'Ich weiß um die Vergänglichkeit jedes Abends - aber sie erfüllt mich mit Stolz.'Vor 50 Jahren hatte Elisabeth Orth ihr Debüt am Burgtheater in Wien. Sie spielte damals, nach Stationen in Ulm und München, die Luise in Schillers "Kabale und Liebe". Seither hat sie an diesem Haus viele Dutzend klassische wie moderne Rollen gestaltet, ist Ehrenmitglied und seine Doyenne. Das Burgtheater ohne Orth? Kaum vorstellbar.Dabei hat es sich die Tochter der großen Bühnenstars Paula Wessely und Attila Hörbiger nicht leicht gemacht mit ihrer Berufswahl. Wie die Katze schlich sie um den heißen Brei, ehe sie den skeptischen Eltern erklärte, dass sie sich am Max Reinhardt Seminar beworben habe und auch genommen worden sei.In ihren Erinnerungen erzählt Elisabeth Orth über ihre Familie, ihre Kindheit im Krieg, ihre Jugend in der Nachkriegszeit, über die Jahre in Deutschland und die zweimalige Rückkehr nach Wien. Ganz nah kommt der Leser ihr in diesen Erzählungen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.2015Ein Achtel Weißen für Königin Elisabeth
Da wäre eine CD als Beigabe nicht schlecht gewesen: Die Wiener Schauspielerin Elisabeth Orth, Tochter aus berühmter Familie, erzählt von ihrem Leben und ihrer langen Zeit am Burgtheater.
Die Schauspielerin Elisabeth Orth ist in Österreich seit Jahrzehnten eine Institution - als große Künstlerin am Wiener Burgtheater, dessen Ehrenmitglied sie seit 2014 ist, und als politisch wache Staatsbürgerin, die sich gegen Antisemitismus und Rassismus engagiert. Als sie etwa gegen den durch seine Wehrmachtsvergangenheit vorbelasteten Bundeskanzler Kurt Waldheim auf die Straße ging, empfahlen ihr "einige Bekannte aus der ÖVP", für die er 1985 kandidiert hatte: "Nicht so laut!" Elisabeth Orth indes antwortete kühl: "Wie demonstriert man leise?"
Derlei Deutlichkeit ist in Österreich, wo man allgemein lieber durch die Blume als Klartext redet, ungewöhnlich. Erst recht, wenn man aus einer so berühmten Familie wie sie stammt - schließlich war sie das erste Kind des allseits bekannten und verehrten Schauspielerehepaares Paula Wessely und Attila Hörbiger. Um nicht als "die Tochter von ..." zu gelten, machte sie sich mit allen Mitteln selbständig, nahm den Namen ihrer Großmutter mütterlicherseits an, heiratete überstürzt, zog weg. Elisabeth Orth trat in Ulm in Inszenierungen von Kurt Hübner oder Peter Zadek auf, arbeitete am Residenztheater München bei Hans Lietzau, Kurt Meisel oder Helmut Henrichs, ein paar Jahre an der Berliner Schaubühne, wo ihre Zusammenarbeit mit der Regisseurin Andrea Breth begann, und ist seit 1969 mit kürzeren Unterbrechungen am Burgtheater tätig. Sie mag es nicht als ihre Heimat bezeichnen, "dazu ist mir dieses Wort zu belastet", aber zumindest ist es ihr "ein Fantasiehafen".
Nun hat diese "Träumerin", als die sich Elisabeth Orth "schon immer" erkannte, ihre Lebenserinnerungen unter dem Titel "Aus euch wird nie was" - eine resignierte Redewendung ihrer Mutter zu den drei manchmal unartigen Töchtern - dem Journalisten Norbert Mayer anvertraut. Der Duktus des Gesprochenen wurde in dem nach thematischen Kapiteln geordneten Fließtext - ohne eingeschobene Fragen - weitgehend beibehalten. Man kann Elisabeth Orth mit ihrer unverwechselbaren Sprachkunst mitunter fast hören. Gewidmet hat sie diese Memoiren ihrem Enkel, dem kleinen Sohn des Schauspielers Cornelius Obonya, Spross aus ihrer Ehe mit dem Schauspieler Hanns Obonya.
Das verleiht ihrem Rückblick vielleicht die milde, kindgerechte und erstaunlich salomonische Tonlage. Es ist vor allem eine liebevoll-warmherzige, auch amüsante Familiengeschichte geworden, in die sich natürlich die Theatergeschichte mischt, über die jedoch leider nicht anders, also vorwiegend privat und anekdotisch, berichtet wird. Gern hätte man Zusätzliches und Profundes über ihre Rolleninterpretationen gewusst, über die Hintergründe von bestimmten Inszenierungen und über die Erfahrungen mit ihren sehr unterschiedlichen Regisseuren - also mehr aus der Perspektive der Künstlerin, weniger aus der Perspektive der Großmutter gelesen.
Berührend sind die Schilderungen, wie es unter einem Dach mit dem generösen, unbeschwerten Vater zuging und mit dem perfektionistischen, stets hohe Maßstäbe anlegenden "Mütterchen" (und dessen mitunter tiefen Depressionen, die zu Klinikaufenthalten führten, was hier allerdings nicht steht). Ausgiebig behandelt Elisabeth Orth den NS-Propagandafilm "Heimat" (1941), in dem ihre Eltern mitwirkten und der den Ruf zumal ihrer Mutter nachdrücklich beschädigte. Diese Offenheit verdient Respekt und hilft, die Verwicklungen zwischen Nazi-Regime und Filmstars besser zu begreifen.
Phasenweise spricht Elisabeth Orth klar und interessant über ihr Handwerk, etwa über gefürchtete Probleme mit der Stimme, berichtet von der schmerzhaften Prozedur, wenn ihr nach "Maria Stuart"-Vorstellungen die Glatze abgerissen wurde, die sie zu Beginn aufgeklebt bekam, um "aus der niederen Hörbiger-Stirn der Orth eine hohe Tudor-Stirn (der Elisabeth I.)" zu machen - weshalb ihr die mitfühlende Maskenbildnerin stets "ein tröstliches Achtel Weißen aus der Kantine" mitbrachte. Sie gesteht, dass sie Kleist und Lessing liebt, zu den Wiener Lokalgranden Raimund und Nestroy hingegen kaum Zugang habe. Dann freilich finden sich Passagen, die durch den herrlich erdigen, vollmundig unsentimentalen Orth-Sound im Gespräch vermutlich eindrucksvoll klangen, auf Papier hingegen eher blass erscheinen: "Eine gute Maske ist eine Freude: Ich soll mich verwandeln, ich darf mich verwandeln, hoffentlich verwandle ich mich gut. Wenn ich mich im Spiegel sehe, bin das zwar ich, aber eben verwandelt."
Das eigentlich sorgfältig gestaltete Buch enthält zahlreiche schöne Fotos, liest sich flüssig - und wird der grandiosen Bühnenkünstlerin trotzdem nicht wirklich gerecht: Inhaltlich hat es zu wenig Tiefe, und redigiert ist es zu schludrig. Wortwiederholungen häufen sich, wie sie beim Sprechen üblich, bei der Lektüre hingegen lästig sind. Einzelnes ist auf den Wiener Kosmos beschränkt und wird nicht erläutert, obwohl die Buchhandlung Prachner oder das Luxushotel Bristol nicht jedermann geläufig sein können. Es gibt ein Rollen- und Personenverzeichnis, doch keinen biographischen Abriss, und nur auf dem Schutzumschlag ist vermerkt, wann Elisabeth Orth eigentlich geboren wurde: nämlich 1936 in Wien. Insgesamt bleibt vieles offen, und manche verständige Nachfrage wäre nicht despektierlich, sondern erhellend gewesen - gerade für die Enkelgeneration.
IRENE BAZINGER.
Elisabeth Orth: "Aus euch wird nie was". Erinnerungen. Aufgezeichnet von Norbert Mayer.
Amalthea Signum Verlag, Wien 2015. 256 S., Abb., geb., 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Da wäre eine CD als Beigabe nicht schlecht gewesen: Die Wiener Schauspielerin Elisabeth Orth, Tochter aus berühmter Familie, erzählt von ihrem Leben und ihrer langen Zeit am Burgtheater.
Die Schauspielerin Elisabeth Orth ist in Österreich seit Jahrzehnten eine Institution - als große Künstlerin am Wiener Burgtheater, dessen Ehrenmitglied sie seit 2014 ist, und als politisch wache Staatsbürgerin, die sich gegen Antisemitismus und Rassismus engagiert. Als sie etwa gegen den durch seine Wehrmachtsvergangenheit vorbelasteten Bundeskanzler Kurt Waldheim auf die Straße ging, empfahlen ihr "einige Bekannte aus der ÖVP", für die er 1985 kandidiert hatte: "Nicht so laut!" Elisabeth Orth indes antwortete kühl: "Wie demonstriert man leise?"
Derlei Deutlichkeit ist in Österreich, wo man allgemein lieber durch die Blume als Klartext redet, ungewöhnlich. Erst recht, wenn man aus einer so berühmten Familie wie sie stammt - schließlich war sie das erste Kind des allseits bekannten und verehrten Schauspielerehepaares Paula Wessely und Attila Hörbiger. Um nicht als "die Tochter von ..." zu gelten, machte sie sich mit allen Mitteln selbständig, nahm den Namen ihrer Großmutter mütterlicherseits an, heiratete überstürzt, zog weg. Elisabeth Orth trat in Ulm in Inszenierungen von Kurt Hübner oder Peter Zadek auf, arbeitete am Residenztheater München bei Hans Lietzau, Kurt Meisel oder Helmut Henrichs, ein paar Jahre an der Berliner Schaubühne, wo ihre Zusammenarbeit mit der Regisseurin Andrea Breth begann, und ist seit 1969 mit kürzeren Unterbrechungen am Burgtheater tätig. Sie mag es nicht als ihre Heimat bezeichnen, "dazu ist mir dieses Wort zu belastet", aber zumindest ist es ihr "ein Fantasiehafen".
Nun hat diese "Träumerin", als die sich Elisabeth Orth "schon immer" erkannte, ihre Lebenserinnerungen unter dem Titel "Aus euch wird nie was" - eine resignierte Redewendung ihrer Mutter zu den drei manchmal unartigen Töchtern - dem Journalisten Norbert Mayer anvertraut. Der Duktus des Gesprochenen wurde in dem nach thematischen Kapiteln geordneten Fließtext - ohne eingeschobene Fragen - weitgehend beibehalten. Man kann Elisabeth Orth mit ihrer unverwechselbaren Sprachkunst mitunter fast hören. Gewidmet hat sie diese Memoiren ihrem Enkel, dem kleinen Sohn des Schauspielers Cornelius Obonya, Spross aus ihrer Ehe mit dem Schauspieler Hanns Obonya.
Das verleiht ihrem Rückblick vielleicht die milde, kindgerechte und erstaunlich salomonische Tonlage. Es ist vor allem eine liebevoll-warmherzige, auch amüsante Familiengeschichte geworden, in die sich natürlich die Theatergeschichte mischt, über die jedoch leider nicht anders, also vorwiegend privat und anekdotisch, berichtet wird. Gern hätte man Zusätzliches und Profundes über ihre Rolleninterpretationen gewusst, über die Hintergründe von bestimmten Inszenierungen und über die Erfahrungen mit ihren sehr unterschiedlichen Regisseuren - also mehr aus der Perspektive der Künstlerin, weniger aus der Perspektive der Großmutter gelesen.
Berührend sind die Schilderungen, wie es unter einem Dach mit dem generösen, unbeschwerten Vater zuging und mit dem perfektionistischen, stets hohe Maßstäbe anlegenden "Mütterchen" (und dessen mitunter tiefen Depressionen, die zu Klinikaufenthalten führten, was hier allerdings nicht steht). Ausgiebig behandelt Elisabeth Orth den NS-Propagandafilm "Heimat" (1941), in dem ihre Eltern mitwirkten und der den Ruf zumal ihrer Mutter nachdrücklich beschädigte. Diese Offenheit verdient Respekt und hilft, die Verwicklungen zwischen Nazi-Regime und Filmstars besser zu begreifen.
Phasenweise spricht Elisabeth Orth klar und interessant über ihr Handwerk, etwa über gefürchtete Probleme mit der Stimme, berichtet von der schmerzhaften Prozedur, wenn ihr nach "Maria Stuart"-Vorstellungen die Glatze abgerissen wurde, die sie zu Beginn aufgeklebt bekam, um "aus der niederen Hörbiger-Stirn der Orth eine hohe Tudor-Stirn (der Elisabeth I.)" zu machen - weshalb ihr die mitfühlende Maskenbildnerin stets "ein tröstliches Achtel Weißen aus der Kantine" mitbrachte. Sie gesteht, dass sie Kleist und Lessing liebt, zu den Wiener Lokalgranden Raimund und Nestroy hingegen kaum Zugang habe. Dann freilich finden sich Passagen, die durch den herrlich erdigen, vollmundig unsentimentalen Orth-Sound im Gespräch vermutlich eindrucksvoll klangen, auf Papier hingegen eher blass erscheinen: "Eine gute Maske ist eine Freude: Ich soll mich verwandeln, ich darf mich verwandeln, hoffentlich verwandle ich mich gut. Wenn ich mich im Spiegel sehe, bin das zwar ich, aber eben verwandelt."
Das eigentlich sorgfältig gestaltete Buch enthält zahlreiche schöne Fotos, liest sich flüssig - und wird der grandiosen Bühnenkünstlerin trotzdem nicht wirklich gerecht: Inhaltlich hat es zu wenig Tiefe, und redigiert ist es zu schludrig. Wortwiederholungen häufen sich, wie sie beim Sprechen üblich, bei der Lektüre hingegen lästig sind. Einzelnes ist auf den Wiener Kosmos beschränkt und wird nicht erläutert, obwohl die Buchhandlung Prachner oder das Luxushotel Bristol nicht jedermann geläufig sein können. Es gibt ein Rollen- und Personenverzeichnis, doch keinen biographischen Abriss, und nur auf dem Schutzumschlag ist vermerkt, wann Elisabeth Orth eigentlich geboren wurde: nämlich 1936 in Wien. Insgesamt bleibt vieles offen, und manche verständige Nachfrage wäre nicht despektierlich, sondern erhellend gewesen - gerade für die Enkelgeneration.
IRENE BAZINGER.
Elisabeth Orth: "Aus euch wird nie was". Erinnerungen. Aufgezeichnet von Norbert Mayer.
Amalthea Signum Verlag, Wien 2015. 256 S., Abb., geb., 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main