Marktplatzangebote
7 Angebote ab € 3,80 €
  • Broschiertes Buch

Der "Auschwitz-Prozeß", der in den Jahren 1963-1965 in Frankfurt am Main stattgefunden hat, befaßte sich mit den Geschehnissen im größten nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager. Das Buch erzählt die Geschichte dieses bedeutendsten Strafprozesses gegen Angehörige des Lager-Personals und dokumentiert die wichtigsten Passagen des Urteils. Es gibt außerdem einen umfassenden Überblick über die Strafverfolgung - und Nichtverfolgung! - von NS-Verbrechen durch die bundesdeutsche Justiz.

Produktbeschreibung
Der "Auschwitz-Prozeß", der in den Jahren 1963-1965 in Frankfurt am Main stattgefunden hat, befaßte sich mit den Geschehnissen im größten nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager. Das Buch erzählt die Geschichte dieses bedeutendsten Strafprozesses gegen Angehörige des Lager-Personals und dokumentiert die wichtigsten Passagen des Urteils. Es gibt außerdem einen umfassenden Überblick über die Strafverfolgung - und Nichtverfolgung! - von NS-Verbrechen durch die bundesdeutsche Justiz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.04.1995

Hinter dem Zaun
Deutsche Gerichtsverfahren gegen Auschwitz-Täter

Gerhard Werle, Thomas Wandres: Auschwitz vor Gericht. Völkermord und bundesdeutsche Strafjustiz. Mit einer Dokumentation des Auschwitz-Urteils.

Beck'sche Reihe 1099, C.H. Beck Verlag, München 1995. 241 Seiten, 19,80 Mark.

Gerhard Werle und Thomas Wandres gelingt etwas Eindrucksvolles, aber Schreckliches: Sie drängen den Leser hinter den Stacheldrahtzaun von Auschwitz. Anhand von Zeugenaussagen, Gutachten und Vernehmungen zeichnen die Autoren nicht nur Verlauf und Urteilsbegründung des größten Strafprozesses deutscher Geschichte nach, sie lassen auch die Lagerwelt von einst auferstehen.

Werle und Wandres berichten von SS-Hauptsturmführer Robert Mulka, dem Adjutanten des Lagerkommandanten Höß, der nachweislich dreitausend Menschen ins Gas schickte und dafür zu vierzehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Zugführer Wilhelm Boger erhielt lebenslänglich. Als "Teifi" von Auschwitz tat er nicht nur Rampendienst und wirkte damit am Mord von mindestens eintausend Jungen mit, er frönte auch anderen satanischen Leidenschaften. Ohne Befehl seiner Vorgesetzten quälte er zahllose Opfer auf der "Boger-Schaukel", einem von ihm entwickelten Folterinstrument.

Josef Klehr hatten es medizinische Frevel angetan. Der Leiter der Desinfektionsabteilung füllte Spritzen mit Phenol, ließ die Häftlinge festhalten und stach ihnen die Kanüle direkt ins Herz. Mindestens zweihundertfünfzig Gefangene starben an den Injektionen des "Sanitäters".

Die Urteile, die am 19. August 1965 verkündet wurden, richteten sich nach dem zur Tatzeit geltenden Recht des Dritten Reiches, wie die Verfasser, obgleich Juristen, in gewandten Worten erklären. Mulkas, Klehrs und anderer Vergehen galten auch nach dem Reichsstrafgesetzbuch als Mord und Totschlag. Werle und Wandres erläutern, warum die meisten der zwanzig Angeklagten dennoch so glimpflich davonkamen. Die Richter hätten sich im Zweifel für den Angeklagten ausgesprochen, auch wenn sie wußten, nur den geringsten Teil der Missetaten nachgewiesen zu haben. Die strenge Anwendung rechtsstaatlicher Grundsätze erhöhte jedoch die Glaubwürdigkeit des Gerichts.

Und nicht nur die, möchte man hinzufügen. Die Urteile ließen wieder auf die bundesdeutsche Justiz hoffen, die bis dahin wenig gegen die Massenmörder von einst unternommen hatte. Seit dem AuschwitzProzeß wurden fast hunderttausend Ermittlungsverfahren eingeleitet, bis 1990 etwa 6500 Personen verurteilt. Dennoch kein Grund, zufrieden zu sein. Von den etwa zweihunderttausend Nazi-Verbrechern blieben die meisten unbehelligt.

JACQUES SCHUSTER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr