Ein Skandal brachte sie an die Macht, eine Affäre ließ sie abstürzen. Als Heide Simonis 1993 Nachfolgerin von Björn Engholm wurde, der als Spätfolge der Barschel/Pfeiffer-Affäre zurücktreten mußte, rückte zum ersten Mal eine Frau an die Regierungsspitze eines deutschen Bundeslandes.Schnell wurde die oft eigensinnige, mal freche, stets aber sympathische Frau zu einer der beliebtesten Politikerinnen der Republik, bis ihre dritte Wiederwahl im April 2005 an der Stimme eines 'Heckenschützen' aus der eigenen Fraktion scheiterte.Der Journalist und Autor Erich Maletzke hat die politische Karriere von Heide Simonis über 30 Jahre verfolgt. Ihm hat sie in langen Gesprächen ihr ruheloses und aufregendes Leben geschildert - von Kindheit und Elternhaus über die ersten Schritte in der Politik und die Förderung durch Herbert Wehner bis zu den Auseinandersetzungen mit Willy Brandt und Gerhard Schröder.'Mit der Politik bin ich durch', bekennt Heide Simonis gewohnt offen, rechnet in der ihr eigenen Klarheit mit den Herren im 'grauen Flanell' ab und schildert gleichzeitig, welche ganz alltäglichen Folgen der Verlust der Macht für eine Spitzenpolitikerin hat.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2007Abstürzerin
Wie Heide Simonis genießt
"Ausgeteilt, eingesteckt" ist ein hübscher Titel. Man denkt sofort an Heide Simonis, und um sie geht es auch. Das Buch ist das Ergebnis eines mehrtägigen Interviews in ihrer Kieler Wohnung. Es ist flott zu lesen und beste Unterhaltung für eine längere Bahnfahrt etwa. Frau Simonis kann bekanntlich reden, viel und schnell. Der Aufstieg zur ersten Ministerpräsidentin Deutschlands steht natürlich am Anfang. Aber den Leser interessiert mehr das Kapitel zwei, Frau Simonis' Ansichten über ihren jähen politischen Abstieg, jenen 17. März 2005, als sie laut eigener Aussage das Gefühl hatte, mit hundert Kilometern in der Stunde gegen eine Wand zu rasen. SPD und Grüne hatten sich nach der Landtagswahl am 20. Februar, bei der die CDU stärkste Partei geworden war, auf eine Minderheitsregierung geeinigt, geduldet vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Bei der Wahl der Ministerpräsidentin aber fehlte diesem Lager eine, die entscheidende Stimme. Frau Simonis sagt nun, es sei eine Stimme aus ihrer Partei und es sei ein Mann gewesen. Sie wisse, wer es war, wolle das aber nicht öffentlich machen.
Sie sagt auch, es sei nicht erwiesen, dass jemand mit ihr habe ein Hühnchen rupfen wollen. Es könnte auch um das politische Modell gegangen sein, das gleich drei Frauen in Spitzenpositionen gehoben hätte: neben Frau Simonis als Ministerpräsidentin die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anne Lütkes, und die Vorsitzende des SSW, Anke Sporendonk. Mag man ihr das wirklich glauben? Frau Simonis äußert sich abschätzig über ihren Nachfolger, Peter Harry Carstensen von der CDU: "Er wäre eher ein guter Landwirtschaftsminister in Berlin geworden." Sie kreidet ihm an, was er sich als Verdienst anrechnet, nämlich in der großen Koalition Schleswig-Holstein für lange Zeit aus den Schlagzeilen gebracht zu haben. Als der Fragesteller von "schwachen Männern" spricht, welche die SPD in Schleswig-Holstein geführt hätten, widerspricht sie nicht einmal. Nie weht sie der Gedanke an, dass ihr politisches Schicksal auch mit ihr selbst und ihrer Art zu tun haben könnte. Immerhin gibt sie zu, dass der Vorsitz des Kinderhilfswerks Unicef in Deutschland für sie zu einer Art Rettungsanker wurde. Als der Fragende meint, nun sei sie doch häufiger im Fernsehen zu sehen als in ihrer Politiker-Zeit, antwortet sie: "Der Eindruck ist richtig, und natürlich habe ich überhaupt nichts dagegen." Und dann setzt sie noch hinzu: "Ich genieße es."
FRANK PERGANDE
Erich Maletzke im Gespräch mit Heide Simonis: Ausgeteilt, eingesteckt. Leben mit und ohne Politik. Zu Klampen Verlag, Springe 2007. 176 S., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie Heide Simonis genießt
"Ausgeteilt, eingesteckt" ist ein hübscher Titel. Man denkt sofort an Heide Simonis, und um sie geht es auch. Das Buch ist das Ergebnis eines mehrtägigen Interviews in ihrer Kieler Wohnung. Es ist flott zu lesen und beste Unterhaltung für eine längere Bahnfahrt etwa. Frau Simonis kann bekanntlich reden, viel und schnell. Der Aufstieg zur ersten Ministerpräsidentin Deutschlands steht natürlich am Anfang. Aber den Leser interessiert mehr das Kapitel zwei, Frau Simonis' Ansichten über ihren jähen politischen Abstieg, jenen 17. März 2005, als sie laut eigener Aussage das Gefühl hatte, mit hundert Kilometern in der Stunde gegen eine Wand zu rasen. SPD und Grüne hatten sich nach der Landtagswahl am 20. Februar, bei der die CDU stärkste Partei geworden war, auf eine Minderheitsregierung geeinigt, geduldet vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Bei der Wahl der Ministerpräsidentin aber fehlte diesem Lager eine, die entscheidende Stimme. Frau Simonis sagt nun, es sei eine Stimme aus ihrer Partei und es sei ein Mann gewesen. Sie wisse, wer es war, wolle das aber nicht öffentlich machen.
Sie sagt auch, es sei nicht erwiesen, dass jemand mit ihr habe ein Hühnchen rupfen wollen. Es könnte auch um das politische Modell gegangen sein, das gleich drei Frauen in Spitzenpositionen gehoben hätte: neben Frau Simonis als Ministerpräsidentin die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anne Lütkes, und die Vorsitzende des SSW, Anke Sporendonk. Mag man ihr das wirklich glauben? Frau Simonis äußert sich abschätzig über ihren Nachfolger, Peter Harry Carstensen von der CDU: "Er wäre eher ein guter Landwirtschaftsminister in Berlin geworden." Sie kreidet ihm an, was er sich als Verdienst anrechnet, nämlich in der großen Koalition Schleswig-Holstein für lange Zeit aus den Schlagzeilen gebracht zu haben. Als der Fragesteller von "schwachen Männern" spricht, welche die SPD in Schleswig-Holstein geführt hätten, widerspricht sie nicht einmal. Nie weht sie der Gedanke an, dass ihr politisches Schicksal auch mit ihr selbst und ihrer Art zu tun haben könnte. Immerhin gibt sie zu, dass der Vorsitz des Kinderhilfswerks Unicef in Deutschland für sie zu einer Art Rettungsanker wurde. Als der Fragende meint, nun sei sie doch häufiger im Fernsehen zu sehen als in ihrer Politiker-Zeit, antwortet sie: "Der Eindruck ist richtig, und natürlich habe ich überhaupt nichts dagegen." Und dann setzt sie noch hinzu: "Ich genieße es."
FRANK PERGANDE
Erich Maletzke im Gespräch mit Heide Simonis: Ausgeteilt, eingesteckt. Leben mit und ohne Politik. Zu Klampen Verlag, Springe 2007. 176 S., 18,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Durchaus erhellend scheinen Rezensent Frank Pergande diese Gespräche mit Heide Simonis, die Erich Maletzke mit der einstigen Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein über ihr "Leben mit und ohne Politik" geführt hat. Besonders interessiert hat ihn das Kapitel über ihren jähen politischen Abstieg. Er konstatiert, dass Simonis nie auf die Idee komme, ihr politisches Schicksal könnte auch mit ihr selbst und ihrer Art zu tun haben. Daneben erfährt er, wie engagiert Simonis nun den Vorsitz des Kinderhilfswerks Unicef in Deutschland ausübt. Insgesamt wertet Pergande das gut lesbare Buch als "beste Unterhaltung für eine längere Bahnfahrt etwa".
© Perlentaucher Medien GmbH
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