, von ihrem Weg durch Dickicht und Fels, ihrer Rast unter schützenden Dornen oder am Ufer eines Sees. Doch die Sechszeiler, die er neben jedes Bild stellt, vermögen den kraftvollen Grafiken kaum etwas hinzuzufügen. Im Gegenteil greifen sie zu vagen, pathetischen Formulierungen und Füllungen, wo die Bilder ruhig für sich stehen könnten: Schon in einem vergitterten Durchgang fühlt sich der Fuchs "ganz matt", im nächsten Bild kauert er sich in einer schroffen Felslandschaft mit nur wenigen Bäumen an einen massigen Stein. "Im grauen Gewand. / Fühlte er sich ganz müde. / In die Kälte verbannt. / Kam der stille Entschluss. / Wie ein kraftloses Beben. / Sich der Nacht zu ergeben." Wozu die Erschöpfungsredundanz? Wer wurde hier verbannt, der Fuchs oder der Entschluss? Wie sollte der Entschluss anders sein als still? Wäre das "kraftlose Beben" nicht eher ein Seufzen, das Zittern eines Tiers, das nicht mehr weiterweiß? Man hätte den Bildern in ihrer Lebendigkeit und Eindringlichkeit gewünscht, dass ihnen ein gleichwertiger Text zur Seite steht.
Dabei hat die Szene, als sich Nacht und Traum längst zu mischen scheinen, durchaus etwas Zwingendes: Die Tiere sind an einem Jungen vorbeigekommen, der auf einem Baum Sternschnuppen sehen will. Seine Einsamkeit nimmt auch ihnen den Schwung. Als sie sich gerade der Nacht ergeben wollen, lässt eine Spur, ein Duft den Fuchs aufmerken - und ihn seinen Freund, den Vogel, schließlich verlassen.
Man muss nicht wissen, dass Einar Turkowskis Bilderbüchern eigentlich die Pracht der Grautöne genügt, um den Einsatz von Farbe in "Aus dem Schatten trat ein Fuchs" spektakulär zu finden: Was sich im Erdton eines Rinderpaars andeutet, dem der Fuchs noch vor dem Jungen begegnet, wird zu einem Strahlen, als er seiner Fährte folgt. Den Leser allerdings hat das Buch lange gekonnt auf eine falsche Fährte gelockt: Es ist nicht der Morgen, der die Farbe ins Leben des Fuchses zurückbringt.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Einar Turkowski: "Aus dem Schatten trat ein Fuchs".
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2019. 40 S., geb., 25,- [Euro]. Ab 5 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.03.2019Ein Streuner sucht das Rot
Es geht durch Felder, Wälder, Berge und Auen, durch alle möglichen
Grautöne in Einar Turkowskis „Aus dem Schatten trat ein Fuchs“
Der Fuchs hat einen sehr zwielichtigen Ruf. Folgt man Goethes „Reineke Fuchs“, dann hasst man ihn wegen seiner mörderischen Skrupellosigkeit und bewundert ihn widerstrebend für seine eloquente Gerissenheit und böse Listigkeit. Auch im wirklichen Leben kann wohl keiner sich Respekt verkneifen, wenn er sieht, wie der Fuchs in unsere Städte eindringt und sie als eigenen Lebensraum erobert. Er ist also trotz Tollwut, Fuchsbandwurm und anderer Malaisen ein Überlebenskünstler hohen Grades.
Von solchen und ähnlichen Durchhaltelebensabenteuern erzählt Einar Turkowskis Bilderbuch nichts, wohl aber von Fuchsens poetischer Nachtwanderung durch Schwarz-Weiß und sämtliche Grautöne. In dieser farbfreien Welt hat selbst ein Fuchs, doch weltberühmt für seinen feurighellroten Pelz, keine andere Chance, als in feinsten Grauweiß-Abstufungen durch Felder, Wälder, Berge und Auen zu schnüren. Doch ist er nicht allein, denn bald gesellt sich ein Paradiesvogel dazu und begleitet den Streuner auf seine eigene Weise.
Turkowskis Bilder brauchen keine erklärenden Texte, auch wenn es ab und zu ein paar Zeilen auf den nichtbebilderten Seiten gibt. Vielmehr leben sie von der ungeheuren Strichdichte und überbordenden Fülle des Landschaftlichen, das der Zeichner mit geradezu romantischer Lust auslebt: sich türmende Gebirge, kahle Höhen, Schilfdickicht. Manchmal wird die in magischem Grau herbeigestrichelte Natur so gewaltig, dass unser Fuchs zum geradezu winzig eingespielten Aperçu darin wird.
So gehört zum Vergnügen an diesem aus bewusster Beschränkung besonders reichen Bilderbuch auch das Suchen: Wo ist der Fuchs, wo „sein“ Vogel? Auch andere Lebewesen tauchen auf, Käfer, Schmetterlinge, verschiedene Vögel, ein Knabe im Baum. Fuchs und Vogel rasten auf einem Boot, entdecken in der Tiefe des Waldes plötzlich zwei gelbliche Rinder mit fremdartigem Gehörn, streifen an einer Scheune vorbei und geraten in einen Hohlweg. Da entdeckt der Fuchs eine aufregende Fährte, hüpft ihr nach und sieht gerade noch, wie ein buschiger Fuchsschwanz in einer Höhle verschwindet. Und dieser Schwanz ist – rot! Der Fuchs findet sein Glück, der Vogel bleibt allein zurück.
Zuerst ist das eine tolle Lektion in zeichnerischer Virtuosität, dann die zarte Geschichte einer am Ende sich verflüchtigenden Freundschaft und zuletzt auch eine Art symbolistisches, nicht ganz von Kitschgefahr freies Buch über Sehnsucht nach Farbe und den Zauber des „Farblosen“. Aber schon das Coverblatt kann einen nicht kaltlassen: Da schaut der Fuchs rotköpfig den Betrachter an, während sein Körper noch im Schwarzweißen verharrt, auf dem Rücken der Paradiesvogel. Fuchsiger kann der Rote nicht aussehen, freundlicher kein Vogel.
HARALD EGGEBRECHT
Einar Turkowski: Aus dem Schatten trat ein Fuchs. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 25 Euro.
Illustration aus Einar Turkowski: Aus dem Schatten trat ein Fuchs
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Es geht durch Felder, Wälder, Berge und Auen, durch alle möglichen
Grautöne in Einar Turkowskis „Aus dem Schatten trat ein Fuchs“
Der Fuchs hat einen sehr zwielichtigen Ruf. Folgt man Goethes „Reineke Fuchs“, dann hasst man ihn wegen seiner mörderischen Skrupellosigkeit und bewundert ihn widerstrebend für seine eloquente Gerissenheit und böse Listigkeit. Auch im wirklichen Leben kann wohl keiner sich Respekt verkneifen, wenn er sieht, wie der Fuchs in unsere Städte eindringt und sie als eigenen Lebensraum erobert. Er ist also trotz Tollwut, Fuchsbandwurm und anderer Malaisen ein Überlebenskünstler hohen Grades.
Von solchen und ähnlichen Durchhaltelebensabenteuern erzählt Einar Turkowskis Bilderbuch nichts, wohl aber von Fuchsens poetischer Nachtwanderung durch Schwarz-Weiß und sämtliche Grautöne. In dieser farbfreien Welt hat selbst ein Fuchs, doch weltberühmt für seinen feurighellroten Pelz, keine andere Chance, als in feinsten Grauweiß-Abstufungen durch Felder, Wälder, Berge und Auen zu schnüren. Doch ist er nicht allein, denn bald gesellt sich ein Paradiesvogel dazu und begleitet den Streuner auf seine eigene Weise.
Turkowskis Bilder brauchen keine erklärenden Texte, auch wenn es ab und zu ein paar Zeilen auf den nichtbebilderten Seiten gibt. Vielmehr leben sie von der ungeheuren Strichdichte und überbordenden Fülle des Landschaftlichen, das der Zeichner mit geradezu romantischer Lust auslebt: sich türmende Gebirge, kahle Höhen, Schilfdickicht. Manchmal wird die in magischem Grau herbeigestrichelte Natur so gewaltig, dass unser Fuchs zum geradezu winzig eingespielten Aperçu darin wird.
So gehört zum Vergnügen an diesem aus bewusster Beschränkung besonders reichen Bilderbuch auch das Suchen: Wo ist der Fuchs, wo „sein“ Vogel? Auch andere Lebewesen tauchen auf, Käfer, Schmetterlinge, verschiedene Vögel, ein Knabe im Baum. Fuchs und Vogel rasten auf einem Boot, entdecken in der Tiefe des Waldes plötzlich zwei gelbliche Rinder mit fremdartigem Gehörn, streifen an einer Scheune vorbei und geraten in einen Hohlweg. Da entdeckt der Fuchs eine aufregende Fährte, hüpft ihr nach und sieht gerade noch, wie ein buschiger Fuchsschwanz in einer Höhle verschwindet. Und dieser Schwanz ist – rot! Der Fuchs findet sein Glück, der Vogel bleibt allein zurück.
Zuerst ist das eine tolle Lektion in zeichnerischer Virtuosität, dann die zarte Geschichte einer am Ende sich verflüchtigenden Freundschaft und zuletzt auch eine Art symbolistisches, nicht ganz von Kitschgefahr freies Buch über Sehnsucht nach Farbe und den Zauber des „Farblosen“. Aber schon das Coverblatt kann einen nicht kaltlassen: Da schaut der Fuchs rotköpfig den Betrachter an, während sein Körper noch im Schwarzweißen verharrt, auf dem Rücken der Paradiesvogel. Fuchsiger kann der Rote nicht aussehen, freundlicher kein Vogel.
HARALD EGGEBRECHT
Einar Turkowski: Aus dem Schatten trat ein Fuchs. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 25 Euro.
Illustration aus Einar Turkowski: Aus dem Schatten trat ein Fuchs
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