Spain is different. Damals. Heute auch noch?
Der tschechische Autor Karel Ćapek war ein Mahner und Kritiker.
1929 reist er mit dem Zug nach Spanien. Im schnellsten Zug mit 98km/Std.. Der schnellste Zug heute ist der TGV mit 320 km/Std. Diese Differenz des schnell/schneller/am schnellsten zeigt den
Wandel der Zeit.
Das kleine Buch ist eine Art Charakterdarstellung des Landes, seiner Menschen…mehrSpain is different. Damals. Heute auch noch?
Der tschechische Autor Karel Ćapek war ein Mahner und Kritiker.
1929 reist er mit dem Zug nach Spanien. Im schnellsten Zug mit 98km/Std.. Der schnellste Zug heute ist der TGV mit 320 km/Std. Diese Differenz des schnell/schneller/am schnellsten zeigt den Wandel der Zeit.
Das kleine Buch ist eine Art Charakterdarstellung des Landes, seiner Menschen und seiner Kultur mit satirischen und humorvollen Spitzen. Federleichte, fast rhythmische Illustrationen des Autors geben den kurzen Kapiteln zusätzliche Würze.
Es wirkt wie eine Stimulans, das Land mit seinem Blick kennenzulernen und mit den möglichen eigenen Erfahrungen zu vergleichen, die sicher durch Zeit und Raum anders ausfallen.
Schon beim Grenzübergang merkt er: Spain is different. Dieser Slogan aus den 60ern hat heute nur noch bedingt Gültigkeit. Viele Traditionen und Charakteristika der Kultur konnten sich aber der globalen Uniformität standhaft widersetzen.
Damals: Die iberische Halbinsel: ein Kontinent für sich, durch die Pyrenäen abgeschirmt. Nicht mehr Europa, strenger, älter, fast afrikanisch und wüstenhaft. Aber immer wieder Täler und Gärten wie Oasen in die Öde gesprenkelt. Die Gärten der maurischen Paläste – ein Vegetationsdschungel, aufgeheitert durch Fayencen, Brunnen und Fontänen. Künstliche Paradiese, ein Traum der Wüstennomaden. Selbst die farbenfrohen „Kleingärten“ an den Balkonen und in den Patios spiegeln die Sehnsucht nach Farben und Grün wider.
Neben einzelnen Städten wie Toledo und Sevilla widmet der Autor sich den Mantillas, dem Zigeunerviertel Triana, der Corrida, dem Flamenco, den Castañuelas, der Bodega und spanischen Repräsentanten von Leinwand und Farben: Velázquez, El Greco, Goya. immer wieder wird die verfeinerte, subtile Kultur der Mauren, die der Iberischen Halbinsel immerhin von 711-1492 ihren Stempel aufprägten, erwähnt.
Ein ganzes Kapitel widmet Ćapek der Mantilla, dem schwarzen Spitzentuch der Spanierin. Ist es ein Kloster-, Harems- oder Brautschleier? Er bewundert das Selbstbewusstsein und den Nationalstolz der Spanierinnen, die sich nicht der Weltmode unterwerfen. Die Frau wird übrigens wie ein Schatz gehütet, jedes männliche Familienmitglied wacht über die jungfräuliche Ehre. Das ist aber wohl nicht nur maurisches Erbe, sondern auch Relikt des Mittelalters.
Flamenco und Castañuelas tanzen und klappern sich durch die Texte. Rhythmisch, stolz, orientalisch. Ein geheimnisvolles Miteinander der Gitarrensaiten, Kastag-netten, Tamburine, der hämmernden Absätze. Der Canto klingt wie ein Ruf des Muezzins, fast monoton, von leidenschaftlicher Qual einer unglücklichen Liebe, Eifersucht und Rache.
Natürlich muss bei einem Text über Spanien die Corrida erwähnt werden. Ćapek empfand ein Gemisch aus großartigen Momenten, Entsetzen, Bewunderung und Scham. Die Angst des Tieres im Kampf zu sehen empfindet er als erniedrigend. Der Kampf zwischen Mensch und Tier aber ist uralt, zum Kult wurde er auf Kreta, in Rom und später dann in Andalusien in Regeln gegossen und verfeinert. Ursprünglich vielleicht ein Kampf des Lichts gegen die Finsternis: die glitzernden Anzüge der Toreros heißen „Traje de luz“, Anzug des Lichts.
Die Bodegas des Landes sind für ihn ein Ort der Bildung für Reisende, die eine geschmacksneugierige Zunge haben, um all die unterschiedlichen Weine, Würste, Käse zu gustieren.
Auf dem Rückweg passiert der Autor Barcelona, bemerkt die Unterschiede zwischen Nord und Süd, hier lebt man vor der Haustür auf den Gehsteigen, hier ist der Patio nicht mehr Mittelpunkt des Lebens. In den Arbeitersiedlungen schwelt etwas unterschwellig Anarchistisches: es sind Menschen, die keine Spanier sein wollen, mit ihrer eigenen Sprache. Ebenso wie die Basken, die als Ureinwohner des Mittelmeerraumes gelten mit einer komplizierten Sprache, deren Herkunft bis heute unbekannt ist. Vielleicht sind es die verschwundenen Bewohner von Atlantis?
Und so schließt Karel Ćapek den spanische Reisebogen mit dem Ausdruck der Dankbarkeit und Freude, dass er die Fülle eines fremden Landes erleben durfte. Jeder Unterschied der Menschen, der Landschaften, der Kultur und der Dinge macht das Leben mannigfaltiger. Es sei die ganze Welt mit seinen 1001 Gesichtern zu lieben.
Es ist ein Vergnügen, diese Texte zu lesen, besonders wenn man vergleichen kann: das Damals und das Hier und Jetzt. Sie geben Einblicke in eine andere Zeit und sind doch nicht aus der Zeit gefallen. Sie demonstrieren bravourös die wahrneh-menden Augenblicke des Reisenden und seine Gefühle angesichts der weiten, fremden Welt, die zugleich so nah ist.
Für Spanien-Liebhaber oder die, die es noch werden wollen, ein Lektüre-Muss!!!!
Dem Verlag sei dank, dass er die hier erwähnten Zigeuner nicht modegerecht in Sinti und Roma verwandelt hat. Das wäre in diesem Falle irgendwie unangemessen.