Produktdetails
- Verlag: Drava
- Seitenzahl: 248
- Deutsch
- Abmessung: 210mm x 130mm
- Gewicht: 452g
- ISBN-13: 9783854352792
- Artikelnr.: 24592902
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.03.1998Das Manifest des Knechts
Prozession der Enterbten: Erzählungen von Ivan Cankar, dem bedeutendsten Prosaisten Sloweniens · Von Ulrich Weinzierl
Ivan Cankar ist nur zweiundvierzig Jahre alt geworden. Er starb im Dezember 1918 an Erschöpfung, kurz nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie. Der Traum des slowenischen Patrioten von einem eigenem südslawischen Reich hatte sich erfüllt. Indes ist das nationale Interesse des ungemein fruchtbaren Schriftstellers - sein OEuvre umfaßt dreißig Bände - untrennbar mit dem gesellschaftspolitischen verbunden gewesen.
Cankar war engagierter Sozialist und bewarb sich anno 1907 vergeblich um einen Sitz im österreichischen Reichsrat. Seine berühmteste Novelle, "Der Knecht Jernej und sein Recht", diente ihm gleichsam als Agitationsbroschüre im Wahlkampf. Ein Kritiker bezeichnete den Text als "Umdichtung des Kommunistischen Manifests". Gleichwohl kennt man Ivan Cankar außerhalb Sloweniens, wo er als des Landes bedeutendster Prosaist verehrt wird, nicht wirklich. Gewiß, sein Name fand Eingang in die Lexika der Weltliteratur. Doch gelesen wird sein Werk kaum.
Eine neue, 1994 begonnene Ausgabe des Klagenfurter Drava Verlags in der Übersetzung von Erwin Köstler zeigt, wie unverdient solche Geringschätzung ist. Bisher sind ein Roman und zwei Sammlungen mit sozialkritischen Skizzen erschienen, die alle während Cankars langjährigem Aufenthalt in Wien entstanden. Der jüngste Band, "Aus fremdem Leben", hebt mit einigen knappen Tiergeschichten an. Genauer gesagt: mit Parabeln von den Qualen, die Menschen Tieren zufügen. Auch hier herrschen Unterdrückung und Ausbeutung, Gleichgültigkeit und Sadismus. Ivan Cankar leiht dem Schrei der mißhandelten Kreatur seine poetische Stimme, ohne dem Kitsch zu verfallen. In der größeren Erzählung "Tod und Begräbnis des Jakob Unglück" schildert der Autor eine von Anbeginn zum Scheitern verurteilte Existenz: Der Ausgestoßene hat nicht die geringste Chance. Bloß als Leiche führt er eine Prozession der Enterbten an.
Ivan Cankars Meisterstück aber bleibt die im Jahr 1907 entstandene Erzählung "Der Knecht Jernej und sein Recht". Nach vierzig langen Jahren, in denen Jernej den Besitz seines Herrn redlich gepflegt und gemehrt hat, jagt ihn der Sohn des alten Bauern vom Hof. Das will nicht in Jernejs Kopf, und so stößt er ihn sich wund. Denn irgendwo auf der Welt muß es ja das Recht geben, wenn nicht in Ljubljana, dann in der fernen Metropole beim Kaiser.
Naturgemäß gelangt Jernej nie bis in die Hofburg. In sein Heimatdorf zurückgekehrt, setzt er das Anwesen in Brand, wird erschlagen und in die Flammen geworfen. Schlicht und mit biblischem Pathos erzählt Cankar diese unfromme Legende. Kunstvolle Wiederholung eines einzigen Themas steigert die Wirkung außerordentlich. Nicht Mitleid zu wecken ist das Ziel dieses Schriftstellers gewesen, sondern Empörung. Ivan Cankar erreicht es auch heute noch.
Ivan Cankar: "Aus fremdem Leben". Erzählungen und Novellen. Aus dem Slowenischen übersetzt und mit einem Nachwort von Erwin Köstler. Drava Verlag, Klagenfurt 1997. 250 S., geb., 39,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Prozession der Enterbten: Erzählungen von Ivan Cankar, dem bedeutendsten Prosaisten Sloweniens · Von Ulrich Weinzierl
Ivan Cankar ist nur zweiundvierzig Jahre alt geworden. Er starb im Dezember 1918 an Erschöpfung, kurz nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie. Der Traum des slowenischen Patrioten von einem eigenem südslawischen Reich hatte sich erfüllt. Indes ist das nationale Interesse des ungemein fruchtbaren Schriftstellers - sein OEuvre umfaßt dreißig Bände - untrennbar mit dem gesellschaftspolitischen verbunden gewesen.
Cankar war engagierter Sozialist und bewarb sich anno 1907 vergeblich um einen Sitz im österreichischen Reichsrat. Seine berühmteste Novelle, "Der Knecht Jernej und sein Recht", diente ihm gleichsam als Agitationsbroschüre im Wahlkampf. Ein Kritiker bezeichnete den Text als "Umdichtung des Kommunistischen Manifests". Gleichwohl kennt man Ivan Cankar außerhalb Sloweniens, wo er als des Landes bedeutendster Prosaist verehrt wird, nicht wirklich. Gewiß, sein Name fand Eingang in die Lexika der Weltliteratur. Doch gelesen wird sein Werk kaum.
Eine neue, 1994 begonnene Ausgabe des Klagenfurter Drava Verlags in der Übersetzung von Erwin Köstler zeigt, wie unverdient solche Geringschätzung ist. Bisher sind ein Roman und zwei Sammlungen mit sozialkritischen Skizzen erschienen, die alle während Cankars langjährigem Aufenthalt in Wien entstanden. Der jüngste Band, "Aus fremdem Leben", hebt mit einigen knappen Tiergeschichten an. Genauer gesagt: mit Parabeln von den Qualen, die Menschen Tieren zufügen. Auch hier herrschen Unterdrückung und Ausbeutung, Gleichgültigkeit und Sadismus. Ivan Cankar leiht dem Schrei der mißhandelten Kreatur seine poetische Stimme, ohne dem Kitsch zu verfallen. In der größeren Erzählung "Tod und Begräbnis des Jakob Unglück" schildert der Autor eine von Anbeginn zum Scheitern verurteilte Existenz: Der Ausgestoßene hat nicht die geringste Chance. Bloß als Leiche führt er eine Prozession der Enterbten an.
Ivan Cankars Meisterstück aber bleibt die im Jahr 1907 entstandene Erzählung "Der Knecht Jernej und sein Recht". Nach vierzig langen Jahren, in denen Jernej den Besitz seines Herrn redlich gepflegt und gemehrt hat, jagt ihn der Sohn des alten Bauern vom Hof. Das will nicht in Jernejs Kopf, und so stößt er ihn sich wund. Denn irgendwo auf der Welt muß es ja das Recht geben, wenn nicht in Ljubljana, dann in der fernen Metropole beim Kaiser.
Naturgemäß gelangt Jernej nie bis in die Hofburg. In sein Heimatdorf zurückgekehrt, setzt er das Anwesen in Brand, wird erschlagen und in die Flammen geworfen. Schlicht und mit biblischem Pathos erzählt Cankar diese unfromme Legende. Kunstvolle Wiederholung eines einzigen Themas steigert die Wirkung außerordentlich. Nicht Mitleid zu wecken ist das Ziel dieses Schriftstellers gewesen, sondern Empörung. Ivan Cankar erreicht es auch heute noch.
Ivan Cankar: "Aus fremdem Leben". Erzählungen und Novellen. Aus dem Slowenischen übersetzt und mit einem Nachwort von Erwin Köstler. Drava Verlag, Klagenfurt 1997. 250 S., geb., 39,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main