Sie liebten und sie hassten sich - soweit waren Agnese Schebest und David Friedrich Strauß kein außergewöhnliches Paar! Allerdings: sie war eine leichtlebige, gefeierte Operndiva, er ein theologischer Gelehrter. Allein diese Kombi würde noch heute den einen oder anderen zu Skepsis reizen. Um 1840
war es ein gänzlich undenkbares Matching! Zu persönlichen Differenzen kam die gesellschaftliche…mehrSie liebten und sie hassten sich - soweit waren Agnese Schebest und David Friedrich Strauß kein außergewöhnliches Paar! Allerdings: sie war eine leichtlebige, gefeierte Operndiva, er ein theologischer Gelehrter. Allein diese Kombi würde noch heute den einen oder anderen zu Skepsis reizen. Um 1840 war es ein gänzlich undenkbares Matching! Zu persönlichen Differenzen kam die gesellschaftliche Ächtung und am Schluss behielten die Lästermäuler Recht: der anfänglich ekstatische Magnetismus wich einer lebenslangen Hass-Liebe.
Nachdem Dorothea Keuler bereits "Provokante Weibsbilder" vorstellte, erzählt sie in ihrem neuen Buch "Aus der Reihe getanzt" elf spannende Geschichten über skandalöse Paare aus Baden und Württemberg.
Zwar regen uneheliche Kinder, Affären sowie Beziehungen zwischen Adligen und Bürgerlichen heute kaum mehr jemand auf, vor einigen Jahrhunderten bedeuteten sie - wenn sie bekannt wurden - das gesellschaftliche Aus. Hatte David Friedrich Strauße als "Gottesleugner" eh schon einen schweren Stand in der christianisierten Öffentlichkeit, schwand mit seinem Scheidungswunsch der letzte Rest seiner Reputation.
Auch die anderen Liebenden in Dorothea Keulers Sittengemälde hatten es weiß Gott nicht einfach: die einen verliebten sich außerehelich - vor allem für adlige Herrscher ein ziemliches Dilemma - wieder andere probten mit fatalen Folgen den Partnertausch und auch Albert Dulks Ehe mit drei Frauen, brachte nicht allen Beteiligten die erhoffte Erfüllung! Und König Karl von Württembergs homosexuelle Neigungen avancierten endgültig zur Staatsaffäre, als der Einfluss seines Liebhabers den Umstehenden viel zu stark wurde.
Wären die "ruchlosen" Beziehungen glücklicher verlaufen, wenn Freunde, Verwandte, Bekannte, Kollegen, kurz: die Gesellschaft die Verbindung toleriert hätte? Ob Dichter, Gaukler, Fürst oder Gauner: alle eint das verzweifelte Streben nach neuen Formen, Liebe leben zu können.
Warum zwei sich lieben, ist schon ein Geheimnis für sich - welchen Einfluss konventionelle Zwangsjacken auf Liebende haben, ist die zweite Unbekannte der Liebesglücks-Formel und ganz klar auch im 21. Jahrhundert noch ein Thema - wenn auch nicht mehr ganz so wichtig wie 1622, als Regina Burckhardt - erst höhere, dann gefallene Tochter - ihr erstes uneheliches Kind zur Welt bringt. Im Gegensatz zur Schleiferbärbel, die im Gefängnis an ihrem Schicksal zerbricht, trotzt die Tübinger Professorentochter gesellschaftlichen Widrigkeiten und wird am Ende ihres Lebens als "schwäbische Geistesmutter" gefeiert: ihre amourösen "Fehltritte" sorgten nämlich für Nachkommen, bei denen sich Hoch- und Höchstbegabungen häuften. Sie heißen unter anderem Friedrich Hölderlin, Ludwig Uhland, Friedrich Schelling, Wilhelm Hauff und Ottilie Wildermuth.
Danke Dorothea Keuler, fürs Recherchieren und für elf Paar-Portraits, die nicht nur berühren, sondern ungewöhnlich intime Seiten unserer Landesgeschichte aufschlagen.