Erik Petersons Untersuchungen zur antiken Formel "Ein Gott" sind seit ihrem Erscheinen 1926 das Standardwerk zum Thema "Akklamation". Auch für die Monotheismus- Forschung und den Problemkreis einer politischen Theologie ist "Heis Theos" bis heute von Bedeutung.86 Jahre nach der Publikation der Dissertations- und Habilitationsschrift Petersons ist dieses über viele Jahrzehnte vergriffene Werk nun wieder in der originalen Fassung verfügbar.Christoph Markschies, Henrik Hildebrandt u.a. ergänzen Petersons Studien mit einem Überblick über die weitere Entwicklung der Heis-Theos-Forschung und mit einem umfassenden aktuellen Nachtrag seither aufgefundener Belege der antiken Formel in Epigraphik, Liturgie und Literatur. Thematisch benachbarte Texteditionen aus dem Nachlass Petersons sowie ein Beitrag von Barbara Nichtweiß zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung von "Heis Theos" runden den Band ab."Erik Peterson besaß einen außergewöhnlich scharfen Geist und eine Gelehrsamkeit, die staunenließ. Einige seiner bemerkenswertesten Arbeiten betreffen rituelle Formen und Zauberpraktiken. Sie bilden das Hauptthema in seinem ersten Buch 'Heis Theos'." (Henry Chadwick 1961)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Die Wiederveröffentlichung von Erik Petersons Studie zum Ursprung der Akklamation im Rahmen der "Ausgewählten Schriften" Petersons findet Rezensent Roland Kany begrüßenswert. Zwar wirkt der erstmals 1926 erschienene Text auf Kany gleichermaßen faszinierend wie ein wenig verstaubt. Dass dem Historiker Peterson mit seinem Versuch, anhand von syrischen und ägyptischen Zeugnissen (auf Grabsteinen, Amuletten etc.) die Anrufung des "einen Gottes" als eine rechtsgeschichtliche und politische Praxis auszuweisen, ein profunder Wurf gelungen ist, bezweifelt er allerdings nicht. Wenn die durch weitere Nachträge und Ergänzungen aus Petersons Nachlass ohnehin umfangreicher geratene jetzige Ausgabe von Christoph Markschies und Henrik Hildebrandt zusätzlich um nach 1926 publizierte "Ein-Gott-Inschriften" erweitert wird, ist das für Kany eine willkommene Aktualisierung von Petersons Studie, die, wie er findet, allerdings besser als eigenständige Arbeit veröffentlich worden wäre.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.06.2012In Wahrheit ist
es würdig und recht
Erik Petersons grundlegende Studie über „Heis Theos“, die
Formel des einen, einzigen Gottes, ist neu erschienen
In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen einige Bücher, die nicht nur Leser ihrer Zeit heftig beschäftigten, sondern für die nachfolgenden Generationen gleichbleibend von Bedeutung waren. Bis heute haben etwa Georg Lukács’ „Geschichte und Klassenbewusstsein“, Karl Barths Römerbriefkommentar, Carl Schmitts Verfassungslehre oder Martin Heideggers „Sein und Zeit“ ihren Rang nicht verloren. Zu diesen Büchern zählt auch Erik Petersons „Heis Theos“ – der eine, der einzige Gott. Dass dieses 1926 erschienene Buch weit weniger bekannt ist als die anderen genannten, hat mit dem wenig glücklichen Schicksal des Autors zu tun, aber auch mit der Tatsache, dass es selbst für hochgebildete Akademiker nur schwer zu lesen ist. Die aber, die von der Fama um dieses Buch gehört hatten, es aus der Uni-Bibliothek kannten und für längeren Gebrauch ein Exemplar erwerben wollten, suchten es in Antiquariaten vergeblich. Wer es hatte, gab es nicht her.
Jetzt ist eine Neuausgabe von „Heis Theos“ in den „Ausgewählten Schriften“ Petersons erschienen. Der Band ist doppelt so umfangreich wie das ursprüngliche Buch, und woran das liegt, verrät schon die Titelseite, auf der unter Petersons Namen in kleinerer Schrift der des Herausgebers Christoph Markschies aufgeführt ist. Markschies, evangelischer Theologe, bis vor Kurzem Präsident der Berliner Humboldt-Universität, war 1998 von Kardinal Lehmann, dem Mentor der Biografin und Herausgeberin des Konvertiten Petersons, Barbara Nichtweiß, gebeten worden, sich des berühmten Werks anzunehmen und ein knappes Nachwort zu verfassen. Markschies sagte gern zu, geriet dann aber in eine ganz andere Arbeit an dem Projekt.
Zunächst als Göttinger Dissertation begonnen und vorgelegt, dann über Jahre zur Habilitationsschrift – für die Professur für Evangelische Theologie – ausgearbeitet, schließlich unter fortwährendem Ergänzen zum Druck gebracht, begegnet „Heis Theos“ dem Leser bei erster Lektüre als gewaltige Materialsammlung zum Gebrauch der Formel spätantiker Zeit, wobei jedes Stück, jede Inschrift einer sorgfältigen philologischen Prüfung unterzogen wird. Markschies, auch gebeten, in seinem Nachwort den Fortgang der Heis-Theos-Forschung zu skizzieren, ging nun dazu über, so viele Zeugnisse wie möglich für die Formel beizubringen, zunächst solche, die Peterson, zuletzt Extraordinarius am Päpstlichen Institut für Christliche Archäologie in Rom, zeit seines Lebens notiert hatte, dann weitere, die Markschies gemeinsam mit Henrik Hildebrandt zusammentrug und für die Edition bearbeitete.
Aufenthalte in Israel und Syrien brachten immer neue Funde. „Heis Theos“, sagte Markschies kürzlich in der Katholischen Akademie in Berlin, wo er zusammen mit Kardinal Lehmann und Barbara Nichtweiß das Buch vorstellte, ist eine Formel, „die man von einem bestimmten Zeitpunkt an auf jeden Ofen geschrieben hat“. Das taten im 4. und 5. Jahrhundert Christen wie Juden, sogar der abtrünnige Kaiser Julian ließ Meilensteine setzen mit der Inschrift „Heis Theos“. Eine Frage der Forschung lautet heute: Wer tat es zuerst, seit wann und warum wurde die Formel für jeden verwendbar? Die Aufmerksamkeit, so Markschies, gilt der Alltagsseite der Menschen, die damals „Heis Theos“ in ihre Türbalken ritzten als eine Formel für ihr Leben.
Das Materialsammeln hatte nun freilich Peterson mit großem Fleiß betrieben, aber beim Verfassen seines Buches war er unversehens auf ein anderes Thema gestoßen – so, bemerkte Markschies, wie es einem passieren kann, wenn man sich mit wissenschaftlicher Akribie lange unbedeutenden, kleinen Dingen zuwendet, ihnen Aufmerksamkeit schenkt, hinhört auf das, was sie sagen, und dann ergibt sich ein weites Materialfeld, offen für ganz neue Einsichten. Diese beschrieb Peterson 1927 selber, als er über die Aufnahme seines Werks brieflich gegenüber Rudolf Bultmann klagte: „Wenn man sorgfältig lesen würde, würde man erkennen, dass eine neue Auffassung des Kirchenbegriffs erarbeitet ist.“
Das war der springende Punkt. Peterson hatte „Heis Theos“ als Akklamationsformel entdeckt und von dort her das Gefüge der altchristlichen Kirche in seiner Nähe zu verfassungsrechtlichen und versammlungsrechtlichen Regeln der spätantiken Politik erkannt. Das war insofern fast revolutionär, als die evangelische Theologie bis dahin Kirchenrecht immer als etwas zutiefst Katholisches gesehen und strikt abgelehnt hatte. Akklamationen im staatlichen wie kirchlichen Gemeinschaftsleben machten Beschlüsse rechtskräftig. Sie ersetzten Abstimmungen, wo es zu schwierig gewesen wäre, die einzelnen Voten einer großen Volksmenge auszuzählen. Akklamation ist seit Peterson ein großes Thema der Religionsgeschichte.
Und nicht nur der. Barbara Nichtweiß führte bei der Buchvorstellung in Berlin eine stattliche und verblüffende Anzahl von Fällen aus der Politik – aber aktuellerweise auch aus der Welt des Fußballs – an, wo Entscheidungen, wenn auch nicht per Akklamation getroffen, so doch rechtskräftig gemacht werden. So wurde der UEFA-Präsident Platini durch Akklamation in seinem Amt bestätigt. Doch auch die Liturgie der Heiligen Messe – Liturgie ist ein weiteres großes Thema in Petersons „Heis Theos“ – ist, so Nichtweiß, in jüngster Zeit bei ihren akklamatorischen Elementen erweitert worden. Das uralte „Amen“ (So sei es) wurde bei den Katholiken im Gottesdienst immer schon von der Gemeinde gesprochen. Das „Vere dignum et iustum est“ wurde als Akklamation auch in die nationalsprachlichen Texte überführt: „In Wahrheit ist es würdig und recht.“
Der Begriff der Akklamation elektrisierte den katholischen Staatsrechtler Carl Schmitt. Seine Parlamentarismuskritik bereicherte er mit starken Hinweisen darauf, dass es Politik ohne Beteiligung des Volkes auch an ihren einzelnen Schritten nicht geben dürfe. Peterson, nachdem er einen Lehrstuhl in Bonn bekommen hatte, freundete sich dort mit Schmitt an. Sie führten ein fröhliches Leben, aber während Peterson mit zunehmend schärferen Aufsätzen über „Theologie“ und „Kirche“ sich von seinen Fakultätskollegen entfernte und sich katholischen Überzeugungen annäherte, verirrte sich Schmitt mehr und mehr in Variationen seiner „Politischen Theologie“. 1930 wurde Peterson in Rom Katholik und gab seinen Lehrstuhl auf.
Schmitt und Peterson entzweiten sich über den Begriff des Monotheismus, der ebenfalls in der Formel „Heis Theos“ aufscheint. Der Verfassungsrechtler wollte darin ein politisches Monitum sehen, wie es auf schlichte Weise in der Diktatur, der er seit 1933 diente, gegeben ist mit der Akklamation „Ein Volk, ein Reich ein Führer“. Peterson wies das scharf zurück. In seinem Essay „Monotheismus als politisches Problem“ von 1935 trug er vor, dass die drei Personen der einen Gottheit – „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ – jeden Anklang an einen Kaiser, an eine einzige Person an der Spitze des Staates, ausschließe. Der Hinweis auf das Dogma der Trinität erledige jede politische Theologie .
Das herbe Urteil wurmte Schmitt lange Zeit. Aber erst neun Jahre nach Petersons Tod – dieser starb 1960 in Hamburg, seiner Geburtsstadt, wohin er sich zur ärztlichen Behandlung begeben hatte – veröffentlichte er eine umfangreichere „Politische Theologie II“, in der er Petersons Verdikt von 1935 zurückwies. Allerdings hatte dieses wiederum faszinierende Büchlein kaum mehr etwas mit der „Politischen Theologie von 1922“ gemein, gegen die Peterson sich gewandt hatte. Doch der Fall beschäftigte Gelehrte unterschiedlicher Fakultäten auch dann noch, als Helmut Kohl Bundeskanzler wurde. Man gab damals weitgehend Schmitt recht.
Die gegenwärtigen intensiven Bemühungen um das Werk Erik Petersons, dessen Nachlass in der Universität Turin liegt, könnte sich als ökumenisches Projekt von unabsehbarer Tragweite erweisen. So war es auch jetzt in Berlin zu spüren, wo der päpstliche Nuntius ebenso lauschte wie hundert Gäste. Erik Petersons Zeit, sagte Kardinal Lehmann am Ende, wird erst noch kommen. Der Abschluss der auf vierzehn Bände berechneten Werkausgabe darf für die nächsten Jahre erwartet werden. So lange wie bei „Heis Theos“ wird es nicht mehr dauern.
JÜRGEN BUSCHE
ERIK PETERSON: Heis Theos. Epigraphische, formgeschichtliche und religionsgeschichtliche Untersuchungen zur antiken „Ein-Gott“-Akklamation. Herausgegeben von Christoph Markschies. Ausgewählte Schriften (hrsg. v. Barbara Nichtweiß), Band 8. Echter Verlag, Würzburg 2012. XIV und 651 Seiten, 68 Euro.
Die Bemühungen um Petersons
Werk könnten sich als
ökumenisches Projekt erweisen
Erik Peterson (1890 -1960 ) konvertierte 1930 vom Protestantismus zum Katholizismus. Sein Grundlagenwerk „Heis Theos“ war 1926 erschienen. Foto: oh
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es würdig und recht
Erik Petersons grundlegende Studie über „Heis Theos“, die
Formel des einen, einzigen Gottes, ist neu erschienen
In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen einige Bücher, die nicht nur Leser ihrer Zeit heftig beschäftigten, sondern für die nachfolgenden Generationen gleichbleibend von Bedeutung waren. Bis heute haben etwa Georg Lukács’ „Geschichte und Klassenbewusstsein“, Karl Barths Römerbriefkommentar, Carl Schmitts Verfassungslehre oder Martin Heideggers „Sein und Zeit“ ihren Rang nicht verloren. Zu diesen Büchern zählt auch Erik Petersons „Heis Theos“ – der eine, der einzige Gott. Dass dieses 1926 erschienene Buch weit weniger bekannt ist als die anderen genannten, hat mit dem wenig glücklichen Schicksal des Autors zu tun, aber auch mit der Tatsache, dass es selbst für hochgebildete Akademiker nur schwer zu lesen ist. Die aber, die von der Fama um dieses Buch gehört hatten, es aus der Uni-Bibliothek kannten und für längeren Gebrauch ein Exemplar erwerben wollten, suchten es in Antiquariaten vergeblich. Wer es hatte, gab es nicht her.
Jetzt ist eine Neuausgabe von „Heis Theos“ in den „Ausgewählten Schriften“ Petersons erschienen. Der Band ist doppelt so umfangreich wie das ursprüngliche Buch, und woran das liegt, verrät schon die Titelseite, auf der unter Petersons Namen in kleinerer Schrift der des Herausgebers Christoph Markschies aufgeführt ist. Markschies, evangelischer Theologe, bis vor Kurzem Präsident der Berliner Humboldt-Universität, war 1998 von Kardinal Lehmann, dem Mentor der Biografin und Herausgeberin des Konvertiten Petersons, Barbara Nichtweiß, gebeten worden, sich des berühmten Werks anzunehmen und ein knappes Nachwort zu verfassen. Markschies sagte gern zu, geriet dann aber in eine ganz andere Arbeit an dem Projekt.
Zunächst als Göttinger Dissertation begonnen und vorgelegt, dann über Jahre zur Habilitationsschrift – für die Professur für Evangelische Theologie – ausgearbeitet, schließlich unter fortwährendem Ergänzen zum Druck gebracht, begegnet „Heis Theos“ dem Leser bei erster Lektüre als gewaltige Materialsammlung zum Gebrauch der Formel spätantiker Zeit, wobei jedes Stück, jede Inschrift einer sorgfältigen philologischen Prüfung unterzogen wird. Markschies, auch gebeten, in seinem Nachwort den Fortgang der Heis-Theos-Forschung zu skizzieren, ging nun dazu über, so viele Zeugnisse wie möglich für die Formel beizubringen, zunächst solche, die Peterson, zuletzt Extraordinarius am Päpstlichen Institut für Christliche Archäologie in Rom, zeit seines Lebens notiert hatte, dann weitere, die Markschies gemeinsam mit Henrik Hildebrandt zusammentrug und für die Edition bearbeitete.
Aufenthalte in Israel und Syrien brachten immer neue Funde. „Heis Theos“, sagte Markschies kürzlich in der Katholischen Akademie in Berlin, wo er zusammen mit Kardinal Lehmann und Barbara Nichtweiß das Buch vorstellte, ist eine Formel, „die man von einem bestimmten Zeitpunkt an auf jeden Ofen geschrieben hat“. Das taten im 4. und 5. Jahrhundert Christen wie Juden, sogar der abtrünnige Kaiser Julian ließ Meilensteine setzen mit der Inschrift „Heis Theos“. Eine Frage der Forschung lautet heute: Wer tat es zuerst, seit wann und warum wurde die Formel für jeden verwendbar? Die Aufmerksamkeit, so Markschies, gilt der Alltagsseite der Menschen, die damals „Heis Theos“ in ihre Türbalken ritzten als eine Formel für ihr Leben.
Das Materialsammeln hatte nun freilich Peterson mit großem Fleiß betrieben, aber beim Verfassen seines Buches war er unversehens auf ein anderes Thema gestoßen – so, bemerkte Markschies, wie es einem passieren kann, wenn man sich mit wissenschaftlicher Akribie lange unbedeutenden, kleinen Dingen zuwendet, ihnen Aufmerksamkeit schenkt, hinhört auf das, was sie sagen, und dann ergibt sich ein weites Materialfeld, offen für ganz neue Einsichten. Diese beschrieb Peterson 1927 selber, als er über die Aufnahme seines Werks brieflich gegenüber Rudolf Bultmann klagte: „Wenn man sorgfältig lesen würde, würde man erkennen, dass eine neue Auffassung des Kirchenbegriffs erarbeitet ist.“
Das war der springende Punkt. Peterson hatte „Heis Theos“ als Akklamationsformel entdeckt und von dort her das Gefüge der altchristlichen Kirche in seiner Nähe zu verfassungsrechtlichen und versammlungsrechtlichen Regeln der spätantiken Politik erkannt. Das war insofern fast revolutionär, als die evangelische Theologie bis dahin Kirchenrecht immer als etwas zutiefst Katholisches gesehen und strikt abgelehnt hatte. Akklamationen im staatlichen wie kirchlichen Gemeinschaftsleben machten Beschlüsse rechtskräftig. Sie ersetzten Abstimmungen, wo es zu schwierig gewesen wäre, die einzelnen Voten einer großen Volksmenge auszuzählen. Akklamation ist seit Peterson ein großes Thema der Religionsgeschichte.
Und nicht nur der. Barbara Nichtweiß führte bei der Buchvorstellung in Berlin eine stattliche und verblüffende Anzahl von Fällen aus der Politik – aber aktuellerweise auch aus der Welt des Fußballs – an, wo Entscheidungen, wenn auch nicht per Akklamation getroffen, so doch rechtskräftig gemacht werden. So wurde der UEFA-Präsident Platini durch Akklamation in seinem Amt bestätigt. Doch auch die Liturgie der Heiligen Messe – Liturgie ist ein weiteres großes Thema in Petersons „Heis Theos“ – ist, so Nichtweiß, in jüngster Zeit bei ihren akklamatorischen Elementen erweitert worden. Das uralte „Amen“ (So sei es) wurde bei den Katholiken im Gottesdienst immer schon von der Gemeinde gesprochen. Das „Vere dignum et iustum est“ wurde als Akklamation auch in die nationalsprachlichen Texte überführt: „In Wahrheit ist es würdig und recht.“
Der Begriff der Akklamation elektrisierte den katholischen Staatsrechtler Carl Schmitt. Seine Parlamentarismuskritik bereicherte er mit starken Hinweisen darauf, dass es Politik ohne Beteiligung des Volkes auch an ihren einzelnen Schritten nicht geben dürfe. Peterson, nachdem er einen Lehrstuhl in Bonn bekommen hatte, freundete sich dort mit Schmitt an. Sie führten ein fröhliches Leben, aber während Peterson mit zunehmend schärferen Aufsätzen über „Theologie“ und „Kirche“ sich von seinen Fakultätskollegen entfernte und sich katholischen Überzeugungen annäherte, verirrte sich Schmitt mehr und mehr in Variationen seiner „Politischen Theologie“. 1930 wurde Peterson in Rom Katholik und gab seinen Lehrstuhl auf.
Schmitt und Peterson entzweiten sich über den Begriff des Monotheismus, der ebenfalls in der Formel „Heis Theos“ aufscheint. Der Verfassungsrechtler wollte darin ein politisches Monitum sehen, wie es auf schlichte Weise in der Diktatur, der er seit 1933 diente, gegeben ist mit der Akklamation „Ein Volk, ein Reich ein Führer“. Peterson wies das scharf zurück. In seinem Essay „Monotheismus als politisches Problem“ von 1935 trug er vor, dass die drei Personen der einen Gottheit – „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ – jeden Anklang an einen Kaiser, an eine einzige Person an der Spitze des Staates, ausschließe. Der Hinweis auf das Dogma der Trinität erledige jede politische Theologie .
Das herbe Urteil wurmte Schmitt lange Zeit. Aber erst neun Jahre nach Petersons Tod – dieser starb 1960 in Hamburg, seiner Geburtsstadt, wohin er sich zur ärztlichen Behandlung begeben hatte – veröffentlichte er eine umfangreichere „Politische Theologie II“, in der er Petersons Verdikt von 1935 zurückwies. Allerdings hatte dieses wiederum faszinierende Büchlein kaum mehr etwas mit der „Politischen Theologie von 1922“ gemein, gegen die Peterson sich gewandt hatte. Doch der Fall beschäftigte Gelehrte unterschiedlicher Fakultäten auch dann noch, als Helmut Kohl Bundeskanzler wurde. Man gab damals weitgehend Schmitt recht.
Die gegenwärtigen intensiven Bemühungen um das Werk Erik Petersons, dessen Nachlass in der Universität Turin liegt, könnte sich als ökumenisches Projekt von unabsehbarer Tragweite erweisen. So war es auch jetzt in Berlin zu spüren, wo der päpstliche Nuntius ebenso lauschte wie hundert Gäste. Erik Petersons Zeit, sagte Kardinal Lehmann am Ende, wird erst noch kommen. Der Abschluss der auf vierzehn Bände berechneten Werkausgabe darf für die nächsten Jahre erwartet werden. So lange wie bei „Heis Theos“ wird es nicht mehr dauern.
JÜRGEN BUSCHE
ERIK PETERSON: Heis Theos. Epigraphische, formgeschichtliche und religionsgeschichtliche Untersuchungen zur antiken „Ein-Gott“-Akklamation. Herausgegeben von Christoph Markschies. Ausgewählte Schriften (hrsg. v. Barbara Nichtweiß), Band 8. Echter Verlag, Würzburg 2012. XIV und 651 Seiten, 68 Euro.
Die Bemühungen um Petersons
Werk könnten sich als
ökumenisches Projekt erweisen
Erik Peterson (1890 -1960 ) konvertierte 1930 vom Protestantismus zum Katholizismus. Sein Grundlagenwerk „Heis Theos“ war 1926 erschienen. Foto: oh
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