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Produktdetails
  • Italienische Bibliothek
  • Verlag: Narr
  • Seitenzahl: 239
  • Deutsch, Italienisch
  • Abmessung: 195mm
  • Gewicht: 296g
  • ISBN-13: 9783823340591
  • Artikelnr.: 26528598
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.1999

Seine Muse war die Melancholie
Lorenzo di Medici als Dichter · Von Hans-Jürgen Schings

"Im Jahre 1490, als die allerschönste Stadt, durch Reichtümer, Siege, Künste und Bauten berühmt, Wohlstand, Gesundheit und Frieden genoß." So lautete die Inschrift, die Angelo Poliziano unter ein Fresko Ghirlandaios in Santa Maria Novella setzte. Das "höchste eigentümliche Leben der damaligen Welt" nennt Jacob Burckhardt das Florenz des Quattrocento. Es war das Florenz der Medici, die Stadt des Lorenzo, der seit 1469 unumschränkt regierte. Nicht die Verfassung freilich oder Ämter legitimierten die Herrschaft des Magnifico. Alles beruhte auf dem Ansehen seiner Person, auf den Finanzmitteln der Familie, auf hoher diplomatischer Kunst - auf selbstgeschaffener Autorität.

Guicciardini, den Medici nicht freundlich gesinnt, erklärte: "Wenn schon Florenz nicht seine Freiheit behielt, so wäre es unmöglich gewesen, einen liebenswerteren Tyrannen zu finden." Ein brillanter Tyrann, ein Renaissancemensch, wie er im Buche steht? Oder nur ein einfacher Handelsherr ("uno semplice merchadante", wie Papst Sixtus IV. sagte), ein ehrgeiziger Bankier und Familienboß, gar ein "verdorbener Verderber", ein "corrotto corrottore" (Francesco de Sanctis)? Die Mischung von public und private interest irritiert, das Charakterbild schwankt bis zum heutigen Tage.

Goethe feierte ihn als "bürgerlichen Helden" und mit ihm ein "großes, schönes, heiteres Leben", dem sich "ein fratzenhaftes, phantastisches Ungeheuer, der Mönch Savonarola", entgegensetzte. Thomas Manns "Fiorenza" hat diese Konstellation ausgebeutet und mit dem Parfüm des Münchner Fin de siècle besprengt. Vom "Zauber" des Magnifico sprach Burckhardt und den "Lichtstrahlen" seiner Persönlichkeit.

Daß der Politiker, der die ungeklärten italienischen Verhältnisse in einem Zustand des Gleichgewichts befriedete, der allgegenwärtige Vermittler, aus dessen Kanzlei die unglaubliche Anzahl von 14 000 Schriftsätzen in die europäische Welt ging, zugleich den Mittelpunkt der um ihn versammelten intellektuellen und künstlerischen Elite bildete, ist erstaunlich genug. Da waren seine philosophischen Erzieher und Freunde, der Grieche Argyropoulos, Cristoforo Landino, der alle überragende, legendäre Marsilio Ficino, die Literaten Luigi Pulci und Angelo Poliziano, der geniale Pico della Mirandola. Da waren die größten Künstler seiner Zeit: Botticelli, Verrochio, Signorelli, der junge Michelangelo, den er in sein Haus aufnahm. Da war schließlich das große Interesse an Architektur und Kunsthandwerk, an Musik und Handschriften und Sammlungen der verschiedensten Art. Ein Mäzen, der sich von niemandem übertreffen ließ.

Florenz leuchtete. "Esto felix, Florentinus esto!" "Sei glücklich, sei Florentiner!" Mit diesen Worten lockte Lorenzo den jungen Pico della Mirandola in seine Stadt. In Landinos "Camaldulenser Gesprächen" ist zu beobachten, wie die Atmosphäre platonischer Dialoge zu neuem Leben erwacht. Ficino, das Haupt der Platoniker, konnte erklären, Plato werde "aufsteigen zur Oberwelt und zweifellos viel glücklicher in Florenz leben als in Athen".

Lorenzo schenkte ihm die Villa in Careggi, die zum Sitz der platonischen Accademia wurde. Er sorgte sofort dafür, daß der 7. November als Geburtstag Platos standesgemäß gefeiert wurde. Ohne Plato, ließ er verlauten, könne man, bei Lichte betrachtet, im Grunde weder ein wahrer Christ noch ein guter Bürger sein. Mit Platos Idealverbindung von Macht und Weisheit ließ sich auch der eigene politische Status rechtfertigen. Wie von selbst gedeiht in solcher Umgebung natürlich auch die Poesie. Die Werke des Magnifico füllen zwei stattliche Bände. Pico spart nicht mit Lob für den Dichter: Petrarca sei gegen ihn süß und weich, Dante rauh und ernst; erst Lorenzos Verse seien "von ungekünstelter Anmut", "ursprünglich, echt, angeboren".

Auch wenn da vielleicht ein paar Abstriche angebracht sind, um amateurhafte Freizeitverse handelt es sich aber nicht. Davon kann sich jetzt auch das deutsche Publikum überzeugen. Die zweisprachige Auswahl, die Manfred Lentzen im Verein mit den Übersetzern Edith und Horst Heintze sowie Babette Hesse - ein Team erprobter Lorenzo-Kenner - vorlegt, bietet die schöne Gelegenheit, den Magnifico als Dichter kennenzulernen.

Die Übersetzungen von Carl Stange aus dem Jahre 1940 sind so gut wie verschollen. Mehr als nur ein wichtiges Stück wird hier zum erstenmal ins Deutsche übertragen.

Die Auswahl, ein willkommener Nachzügler des Lorenzo-Gedenkjahres 1992, lenkt die Aufmerksamkeit gleichermaßen auf die "Scherze", die Goethe wegen ihrer "heiteren Lebensleichtigkeit" besonders schätzte, wie auch auf die platonische und die Liebespoesie, die den Dichter freilich "an höhere Arbeiten dieser Art" erinnerte.

Wer Renaissance mit Sinnenfreude und Weltlust gleichsetzt, kommt in der "Nencia da Barberino" und im "Simposio" auf seine Kosten. Ein antipetrarkistisches Kabinettstückchen das eine, virtuose Terzinen über ein gewaltiges Besäufnis das andere. Wird dort Petrarcas Liebesstil einem treuherzigen Hirten in den Mund gelegt, so daß sich die stilbrechenden Pointen von selbst einstellen ("sie scheint so weich und weiß wie Schweineschmalz"), sucht das derbe "Simposio" ausdrücklich die Anspielungen auf Ficino und vor allem Dante, um Freunde und Bekannte in taumelnder Bacchus-Jüngerschaft vorzuführen.

Unbändiger Durst zieht hier die Hochbegriffe des Platonismus auf sich: Der Durst wird zum "sommo ben, solo e perfetto" ("mein einzig höchstes Gut"); im "amor di vino" lebt wahrhaft der "amor divino" ("zieht dich göttliche Liebe zu dem Wein"); Durst sorgt für den "furor divino" (Platos "göttliche Raserein"). Die Übersetzung bildet das Vers- und Reimspiel der Terzinen und die Reibungen von hoher und niedriger Stillage loyal nach. Unprätentiös stellt sie sich in den Dienst des Originals.

Ganz anders die Welt des lyrischen Traktats "De summo bono". Aufgemacht ist der Text als ein Streitgespräch zwischen Lauro (also in Wirklichkeit Lorenzo), der dem "Sturm des Bürgerstreits" in die pastorale Einsamkeit entflieht, und dem Hirten Alfeo, der die Hirten-Idylle, die ihm der Städter vormalt, nicht wahrhaben will. Wo also liegt das höchste Gut? Die Lösung souffliert ein lehrender Sänger, der "neue Plato", also Ficino höchstselbst.

Mit seiner Hilfe entsteht eine kunstvolle Pyramide von Begriffen, eine Leiter, die über immer neue Distinktionen schließlich zur höchsten Sprosse emporführt, zum liebenden Genuß Gottes, der über alle Erkenntnis geht. Der Wille steht deshalb noch über dem Intellekt. Scholastischer Scharfsinn und platonische Liebesphilosophie gehen hier ein denkwürdiges Bündnis ein. Tatsächlich faßt Lorenzo eine Schrift Ficinos in Verse, Poesie ist also der verkörperte Glanz der platonischen Lehre.

Im großen Prunk petrarkistischer und stilnovistischer Kunst und doch sehr persönlich gefärbt kommen die Sonette daher, die Lorenzo von früh an schreibt, hielt er doch "glühend zu lieben und Verse zu machen" für Trost in allen Widrigkeiten. Später beginnt er dann, seine Sonette mit Kommentaren zu versehen, dem "Comento de' miei sonetti". Elf der Sonette und vier Prosaerläuterungen bietet jetzt unsere Ausgabe.

Wunderbar, wie da ein nächtlicher Spaziergang beschrieben wird und ein Stern, dessen Glanz sogar die irdischen Körper Schatten werfen läßt - der Stern der jung verstorbenen Simonetta Cattaneo. "Gentilezza" lautet das Lieblingswort, mit dem Lorenzo die Geliebte feiert - "Edelheit" oder gar "Edelkeit" spiegeln arge Verlegenheiten der Übersetzung.

Lorenzos Muse ist die Melancholie. "Vom süßen Licht des Lebens möcht' ich fliehn / in jenes andre, Tod genannte Leben" ("Di vita il dolce lume fuggirei / a quella vita che altri ,morte' appella"), mit diesen Zeilen beginnt das dritte Sonett. Und der Autor erläutert sich selbst: Große Liebe nährt sich stets aus Melancholie, denn unbedingt Liebende werden von der schwarzen Galle beherrscht, deshalb die Tiefe ihrer Leidenschaft und ihrer Schmerzen. (Andere Schmerzen freilich bereitet die Übersetzung, wenn sie "la perpetua privazione della cosa amata" mit "das ewige des Geliebten Beraubtsein" wiedergibt.) Über solche Melancholie wußte der Magnifico recht gut Bescheid.

Zählte er doch selbst, wie Ficino und Pico, zur neuen, genialen Sozietät der saturnischen Melancholiker, deren Selbstverständnis durch Ficino gerade ein theoretisches Fundament erhalten hatte. "Laurentius inter Saturnicos praestantissimus", "Lorenzo ist der höchste der Saturniker", befindet Ficino. So erhält der Goethesche Vierzeiler auch für die Person des Fürsten Gültigkeit: Zart Gedicht, wie Regenbogen, / Wird nur auf dunklen Grund gezogen; / Darum behagt dem Dichtergenie / Das Element der Melancholie." Ein Grund mehr, der die Poesie des Magnifico auch heute noch lesenswert macht.

Lorenzo de' Medici: "Ausgewählte Werke ". Aus dem Italienischen übertragen von Edith und Horst Heintze sowie Babette Hesse. Herausgegeben von Manfred Lentzen. Gunter Narr Verlag, Tübingen 1998. 239 S., br., 36,80 DM.

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