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In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Deutschland setzte zu Beginn der sechziger Jahre eine deutliche Änderung des vergangenheitspolitischen Klimas ein. Wie dabei der erste Frankfurter Auschwitz-Prozeß als wichtigster Versuch einer strafrechtlichten Verfolgung der NS-Verbrechen einen Wendepunkt kennzeichnet, so markiert als dessen Pendant Peter Weiss' weitgehend auf Aussagen des Frankfurter Prozesses beruhendes Theaterstück 'Die Ermittlung' eine einschneidende Zäsur.
Im Unterschied zu vorangegangenen, von einer größeren Öffentlichkeit in Deutschland wahrgenommenen
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Produktbeschreibung
In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Deutschland setzte zu Beginn der sechziger Jahre eine deutliche Änderung des vergangenheitspolitischen Klimas ein. Wie dabei der erste Frankfurter Auschwitz-Prozeß als wichtigster Versuch einer strafrechtlichten Verfolgung der NS-Verbrechen einen Wendepunkt kennzeichnet, so markiert als dessen Pendant Peter Weiss' weitgehend auf Aussagen des Frankfurter Prozesses beruhendes Theaterstück 'Die Ermittlung' eine einschneidende Zäsur.

Im Unterschied zu vorangegangenen, von einer größeren Öffentlichkeit in Deutschland wahrgenommenen Versuchen, die nationalsozialistischen Verbrechen in der Literatur, auf dem Theater oder im Film zu thematisieren, stand mit dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz der nationalsozialistische Massenmord nun im Zentrum der Ermittlung, die in der sich wandelnden vergangenheitspolitischen Atmosphäre eine katalysatorische Wirkung entfaltete, wie sich an ihrer bis dahin einzigartigen Resonanz erweist. Gleichzeitig uraufgeführt am 19. Oktober 1965 in vierzehn Städten der Bundesrepublik und der DDR, erschienen in den Wochen zuvor und danach in den Zeitungen West- und Ostdeutschlands etwa tausend Artikel zu Weiss und seinem Drama, das von allen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik und der DDR in Hörspielfassungen gesendet, bald auch im Fernsehen gezeigt wurde und angesichts der damaligen Möglichkeiten eine optimale Verbreitung fand.

Die Ermittlung steht damit am Anfang jener eruptiven Medienereignisse, deren Stichworte in den späteren Jahrzehnten "Holocaust" und "Schindlers Liste" lauteten und die sich in immer kürzeren Wellenbewegungen bis in die Gegenwart fortsetzen ("Wehrmachtsausstellung", "Goldhagen", "Berliner Mahnmal", "Sonntagsrede"). Die Diskussion um die Ermittlung war nicht nur die erste dieser Debatten, in denen Auschwitz als ein zentrales bewußtseinsgeschichtliches Element der deutschen Gesellschaft zunehmend deutlicher erkennbar wurde, sie war auch die einzige, die aufgrund der besonderen Rezeptionsumstände zur gleichen Zeit und aus dem gleichen Anlaß in beiden Teilen Deutschlands geführt wurde. Die vorliegende Studie ist den vier eng miteinander verbundenen Fragen gewidmet, unter welchen Umständen der 1934 als "Halbjude" emigrierte Schriftsteller Peter Weiss in den frühen sechziger Jahren mit seinen Texten nach Deutschland zurückkehrte, wie sein Drama Die Ermittlung im Kontext seines "Divina-Commedia"-Projektes entstand, auf welche Weise der Autor, sein Stück und damit das Thema Auschwitz zwischen die Fronten des Kalten Krieges gerieten und wie diese deutsch-deutsche Debatte des Jahres 1965 verlief. Die Untersuchung im ersten Band basiert vor allem auf ungedruckten Quellen, besonders aus dem Nachlaß des Autors und aus dem SAPMO-Bundesarchiv, und wertet u.a. erstmals Weiss' Korrespondenz sowie die auf Weiss und die Ermittlung bezogenen Akten der DDR-Kulturbürokratie aus. Der zweite Band bietet eine breite Auswahl aus den Rezeptionszeugnissen, die 1965 in den west- und ostdeutschen Medien zu Peter Weiss und seiner Ermittlung erschienen. Die Rekonstruktion von Weiss' schriftstellerischer und politischer Entwicklung und der Diskussionen über die Ermittlung in der Bundesrepublik und in der DDR versteht sich als literaturhistorischer Beitrag zur genaueren Kenntnis zweier zentraler Aspekte der deutschen Nachkriegsgeschichte, die sich an Peter Weiss, seiner Ermittlung und den westöstlichen Kontroversen exemplarisch studieren lassen: der Kalte Krieg im geteilten Deutschland und der Umgang mit der NS-Vergangenheit.

Zum Autor/Herausgeber: Christoph Weiß lehrt als Hochschuldozent am Seminar für deutsche Philologie der Universität Mannheim.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte eines literarischen Werkes kann spannend sein wie ein Kriminalroman, weiß Martin Krumbholz und sieht sich mit dieser Behauptung im vorliegenden Fall absolut bestätigt. Denn die Aufnahme von Peter Weiss' Auschwitz-Oratorium "Die Ermittlung" geriet Mitte der 60er-Jahre in den Mechanismus des Kalten Krieges, der im Westen alles, was sich zum Kommunismus bekannte, verteufelte und im Osten wiederum triumphierend und propagandistisch vereinnahmt wurde, berichtet der Rezensent. Minutiös arbeite der Autor namens Weiss (bloß ein Namensvetter?), der mit diesem zweibändigen Werk seine Habilitationsschrift vorlegt, die prompten und so vorhersehbaren Reaktionen heraus, die auf Weiss' angebliche Konversion zum Kommunismus erfolgten. Selten lasse sich wohl so exemplarisch die schematische Einordnung eines Kunstwerkes infolge des Kalten Krieges nachvollziehen, die den literarischen Wert des Textes vollständig ins Hintertreffen geraten ließ, stellt Krumbholz fest.

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