Stellen Sie sich vor, der Liter Superbenzin würde über 4 Euro kosten. Ein Albtraum? Ja. Bloß wäre es erst der Anfang. Denn das Ölzeitalter wird nicht erst mit dem letzten Barrel enden. Es endet, sobald mehr verbraucht wird, als gefördert werden kann. Und dieser Moment ist näher, als die meisten ahnen. Das Problem: Niemand hat einen Plan für die Zeit danach. Auch Markus Westermann weiß von all dem nichts, als er es endlich in die USA geschafft hat und mit seiner Karriere voll durchstarten will. Als er Karl Walter Block kennen lernt, sieht er seine Chance gekommen. Der alte Öltechniker behauptet, dass in den Tiefen der Erde noch genug Öl für die nächsten tausend Jahre schlummert - und dass nur er die Methode kennt, wie man es findet. Er braucht nur noch einen kompetenten Geschäftspartner. Jemanden wie Markus. Nur allzu bereitwillig glaubt die Welt den Versprechungen des Duos. Nach ersten Erfolgen ist gar von einer Renaissance des Ölzeitalters die Rede. Doch der Schein trügt. Als in Saudi-Arabien das größte Ölfeld der Welt versiegt und die Saudis alles daransetzen, die erschreckende Wahrheit zu vertuschen, kommt es nicht nur im Nahen Osten zu Unruhen. Die Menschheit steht plötzlich vor ihrer größten Herausforderung. Das Ende der Welt, wie wir sie kennen, bahnt sich an. Einzig Markus ist überzeugt, das Ruder noch einmal herumreißen zu können ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.05.2007Schmieriges schwarzes Zeug
Was passiert, wenn uns der Ölhahn zugedreht wird? Andreas Eschbach, Deutschlands erfolgreichster Science-Fiction-Autor, schildert in "Ausgebrannt" den Kampf ums schwarze Gold und entwirft das Zukunftsszenario einer Welt ohne Autos und Industrie.
Von Hubert Spiegel
Ein guter Science-Fiction-Roman, so hat Andreas Eschbach einmal in einem Essay behauptet, frage stets: "Was ist der Mensch?" Keine andere Literaturgattung würde diese Frage so klar, so radikal und so unabhängig stellen wie der spekulative Zukunftsroman. Für den Literaturwissenschaftler Peter von Matt ist der Mensch das geschichtenerzählende Tier. Die Definition, die Andreas Eschbachs neunter Roman bereithält, lautet hingegen: Der Mensch ist das energieverbrauchende Tier. Und Energie, das heißt nach wie vor und vor allem: Erdöl.
"Ausgebrannt" erzählt auf 749 Seiten die Geschichte eines Tellerwäschers namens Markus Westermann, der unbedingt Millionär werden will und zufällig in die Erdölbranche gerät. Das ist etwa so spannend und originell wie der Plot eines durchschnittlichen Hollywood-Thrillers: Westermann ist ein junger Deutscher, der fest an das Land der unbegrenzten Möglichkeiten glaubt, zunächst kometenhaft aufsteigt, seinen Ehrgeiz dann beinahe mit dem Leben bezahlt und am Ende ein bescheidenes Dasein mit einer Frau führt, die sich thrillergemäß zunächst als sexuell unersättliche Milliardärstochter erwiesen hatte. Ihr Väterchen ist ebenso wie die CIA hinter dem her, was Westermann zum Milliardär machen soll: die einzigartige Methode seines skurrilen Geschäftspartners Karl Block, unbekannte Erdölreserven aufzuspüren. Es geht also ums große Geld und die große Politik, und deshalb ist keiner der Beteiligten seines Lebens mehr sicher. Derartige Rahmenhandlungen dienen im Unterhaltungsgenre in der Regel nur als Vehikel für die special effects. Eschbachs special effects allerdings sind mehr als ungewöhnlich: Da wären das "Oil & Gas Journal", die "BP Statistical Review of World Energy", der Wortlaut des deutschen Energiebevorratungsgesetzes und die Studien des "United States Geological Survey". Was aber soll daran unterhaltend oder spannend sein?
Eschbach erzeugt die Spannung auf zwei Ebenen. Er verlängert das Szenario vom Ende der Ressourcen, das der "Club of Rome" Anfang der siebziger Jahre skizziert hat, um ein paar Jahre in die Zukunft und beschreibt, was passiert, wenn das Öl nicht mehr sprudelt, sondern nur noch tröpfchenweise aus der Pipeline kommt: Wir können nicht mehr Auto fahren und unsere Häuser nicht mehr beheizen, unsere Fabriken stehen ebenso still wie die industrielle Landwirtschaft. Die westliche Zivilisation kollabiert, denn für fast alles, was wir produzieren, brauchen wir Erdöl, entweder als Rohstoff oder als Energieträger. Zukunftsmusik, einigermaßen plausibel erzählt. Aber Andreas Eschbach hält es mit seinem amerikanischen Kollegen Bruce Sterling, der gesagt hat, wer als visionär gelten wolle, müsse nur die Gegenwart beschreiben.
Und so beschreibt der studierte Luft- und Raumfahrttechniker und frühere Teilhaber einer Softwarefirma das gigantische Geschäft mit Erdöl ebenso wie die politischen Implikationen des schmierigen schwarzen Zeugs, das die Weltwirtschaft so nötig braucht wie der menschliche Körper das Blut. Hält sich die Faszination, die von der Beschreibung von Bohrköpfen und Futterrohren ausgeht, noch in Grenzen, so wird es doch unglaublich spannend, wenn Eschbach über Ölreserven, den Lagerstättendruck von Förderfeldern oder die Geheimdiplomatie der Opec schreibt.
Ras Tanura, der größte Hafen der Welt, ist ebenso Schauplatz der Handlung wie ein Tante-Emma-Laden auf der Schwäbischen Alb. Ölstatistiken, Fördermengen, die Zahl der aktiven Bohrungen im Golf von Mexiko, die Frage, warum das Ölfeld Ghawar bedeutender ist als die Felder Shedgum, Uthmaniyah, Hawiyah und Haradh zusammengenommen - all das lässt Eschbach in seinen Roman einfließen, nicht immer ganz elegant, aber mit dem Faktenhunger des seriösen Sachbuchautors. Die literarische Form kümmert ihn dabei wenig. Wild springt er zwischen den zahlreichen Zeitebenen der Handlung hin und her, und wenn er den Leser wissen lassen möchte, was der Bau der Bagdadbahn mit dem Ersten Weltkriegs zu tun hat, erfindet er einfach einen Vorfahren seines Helden und blendet zurück.
"Vergangenheit. 1903" lautet dann die Kapitelüberschrift, und schon sind wir mit Westermanns Ururgroßvater in der mesopotamischen Wüste oder verfolgen sein Gespräch mit einem Emissär des britischen Königs in Konstantinopel. Was ihm an historischem Wissen nötig scheint, vermittelt Eschbach seinen Lesern gern in sachlichen Exkursen. So erfahren wir auf vier Seiten, dass und warum Roosevelt wenige Tage nach der Konferenz von Jalta König Ibn Saud von Arabien traf. Wie vieles andere trägt dies absolut nichts zur Handlung bei, sondern ist nur eine Fußnote. Aber Eschbachs Fußnoten sind nicht nur lehrreich. Aus ihnen bezieht "Ausgebrannt" mindestens ebenso viele Spannungsmomente wie aus dem fiktiven Romangeschehen, das kaum weniger verschachtelt ist als die Verwandtschaftsverhältnisse des saudischen Königshauses.
Die Monarchie am Golf scheint dabei denselben Gesetzen zu unterliegen wie die CIA. Beide Institutionen sind opak, skrupellos und einzig auf Machterhalt aus. Westermanns idealistisches Bild von Amerika wird gründlich zerstört, und schließlich stellt sich sogar heraus, dass der amerikanische Geheimdienst Westermanns Vater auf dem Gewissen hat: Der Tüftler war dabei, eine alternative Energiequelle aufzutun. So verquickt Eschbach seine Amerika-Kritik mit dem typisch amerikanischen Erzählmuster der Vater-Sohn-Geschichte: Nach den Abenteuern mit dem grantelnden Ersatzvater Karl Block vollendet Markus schließlich, was sein wirklicher Vater begonnen hatte.
Dieses Buch ist zwar manchmal hanebüchen, klingt in den Dialogen nicht immer elastisch und beweist in der Charakterzeichnung übergroßen Mut zur Schlichtheit. Aber Eschbach versteht es glänzend, gut recherchierte, oft frappierende Fakten und Thrillerelemente zu vermengen. Wer wissen will, wie die Welt ohne Erdöl (und ohne die Supermacht Amerika) aussehen könnte, muss eine ziemliche Lesestrecke zurücklegen. Da sie uns aber nicht lang wird, verstehen wir nach 749 Seiten dann auch, warum Eschbach der erfolgreichste deutsche Science-Fiction Autor ist. Wer dieses Buch liest, wird sich noch lange bei jedem Halt an der Tankstelle an den genialischen ersten Satz erinnern: "Selbst mit dem letzten Tropfen Benzin kann man noch beschleunigen."
- Andreas Eschbach: "Ausgebrannt". Roman. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2007.
749 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was passiert, wenn uns der Ölhahn zugedreht wird? Andreas Eschbach, Deutschlands erfolgreichster Science-Fiction-Autor, schildert in "Ausgebrannt" den Kampf ums schwarze Gold und entwirft das Zukunftsszenario einer Welt ohne Autos und Industrie.
Von Hubert Spiegel
Ein guter Science-Fiction-Roman, so hat Andreas Eschbach einmal in einem Essay behauptet, frage stets: "Was ist der Mensch?" Keine andere Literaturgattung würde diese Frage so klar, so radikal und so unabhängig stellen wie der spekulative Zukunftsroman. Für den Literaturwissenschaftler Peter von Matt ist der Mensch das geschichtenerzählende Tier. Die Definition, die Andreas Eschbachs neunter Roman bereithält, lautet hingegen: Der Mensch ist das energieverbrauchende Tier. Und Energie, das heißt nach wie vor und vor allem: Erdöl.
"Ausgebrannt" erzählt auf 749 Seiten die Geschichte eines Tellerwäschers namens Markus Westermann, der unbedingt Millionär werden will und zufällig in die Erdölbranche gerät. Das ist etwa so spannend und originell wie der Plot eines durchschnittlichen Hollywood-Thrillers: Westermann ist ein junger Deutscher, der fest an das Land der unbegrenzten Möglichkeiten glaubt, zunächst kometenhaft aufsteigt, seinen Ehrgeiz dann beinahe mit dem Leben bezahlt und am Ende ein bescheidenes Dasein mit einer Frau führt, die sich thrillergemäß zunächst als sexuell unersättliche Milliardärstochter erwiesen hatte. Ihr Väterchen ist ebenso wie die CIA hinter dem her, was Westermann zum Milliardär machen soll: die einzigartige Methode seines skurrilen Geschäftspartners Karl Block, unbekannte Erdölreserven aufzuspüren. Es geht also ums große Geld und die große Politik, und deshalb ist keiner der Beteiligten seines Lebens mehr sicher. Derartige Rahmenhandlungen dienen im Unterhaltungsgenre in der Regel nur als Vehikel für die special effects. Eschbachs special effects allerdings sind mehr als ungewöhnlich: Da wären das "Oil & Gas Journal", die "BP Statistical Review of World Energy", der Wortlaut des deutschen Energiebevorratungsgesetzes und die Studien des "United States Geological Survey". Was aber soll daran unterhaltend oder spannend sein?
Eschbach erzeugt die Spannung auf zwei Ebenen. Er verlängert das Szenario vom Ende der Ressourcen, das der "Club of Rome" Anfang der siebziger Jahre skizziert hat, um ein paar Jahre in die Zukunft und beschreibt, was passiert, wenn das Öl nicht mehr sprudelt, sondern nur noch tröpfchenweise aus der Pipeline kommt: Wir können nicht mehr Auto fahren und unsere Häuser nicht mehr beheizen, unsere Fabriken stehen ebenso still wie die industrielle Landwirtschaft. Die westliche Zivilisation kollabiert, denn für fast alles, was wir produzieren, brauchen wir Erdöl, entweder als Rohstoff oder als Energieträger. Zukunftsmusik, einigermaßen plausibel erzählt. Aber Andreas Eschbach hält es mit seinem amerikanischen Kollegen Bruce Sterling, der gesagt hat, wer als visionär gelten wolle, müsse nur die Gegenwart beschreiben.
Und so beschreibt der studierte Luft- und Raumfahrttechniker und frühere Teilhaber einer Softwarefirma das gigantische Geschäft mit Erdöl ebenso wie die politischen Implikationen des schmierigen schwarzen Zeugs, das die Weltwirtschaft so nötig braucht wie der menschliche Körper das Blut. Hält sich die Faszination, die von der Beschreibung von Bohrköpfen und Futterrohren ausgeht, noch in Grenzen, so wird es doch unglaublich spannend, wenn Eschbach über Ölreserven, den Lagerstättendruck von Förderfeldern oder die Geheimdiplomatie der Opec schreibt.
Ras Tanura, der größte Hafen der Welt, ist ebenso Schauplatz der Handlung wie ein Tante-Emma-Laden auf der Schwäbischen Alb. Ölstatistiken, Fördermengen, die Zahl der aktiven Bohrungen im Golf von Mexiko, die Frage, warum das Ölfeld Ghawar bedeutender ist als die Felder Shedgum, Uthmaniyah, Hawiyah und Haradh zusammengenommen - all das lässt Eschbach in seinen Roman einfließen, nicht immer ganz elegant, aber mit dem Faktenhunger des seriösen Sachbuchautors. Die literarische Form kümmert ihn dabei wenig. Wild springt er zwischen den zahlreichen Zeitebenen der Handlung hin und her, und wenn er den Leser wissen lassen möchte, was der Bau der Bagdadbahn mit dem Ersten Weltkriegs zu tun hat, erfindet er einfach einen Vorfahren seines Helden und blendet zurück.
"Vergangenheit. 1903" lautet dann die Kapitelüberschrift, und schon sind wir mit Westermanns Ururgroßvater in der mesopotamischen Wüste oder verfolgen sein Gespräch mit einem Emissär des britischen Königs in Konstantinopel. Was ihm an historischem Wissen nötig scheint, vermittelt Eschbach seinen Lesern gern in sachlichen Exkursen. So erfahren wir auf vier Seiten, dass und warum Roosevelt wenige Tage nach der Konferenz von Jalta König Ibn Saud von Arabien traf. Wie vieles andere trägt dies absolut nichts zur Handlung bei, sondern ist nur eine Fußnote. Aber Eschbachs Fußnoten sind nicht nur lehrreich. Aus ihnen bezieht "Ausgebrannt" mindestens ebenso viele Spannungsmomente wie aus dem fiktiven Romangeschehen, das kaum weniger verschachtelt ist als die Verwandtschaftsverhältnisse des saudischen Königshauses.
Die Monarchie am Golf scheint dabei denselben Gesetzen zu unterliegen wie die CIA. Beide Institutionen sind opak, skrupellos und einzig auf Machterhalt aus. Westermanns idealistisches Bild von Amerika wird gründlich zerstört, und schließlich stellt sich sogar heraus, dass der amerikanische Geheimdienst Westermanns Vater auf dem Gewissen hat: Der Tüftler war dabei, eine alternative Energiequelle aufzutun. So verquickt Eschbach seine Amerika-Kritik mit dem typisch amerikanischen Erzählmuster der Vater-Sohn-Geschichte: Nach den Abenteuern mit dem grantelnden Ersatzvater Karl Block vollendet Markus schließlich, was sein wirklicher Vater begonnen hatte.
Dieses Buch ist zwar manchmal hanebüchen, klingt in den Dialogen nicht immer elastisch und beweist in der Charakterzeichnung übergroßen Mut zur Schlichtheit. Aber Eschbach versteht es glänzend, gut recherchierte, oft frappierende Fakten und Thrillerelemente zu vermengen. Wer wissen will, wie die Welt ohne Erdöl (und ohne die Supermacht Amerika) aussehen könnte, muss eine ziemliche Lesestrecke zurücklegen. Da sie uns aber nicht lang wird, verstehen wir nach 749 Seiten dann auch, warum Eschbach der erfolgreichste deutsche Science-Fiction Autor ist. Wer dieses Buch liest, wird sich noch lange bei jedem Halt an der Tankstelle an den genialischen ersten Satz erinnern: "Selbst mit dem letzten Tropfen Benzin kann man noch beschleunigen."
- Andreas Eschbach: "Ausgebrannt". Roman. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2007.
749 S., geb., 19,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Alles "schön und sauber gearbeitet", schreibt Rezensent Michael Rutschky über diesen Bestseller. Trotzdem besteht für Überschwang aus seiner Sicht kein Grund. Denn in dieser erziehungsromanhaften Aufsteigergeschichte eines Deutschen in den USA kann er wenig literarischen Glanz ausmachen. Man würde gerne etwas genauer erfahren, was Andreas Eschbach genau in seinem Roman erzählt. Aber die Ironie des Rezensenten verstellt leider die Sicht. Es scheint im Roman wohl auch um den ewigen Wachtraum zu gehen, die USA mögen wie das alte Rom eines Tages vergehen. Als Themen deutet Rutschky aber auch alternative Energien und andere Zeitgeister an. Insgesamt scheint sich das Buch durch eine gewisse Ungetrübtheit auszuzeichen, und zwar sowohl was literarische Ambition als auch inhaltlichen Tiefgang betrifft.
© Perlentaucher Medien GmbH
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