Nach Homo sacer und Was von Auschwitz bleibt - Teil 1 und Teil 3 von Giorgio Agambens vieldiskutiertem Homo sacer-Projekt - folgt nun mit Ausnahmezustand der in sich geschlossene erste Band des zweiten Teiles.
Der Ausnahmezustand, d. h. jene Suspendierung des Rechtssystems, die wir als Provisorium zur Aufrechterhaltung der Ordnung in Krisensituationen zu betrachten gewohnt sind, wird unter unseren Augen zu einem gängigen Muster staatlicher Praxis, das in steigendem Maße die Politik bestimmt. Agambens neuestes Buch ist der erste Versuch einer bündigen Geschichte und zugleich Fundamentalanalyse des Ausnahmezustandes: Wo liegen seine historischen Wurzeln, und welche Rolle spielt er - in seiner Entwicklung von Hitler bis Guantanamo - in der Gegenwart?
Wo der Ausnahmezustand zur Regel zu werden droht, sind die Institutionen des demokratischen Rechtsstaats und das verfassungsgemäße Gleichgewicht der Gewalten gefährdet, und die Grenze zwischen Demokratie und Diktatur verschwimmt. In Auseinandersetzung mit verschiedenen theoretischen Annäherungen an das Phänomen des Ausnahmezustands - zu nennen sind in erster Linie Walter Benjamin, Carl Schmitt und Jacques Derrida - vermißt Agamben das von den meisten Theoretikern gemiedene Niemandsland zwischen Politik und Recht, zwischen der Rechtsordnung und dem Leben und wirft ein neues Licht auf jene verborgene Beziehung, die das Recht an die Gewalt bindet.
Der Ausnahmezustand, d. h. jene Suspendierung des Rechtssystems, die wir als Provisorium zur Aufrechterhaltung der Ordnung in Krisensituationen zu betrachten gewohnt sind, wird unter unseren Augen zu einem gängigen Muster staatlicher Praxis, das in steigendem Maße die Politik bestimmt. Agambens neuestes Buch ist der erste Versuch einer bündigen Geschichte und zugleich Fundamentalanalyse des Ausnahmezustandes: Wo liegen seine historischen Wurzeln, und welche Rolle spielt er - in seiner Entwicklung von Hitler bis Guantanamo - in der Gegenwart?
Wo der Ausnahmezustand zur Regel zu werden droht, sind die Institutionen des demokratischen Rechtsstaats und das verfassungsgemäße Gleichgewicht der Gewalten gefährdet, und die Grenze zwischen Demokratie und Diktatur verschwimmt. In Auseinandersetzung mit verschiedenen theoretischen Annäherungen an das Phänomen des Ausnahmezustands - zu nennen sind in erster Linie Walter Benjamin, Carl Schmitt und Jacques Derrida - vermißt Agamben das von den meisten Theoretikern gemiedene Niemandsland zwischen Politik und Recht, zwischen der Rechtsordnung und dem Leben und wirft ein neues Licht auf jene verborgene Beziehung, die das Recht an die Gewalt bindet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004Tiefe Wasser
MAN BRÄUCHTE einen Autor, der die Thesen dieser drei Bücher zu einem neuen, zu einem vierten Buch verknüpft. Was, wenn man die in Michel Foucaults Geschichte der Gouvernementalität angestellte Suche nach einem neuen Modell der Macht mit Giorgio Agambens Analyse des Ausnahmezustands sowie mit Philippa Foots Naturauffassung des Guten kombinierte? Dann käme man wohl dahin, wo der poetische Erich Kästner schon früher angelangt war: Es gibt nichts Gutes, es sei denn, man tut es. Mit anderen, mit den Worten des noch zu schreibenden Drei-Autoren-Buches: Politik ist selbstverständlich immer die Politik des guten Lebens, es sei denn in jenen scharf umgrenzten, aber nach Gutdünken anwendbaren Ausnahmefällen, in denen das Gute zugunsten der Macht des Stärkeren nicht zu tun ist. Da wäre man mittendrin in Foucaults Folgeband der Gouvernementalität, in welchem sich nach Art eines umgekehrten Kästners die Geburt der Biopolitik vollzieht. In diesem Politikfeld läßt sich voller Poesie studieren, wie die Grenzen zur Sicherung des Guten nur deshalb errichtet werden, um sie hernach auf dem Wege des regulären Ausnahmezustands unterlaufen zu können. Hat Foucaultagambenfoot schon immer gesagt.
gey
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
MAN BRÄUCHTE einen Autor, der die Thesen dieser drei Bücher zu einem neuen, zu einem vierten Buch verknüpft. Was, wenn man die in Michel Foucaults Geschichte der Gouvernementalität angestellte Suche nach einem neuen Modell der Macht mit Giorgio Agambens Analyse des Ausnahmezustands sowie mit Philippa Foots Naturauffassung des Guten kombinierte? Dann käme man wohl dahin, wo der poetische Erich Kästner schon früher angelangt war: Es gibt nichts Gutes, es sei denn, man tut es. Mit anderen, mit den Worten des noch zu schreibenden Drei-Autoren-Buches: Politik ist selbstverständlich immer die Politik des guten Lebens, es sei denn in jenen scharf umgrenzten, aber nach Gutdünken anwendbaren Ausnahmefällen, in denen das Gute zugunsten der Macht des Stärkeren nicht zu tun ist. Da wäre man mittendrin in Foucaults Folgeband der Gouvernementalität, in welchem sich nach Art eines umgekehrten Kästners die Geburt der Biopolitik vollzieht. In diesem Politikfeld läßt sich voller Poesie studieren, wie die Grenzen zur Sicherung des Guten nur deshalb errichtet werden, um sie hernach auf dem Wege des regulären Ausnahmezustands unterlaufen zu können. Hat Foucaultagambenfoot schon immer gesagt.
gey
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Sehr beeindruckt zeigt sich Rezensent Ulrich Raulff von Giorgio Agambens neuem Buch "Ausnahmezustand", einem Teilband seines auf vier Bände angelegten Homo-sacer-Projekts. Durch eine Reihe von "minutiösen rechtshistorischen und philosophischen Untersuchungen" vertieft Agamben darin seine Gedanken zum Ausnahmezustand, einer Kategorie zur Beschreibung der Abwesenheit des Rechts, ja der Aufhebung der Rechtsordnung, die im Konzentrationslager seine räumliche Gestalt findet, berichtet Raulff. Dabei erweist sich Agamben nach Raulffs Einschätzung einmal mehr als "scharfer Kritiker der Gegenwart" und "Analytiker des Belagerungszustands, den die Sicherheitspolitik der pax americana über die Welt verhängt hat." Darüber hinaus würdigt ihn Raulff als Rechtsphilosoph "ersten Ranges". So demonstriere er seine Qualität als Rechtshistoriker durch zwei historische Untersuchungen zum Aufkommen und Gebrauch des Konzepts und seiner Vorläufer ("Belagerungszustand", "Notstand") seit der Französischen Revolution sowie zum iustitium, einer römischen Institution, die als Archetyp des modernen Ausnahmezustands angesehen werden könne. "Brillant" findet Raulff zudem Agambens Exkurs über Carl Schmitt als Leser von Walter Benjamins frühem Aufsatz "Zur Kritik der Gewalt".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH