Mitternachtsgesellschaft sollte der Roman heißen, den Ludwig Hohl über das Bohèmeleben im Paris der zwanziger Jahre schreiben wollte. Träumer, Trinker, Schnorrer, verkannte Literaten, Künstler, die unterhalb der Armutsgrenze leben, sich allabendlich in immer denselben Cafés, Restaurants und Bars am Montparnasse treffen und von dort aus ihre Streifzüge in die übler beleumundeten Viertel antreten - Ludwig Hohl war als Beobachter unter ihnen. In Heften, die in seinem Nachlaß gefunden wurden, schildert er die nächtlichen Pariser Begegnungen mit klarem Blick, zuweilen auch ironisch und sarkastisch, und bekundet dabei ein außergewöhnliches Gespür für Menschliches, Zwischenmenschliches, Allzumenschliches. Ein geschlossener Roman ist nie daraus geworden. Hohls Vorsatz, beim Schreiben stets die übersicht zu behalten und Autobiographisches auszuklammern, wird bald hinweggefegt: Was ihm zustößt, überfordert ihn, sprengt sein erzählerisches Ich, verweigert sich der konventionellen Romanform.
Aus der Tiefsee gibt Einblick in die Atmosphäre im Paris der zwanziger Jahre und in die Seelenlandschaft eines jungen Autors, seine unbedingte Wahrheitsliebe, seine Wünsche und ängste, seinen moralischen Rigorismus, der immer wieder Schiffbruch erleidet, und in seine besondere Auffassung von Sünde.
Aus der Tiefsee gibt Einblick in die Atmosphäre im Paris der zwanziger Jahre und in die Seelenlandschaft eines jungen Autors, seine unbedingte Wahrheitsliebe, seine Wünsche und ängste, seinen moralischen Rigorismus, der immer wieder Schiffbruch erleidet, und in seine besondere Auffassung von Sünde.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Peter Hamm verbindet die Besprechung zweier Bücher von Ludwig Hohl mit einem ausführlichen Porträt des 1904 in der Schweiz geborenen Dichters. Ein charmanter Zeitgenosse war Hohl wohl nicht. Hamm beschreibt ihn als "erschreckend schroff", mit einem "hochfahrenden Wesen", pathetisch, humorlos und mit einem "Hang zum Superlativismus und zum Hierarchisieren". Der Sohn eines Pfarrers war ein Außenseiter, der vorzeitig vom Gymnasium verwiesen wurde, weil er "zu viel über Frauen, Zigaretten und Nietzsche" gesprochen habe. Dennoch, versichert Hamm, war Hohl ein begnadeter Schriftsteller, neben Valery "der größte Schriftsteller ohne Werk". Hinterlassen hat er nämlich keine Romane, Erzählungen oder Gedichte, sondern einen riesigen "Gedanken-Steinbruch" aus Notizen, Skizzen, Porträts und Traum-Notaten. Die Tagebuchaufzeichnungen "Aus der Tiefsee. Paris 1926" geben einen guten Einblick in Hohls "Unversöhnlichkeit", schreibt Hamm. Hauptschauplatz sei "La Rotonde", ein Cafe in Montparnasse. Von dort aus unternahm Hohl mit den Bohemiens jede Nacht Exkursionen in die Banlieue oder verschiedene Pariser Arrondissements. Keine Berühmtheiten tauchen hier auf, schreibt Hamm. Weder Picasso noch Blaise Cendrars oder Alberto Giacometti, die zur gleichen Zeit im Rotonde verkehrten, werden erwähnt. Hohls Kumpane sind Unbekannte, "Möchtegernkünstler", deren Geplapper er jeden Morgen nach seiner Heimkehr "in rasender Eile" aufs Papier warf. "So überscharf gesehen, bekommt die Realität etwas irritierend Surreales", findet Hamm.
© Perlentaucher Medien GmbH
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