Produktdetails
- Verlag: Metropol
- Seitenzahl: 240
- Gewicht: 336g
- ISBN-13: 9783926893222
- Artikelnr.: 26843785
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.1995Reichsbahn
AUSCHWITZ. Franz Novak wurde 1913 als Sohn eines k. u. k. Eisenbahners geboren, lernte den Beruf des Schriftsetzers und stieg später zum Betriebsleiter einer Wiener Druckerei auf. Dazwischen arbeitete der Mann im Referat Adolf Eichmanns. Als "kleiner Dreck", wie er hinterher zu Protokoll gab, organisierte er dort die "Transportangelegenheiten". Tatsächlich verfügte Novak über keinerlei Befehlsgewalt. Jeden seiner Schritte mußte er mit den Inspektoren, Räten und Oberräten der Deutschen Reichsbahn besprechen, von den Dezernenten des Verkehrsministeriums wie von den Offizieren örtlicher Transportkommandanturen genehmigen lassen. Mit professionellem Elan feilten sie alle an der Logistik des Holocaust, an jenen Fahrplänen, deren "stark frequentierte" (Novak) Zielbahnhöfe Belzec, Treblinka oder Auschwitz hießen. Die Herren stellten Sonderzüge für die "Endlösung der Judenfrage" bereit und beteuerten nach dem Krieg ihre Unschuld: "Auf die Einwaggonierung selbst", so sagte Novak 1962 vor Gericht, "hatte ich ja keinen Einfluß." Nie habe er einem Juden auch nur "ein Haar gekrümmt". Die Transporte seien "in einer für die damaligen Verhältnisse menschlichen Form" durchgeführt worden. "Unmenschlich" und "grausam" erschien Novak "zum Beispiel der Bombenkrieg", den er "in Berlin, beginnend von 1942 in immer mehr gesteigerter Intensität bis März 1944 erlebte". Ja, nur bis zum März! Denn von da an konnte der "Pflicht-Mensch" jene Schlafstörungen und Ängste, die ihm in der Reichshauptstadt zugesetzt hatten, hinter sich lassen und im vergleichsweise ruhigen Budapest Quartier nehmen. Auch hier "vermittelte" er "die Bereitstellung von Sonderzügen" (zum Zweck der Deportation von 400000 ungarischen Juden nach Auschwitz). Franz Novak wurde nun eine Monographie gewidmet. Neben umfassenden Quellen aus den Perspektiven der Organisatoren und der überlebenden Opfer führt sie jenes bekannte, deutsch sprechende Wesen vor Augen, das aus bürokratisierter Bosheit, kollektiv gestützter Lebenslüge und schier unendlichem Selbstmitleid besteht. "Die englische Luftwaffe teilt schwere Schläge aus", so notierte der Außenminister des faschistischen Italien 1942, "das führt viele (Deutsche) dazu, nachdem sie halb Europa verwüstet haben, über die englische Brutalität zu jammern. Und was schlimmer ist, sie sind guten Glaubens, wenn sie das sagen." (Kurt Pätzold, Erika Schwarz: Auschwitz war für mich nur ein Bahnhof. Franz Novak - der Transportoffizier Adolf Eichmanns. Metropol, Berlin 1994. 240 Seiten, 29,80 Mark.) GÖTZ ALY
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
AUSCHWITZ. Franz Novak wurde 1913 als Sohn eines k. u. k. Eisenbahners geboren, lernte den Beruf des Schriftsetzers und stieg später zum Betriebsleiter einer Wiener Druckerei auf. Dazwischen arbeitete der Mann im Referat Adolf Eichmanns. Als "kleiner Dreck", wie er hinterher zu Protokoll gab, organisierte er dort die "Transportangelegenheiten". Tatsächlich verfügte Novak über keinerlei Befehlsgewalt. Jeden seiner Schritte mußte er mit den Inspektoren, Räten und Oberräten der Deutschen Reichsbahn besprechen, von den Dezernenten des Verkehrsministeriums wie von den Offizieren örtlicher Transportkommandanturen genehmigen lassen. Mit professionellem Elan feilten sie alle an der Logistik des Holocaust, an jenen Fahrplänen, deren "stark frequentierte" (Novak) Zielbahnhöfe Belzec, Treblinka oder Auschwitz hießen. Die Herren stellten Sonderzüge für die "Endlösung der Judenfrage" bereit und beteuerten nach dem Krieg ihre Unschuld: "Auf die Einwaggonierung selbst", so sagte Novak 1962 vor Gericht, "hatte ich ja keinen Einfluß." Nie habe er einem Juden auch nur "ein Haar gekrümmt". Die Transporte seien "in einer für die damaligen Verhältnisse menschlichen Form" durchgeführt worden. "Unmenschlich" und "grausam" erschien Novak "zum Beispiel der Bombenkrieg", den er "in Berlin, beginnend von 1942 in immer mehr gesteigerter Intensität bis März 1944 erlebte". Ja, nur bis zum März! Denn von da an konnte der "Pflicht-Mensch" jene Schlafstörungen und Ängste, die ihm in der Reichshauptstadt zugesetzt hatten, hinter sich lassen und im vergleichsweise ruhigen Budapest Quartier nehmen. Auch hier "vermittelte" er "die Bereitstellung von Sonderzügen" (zum Zweck der Deportation von 400000 ungarischen Juden nach Auschwitz). Franz Novak wurde nun eine Monographie gewidmet. Neben umfassenden Quellen aus den Perspektiven der Organisatoren und der überlebenden Opfer führt sie jenes bekannte, deutsch sprechende Wesen vor Augen, das aus bürokratisierter Bosheit, kollektiv gestützter Lebenslüge und schier unendlichem Selbstmitleid besteht. "Die englische Luftwaffe teilt schwere Schläge aus", so notierte der Außenminister des faschistischen Italien 1942, "das führt viele (Deutsche) dazu, nachdem sie halb Europa verwüstet haben, über die englische Brutalität zu jammern. Und was schlimmer ist, sie sind guten Glaubens, wenn sie das sagen." (Kurt Pätzold, Erika Schwarz: Auschwitz war für mich nur ein Bahnhof. Franz Novak - der Transportoffizier Adolf Eichmanns. Metropol, Berlin 1994. 240 Seiten, 29,80 Mark.) GÖTZ ALY
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