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Fünf Tage hat der Protagonist in Peter Hennings neuer Erzählung Zeit, sein Leben zu bilanzieren, fünf Tage, in denen er allein in dem spanischen Provinzstädtchen Cunit auf die Rückkehr seiner Frau wartet, der er eigentlich hinterherreisen wollte. Wo sie sich jetzt gerade aufhält und mit wem, darüber kann ihm der Verwalter der Urlaubswohnung keine Auskunft geben, so bleibt nur: warten, bangen, spekulieren, sich die Zeit vertreiben. Hellwach und zugleich traumverloren erkundet der Ruhelose die Umgebung, trifft Einheimische, treibt sich in den Kneipen herum. Aber alles, was er erlebt, ruft Bilder…mehr

Produktbeschreibung
Fünf Tage hat der Protagonist in Peter Hennings neuer Erzählung Zeit, sein Leben zu bilanzieren, fünf Tage, in denen er allein in dem spanischen Provinzstädtchen Cunit auf die Rückkehr seiner Frau wartet, der er eigentlich hinterherreisen wollte. Wo sie sich jetzt gerade aufhält und mit wem, darüber kann ihm der Verwalter der Urlaubswohnung keine Auskunft geben, so bleibt nur: warten, bangen, spekulieren, sich die Zeit vertreiben. Hellwach und zugleich traumverloren erkundet der Ruhelose die Umgebung, trifft Einheimische, treibt sich in den Kneipen herum. Aber alles, was er erlebt, ruft Bilder der Vergangenheit in ihm auf. Nicht nur die Ehe mit Kristina ist fragwürdig geworden; der eigene Lebensentwurf, ebenso derjenige der Freunde, die Beziehungen zu anderen Menschen überhaupt - alles wird in diesen Frühsommertagen einer radikalen Revision unterzogen. Und endlich hat der auf sich selbst zurückgeworfene Mann Gelegenheit, der Geschichte seines Vaters nachzufragen. Die Erinnerungen an den vor einiger Zeit Verstorbenen, der hart gegen das Leben war, bis das Leben hart gegen ihn war, geraten zu einer kaum versteckten Liebeserklärung. So ist Peter Hennings Erzählung von einer gefährdeten Liebe nicht zuletzt auch ein Vater-Sohn-Buch.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2000

Graue Theorie
Peter Henning zieht alle Farbe aus dem Leben

Alles ist eitel: Mit zwanzig weiß man das längst, mit dreißig macht man selbst mit bei der Schlacht am Buffet, und mit vierzig verzweifelt man daran. "Jede Veränderung bedeutete Zerfall und war nichts anderes als eine Vorstufe des Todes", stellt auch der Held aus Peter Hennings zweitem Buch schon im zarten Alter von zehn Jahren fest. Knapp drei Jahrzehnte später hat sein Motto ihn eingeholt: Paul ist "aus der Spur", wie das runde Bändchen titelt. Der Vater ist tot, der Job öde, die Frau davongelaufen.

"Ich will nicht mit dir sprechen, aber ich will, daß du weißt, daß ich nicht zurückkomme", hatte sie Paul aufs Band gesprochen. Jetzt hat er selbst seine Sachen gepackt und ist ihr hinterhergeflogen, nach Cunit, eine Ferienwüste mit "Libanon-Charme" an der Costa Brava. Dort wühlt er sich während fünf kalter Junitage durch seine Vergangenheit: Hölle draußen, Hölle im Kopf. "Cunit - das war der Strand, ein kleiner, zugiger Bahnhof, eine Handvoll trister Bars, ein Supermarkt, eine Tankstelle samt Autowaschanlage". Cunit - das ist Pauls ganzes Leben. Verschimmelnde Katzen, denen Ameisen unters zerfetzte Lid krabbeln, ein träger Hund neben einem Alten, dessen Tage gezählt sind: Alles raunt vom Sterben.

Und plötzlich sieht er seinen gehaßten Vater wieder vor sich, der vor sieben Jahren zum krebskranken Gnom verkümmerte. Mit seiner Sauferei, seinen Sprüchen hatte der Alte ihm das Leben vergällt, bevor es überhaupt begonnen hatte. Dann fraß ihn die Krankheit, und übrig blieb ein "Strichmännchen" mit weißen Bläschen auf der Innenseite der Unterlippe. Jetzt versteht Paul, wieso sein Vater so süchtig nach Filmen und Fotoalben war: "ohne Fotos ist es weg". Paul selbst hält es mehr mit den Feldstechern: Mit seiner Hunter 8×30 starrt er mal aufs Meer, mal auf den verstaubten Paseo, wo eine eisschleckende Kleine alles um sich herum vergißt, bis ihr das klebrige Zeug vom Holzstengel rutscht und auf den Boden klatscht. Ende der Seligkeit, für alle.

Der 1959 geborene Peter Henning kultiviert seine Tristesse im Treibhaus wie aufgeblähte Gentomaten. Da gibt es kaum ein Motiv, das nicht das schnöde Grau des Daseins bejammert, vom Zigarettenstummel in der Kloschüssel bis zu den Schuppen auf den Schultern des Arztes, der die Krebsdiagnose stellt. Fehlt nur noch der romantische Doppelgänger. Und da kommt er auch schon: Der mysteriöse "Mister Paul" ist in der gekachelten Toilette von Pepes Bar zusammengebrochen. Exitus, grünliche Gesichtsfarbe, eingefallene Wangen.

Als Zehnjähriger weiß Paul, wie's um die Welt bestellt ist - und älter geworden ist er eigentlich nie. Kein Wunder, daß seine Ehe mit Kristina sich erst müdegekämpft, dann totgelaufen hat: Nach mehr als neun Jahren sind nicht einmal mehr der Schlag ins Gesicht, die Retourkutsche mit dem Bügeleisen und der Sex danach ein Kick. Trotzdem will Paul seine Kristina wiederhaben. "Und obwohl Maria mich fest umschlungen hielt, blieb das Gefühl, daß es keine Erlösung für mich geben würde." Maria ist die junge, federnde Frau von nebenan, die (wieder grinst ein Doppelgänger) vor ihrem Mann geflüchtet ist, der sie schlägt. "Der Wein quoll ihr wie Blut aus dem Mund", und weil alles unabänderlich ist, wird sie schließlich zu ihrem Ehemann zurückkehren. Und Paul in seine leere Frankfurter Wohnung. Es ist einfach alles zuviel: Tod, Vatergeschichte, Ehedrama füllen die wenigen Seiten mit verbrauchten Motiven. Was eine schöne, leise Erzählung über Verpaßtes hätte werden können (und bisweilen auch ist), quillt über, wie schon Hennings Romandebüt "Tod eines Eisvogels" (1997).

ALEXANDRA M. KEDVES

Peter Henning: "Aus der Spur". Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2000. 124 S., br., 14,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Alexandra M. Kedves kann diesem Roman nicht viel abgewinnen. Ihrer Ansicht nach ist es dem Autor nicht gelungen, "eine schöne, leise Erzählung über Verpasstes" zu schreiben, wofür sie in erster Linie die Überladenheit verantwortlich macht. Denn für so eine kurze Geschichte sind die Themen, wie sie findet, einerseits zu groß, andererseits auch zu "verbraucht": Vater-Sohn-Konflikt, Tod des Vaters, eine gescheiterte Ehe. Auch der durchgängige Grauton des Buchs stört sie, die Litaneien, die selbst vor einem "Zigarettenstummel in der Kloschüssel" nicht halt machen.

© Perlentaucher Medien GmbH