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In den drei hier versammelten Texten rückt Mencken - getreu seiner Devise "Isolieren und übertreiben" - den Übelständen seiner Zeit und seines Landes temperamentvoll zu Leibe. Er zerreist die Schleier öffentlicher Vernebelungen, legt hinter hehren Glaubensbekenntnissen Kleingeisterei und Unmoral bloß, entlarvt die Demokratie als faulen Zauber, mit dem der Massenmensch seinen begabteren Nachbarn übertölpelt, und beklagt mit dem ironischen Lob der Frau zwischen den Zeilen den Mangel an hervorragenden Männern (die für ihn allein im Besitz der wahren Kerntugenden sind). Die Lektüre ist amüsant,…mehr

Produktbeschreibung
In den drei hier versammelten Texten rückt Mencken - getreu seiner Devise "Isolieren und übertreiben" - den Übelständen seiner Zeit und seines Landes temperamentvoll zu Leibe. Er zerreist die Schleier öffentlicher Vernebelungen, legt hinter hehren Glaubensbekenntnissen Kleingeisterei und Unmoral bloß, entlarvt die Demokratie als faulen Zauber, mit dem der Massenmensch seinen begabteren Nachbarn übertölpelt, und beklagt mit dem ironischen Lob der Frau zwischen den Zeilen den Mangel an hervorragenden Männern (die für ihn allein im Besitz der wahren Kerntugenden sind).
Die Lektüre ist amüsant, wegen der tückischen Doppelbödigkeit, der Verflechtung von Ernst und Sarkasmus, von flüchtiger Impression und profunder Refelsion, aber auch anspruchsoll. Für Mencken war eine gute Formulierung mehr wert als eine große Wahrheit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2001

Die Augen geschlossen und in Liebe fest
Ein zweifelhafter Galan: Der amerikanische Journalist und Kritiker H. L. Mencken in einer neuen Ausgabe · Von Ernst Osterkamp

Im Dezember 1934 hielt in Washington bei einem festlichen Dinner vor fünfhundert Gästen Henry Louis Mencken (1880 bis 1956), der Starjournalist und berühmteste amerikanische Literaturkritiker der zwanziger Jahre, die Tischrede; ihren Kern bildete eine humorvolle Kritik an Franklin D. Roosevelts Politik des New Deal. Der Präsident antwortete zunächst mit einem verbindlichen Dank an seinen "alten Freund" Mencken und trug dann seiner erstarrenden Zuhörerschaft eine bittere Schmährede auf den Journalismus und die Zeitungsleute vor - um schließlich süffisant mitzuteilen, dies sei nur ein Auszug aus Menckens 1924 erschienenem Aufsatz "Journalism in America" gewesen.

Mencken hat diese Ohrfeige nie verziehen, denn er wußte, welch hoher Symbolwert ihr innewohnte: Seine große Zeit war mit dem Amtsantritt Roosevelts zu Ende. Als dieser 1945 starb, notierte Mencken im Tagebuch: "Er war der erste amerikanische Präsident, der bis zu den Abgründen ordinärer Dummheit vordrang. Zu keinem Zeitpunkt hat er den Fehler gemacht, die Intelligenz des amerikanischen Pöbels zu überschätzen. Er war sein unvergleichlicher Lehrmeister." Die Geschichte seiner öffentlichen Demütigung durch Roosevelt dagegen fehlt im Tagebuch; dort kann man lediglich lesen, der Präsident habe sich vor dem Bankett "ausgesprochen herzlich" mit ihm unterhalten. Was er verschwieg, kann man nun dem Kommentar zur soeben erschienenen Übersetzung seiner Tagebücher entnehmen.

Die Veröffentlichung von Menckens "Gesammelten Vorurteilen" im Insel-Verlag (F.A.Z. vom 17. Oktober 2000) ließ den Wunsch nach einer größeren Mencken-Werkausgabe in deutscher Sprache aufkommen. Der kleine Manuscriptum-Verlag hat das Wagnis einer auf immerhin drei stattliche Bände angelegten Ausgabe ausgewählter Werke Menckens auf sich genommen; sie wird mit Umsicht von Helmut Winter betreut. Nun liegt der zweite Band vor; er enthält in Deutschland unveröffentlichte autobiographische Schriften Menckens, während Winter im Falle der im ersten Band versammelten kulturkritischen Schriften auf schon vorliegende deutsche Übersetzungen zurückgreifen konnte. Dies ist historisch aufschlußreich: Der aus deutsch-amerikanischer Familie stammende Nietzsche-Verehrer aus Baltimore, der die Welt in "höhere Menschen" ("superior men") und Mob einteilte, hatte für die Idee der Demokratie nur Spott übrig, und für das Werk eines amerikanischen Demokratieverächters gab es im Deutschland der Weimarer Republik offensichtlich ein dankbares Publikum.

Menckens erstaunliches Buch "Zur Verteidigung der Frau" (1918 / 1922), in dem der Kulturkritiker das uneingeschränkte Lob der Frau zur Aburteilung der von ihm verachteten amerikanischen Bourgeoisie nutzte, erschien 1923 im deutschnationalen Verlag Georg Müller in der Übersetzung von Franz Blei, dem Freund und Verehrer Carl Schmitts und Rudolf Borchardts. Eine Übersetzung von Menckens großer Einleitung zu "The American Credo" (1920), der Attacke des Nonkonformisten auf das "Denken des ,homo americanus'" ("es gibt seit der preußischen Armee in der ganzen Welt keine derart gedrillten Menschen wie die Amerikaner"), wurde schon 1922 von dem nationalkonservativen Organ "Die Grenzboten" veröffentlicht. Und Menckens 1926 unter dem Titel "Notes on Democracy" erschienene Generalabrechnung mit der Demokratie brachte 1930 Ernst Niekischs Widerstands-Verlag (in der Übersetzung übrigens von Walter Benjamins Frau Dora Kellner) heraus.

Es waren in Deutschland also die "konservativen Revolutionäre", bei denen die im ersten Band versammelten Schriften Menckens aufmerksame Leser fanden, und diese scheuten keineswegs davor zurück, den spielerisch-spöttischen Nonkonformismus von Menckens Dekonstruktion der gedanklichen Grundlagen der Demokratie in bitteren politischen Ernst zu verwandeln. Man dürfte in diesen Kreisen übersehen haben, daß die Schreibenergien dieses "literarischen Rüpels", der zwar das Deutschland seiner Vorfahren idealisierte, aber ganz in den Traditionen der amerikanischen Demokratie aufgewachsen war, aus einem profunden Freiheitsverlangen stammten: "Meine literarische ebenso wie meine politische Theorie beruht auf einer einzigen Idee, nämlich der Idee der Freiheit." Ein besseres politisches System als die Demokratie hat denn auch Mencken, der sich als Kulturkritiker ohnehin "nicht mit Therapeutik, sondern mit Pathologie" befaßte, nicht gekannt.

Helmut Winter betont zu Recht, daß in Menckens Werk der Kernbestand der amerikanischen Ideale - "Freiheit, Klugheit oder Tapferkeit" - unangetastet bleibt. Dies sicherte ihm über sämtliche politischen Grenzen hinweg Freundschaft und Verehrung zahlreicher Schriftsteller, Wissenschaftler und Politiker, die das unbestechliche Urteil des polternden "Weisen von Baltimore" zu schätzen wußten.

Von der Vielfalt der gesellschaftlichen, literarischen und politischen Verbindungen Menckens legt sein von 1930 bis 1948 geführtes Tagebuch Zeugnis ab. Man erfährt nicht viel über die Bücher der Autoren des "jazz age" in diesen Aufzeichnungen, dafür aber um so mehr über ihren brennenden Durst: Sinclair Lewis "lechzt nach Whiskey, und wenn die Gelegenheit günstig ist, trinkt er ihn pur, ein Glas nach dem anderen." "Dashiell Hammett . . . traf betrunken ein und wurde etwas lästig." "William Faulkner . . . ist endlich abgereist und hat eine mächtige Alkoholfahne hinterlassen". F. Scott Fitzgerald "trinkt hemmungslos und ist zu einem öffentlichen Ärgernis geworden." Dennoch bieten Menckens Tagebücher in ihrem spröde resümierenden Duktus eine trockene Lektüre. Eine Vielzahl der erwähnten Namen und Ereignisse dürfte nur noch für Amerikanisten von Interesse sein, die ohnehin den Originaltext lesen werden.

Man hätte sich also eine strengere Auswahl aus den in der deutschen Ausgabe immerhin vierhundert Seiten umfassenden Tagebuchaufzeichnungen gewünscht. Dies hätte Raum geschaffen für weitere Auszüge aus Menckens autobiographischen Schriften, denn die wenigen in dem Band abgedruckten Proben - nostalgische Rückblicke auf das Baltimore der Jahrhundertwende - stellen dem Autobiographen Mencken ein glänzendes Zeugnis aus.

Nur mit Beklommenheit allerdings liest man Menckens kurzen Reisebericht "Deutschland 1938", der den zweiten Band der Werkausgabe abschließt und erstmals auf deutsch erscheint. Mencken, dessen Liebe zu Deutschland unerschütterlich war, hat auf seiner letzten Deutschlandreise systematisch die Stätten seiner Ahnen besucht und dabei seine Augen fest vor dem Terror der Nazis verschlossen. Diese Aufzeichnungen sind ein Dokument der Verblendung. Auf antijüdische Ausschreitungen in Berlin, bei denen Schaufenster zertrümmert und andere mit den Namen der jüdischen Geschäftsinhaber beschmiert wurden, reagierte Mencken mit dem rechtfertigenden Hinweis auf die Rassengesetzgebung der Nazis: "Laut Gesetz mußte jeder Jude seinen wirklichen Namen nennen, aber diese Vorschrift war umgangen worden. Ich fand es aufschlußreich, daß der wirkliche Eigentümer von Mademoiselle Félicies Hutgeschäft Jakob Goldfarb war und daß die Parfümerie Bon Marché im Obergeschoß den Gebrüdern Margolis gehörte." Mencken teilte die Menschheit gern in Elite und Mob ein; im Berlin des Jahres 1938 war seine Perspektive von der des Mobs ununterscheidbar geworden.

Henry Louis Mencken: "Ausgewählte Werke". Band I: "Kulturkritische Schriften. 1918 bis 1926." Band II: "Autobiographisches. 1930 bis 1948." Hrsg. von Helmut Winter. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Bernd Rullkötter. Manuscriptum Verlag, Waltrop und Leipzig 2000. 421 und 541 S., geb., 48,- und 54,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Christoph Bartmann offenbart sich als ambivalenter Fan von H. L. Mencken, dem "einflussreichsten Privatmann der Vereinigten Staaten, wie man ihn auf der Höhe seines Ruhmes nannte". Die Schriften des bekannten und umstrittenen Journalisten, von ihm selber zu Lebzeiten schon auf Buchausgaben hin angelegt, sind hier bis auf das Buch "The American Language" komplett versammelt, wobei Bartmann die zwar brillanten, aber der damaligen Zeit verpflichteten journalistischen Stücke eher kalt ließen, während insbesondere die autobiografischen Texte des zweiten Bandes seine Begeisterung hervorriefen. Und was ist mit Menckens Ansichten, die seinen fragwürdigen Ruhm als Frauenfeind, Rassist und Antisemit begründeten? Frauenfeindlich, schreibt Bartmann, sei er ohne Zweifel gewesen, aber eben auch männerfeindlich, vor allem was den amerikanischen Durchschnittsmann angeht. Und Menckens Sympathie für Hitler sei nicht wegzudiskutieren, doch solle man doch das Augenmerk lieber auf die Vorzüge seiner Schriften lenken: Scharfsinn und schonungslose Subversivität. Wie sein Vorbild Mark Twain, findet der Rezensent.

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