Die Sprache, die Liebe, die Einsamkeit - und der Tod, vor dem alles fragwürdig wird und der sich zu oft schon im Leben eingenistet hat, die deutsche Sprache, die nicht die Muttersprache ist, aber zur Heimat wurde, die Liebe der Körper und die Sprache, in der sie sagbar ist, die Einsamkeit, die gefüllt sein kann oder eine Niederlage, wenn der Tod recht behält: Das sind die Motive, um die SAID?s neue Gedichte kreisen. Die Lyrik SAID?s wird immer konzentrierter, lakonischer, einfacher und gerade dadurch schillernder, noch assoziationsreicher, als würde das Schweigen zwischen den Liebenden, den Körpern, über das, was sie verbindet und was sie trennt, nachhaltiger werden, im Guten wie im Bösen. SAID schreibt eine "ungekünstelte, lebensnahe und doch sehr vielschichtige Sprache"(Stefan Weidner) und nicht zufällig ist das erste Gedicht seines neuen Bandes ein Gedicht für Erich Fried. Und gleichzeitig, das macht die Bücher von SAID zusätzlich so lesenswert, trägt dieser exil-iranische Autor, der ein ganz reines Deutsch schreibt, in die deutsche Lyrik eine Bilderwelt und Erfahrungsweise herein, die nicht nur aus unserem, sondern eben, was die Liebe und die Körper anbelangt, aus dem persischen Traditionsraum stammt. So wird die deutsche Literatur bereichert, um einzigartige Gedichte über Liebe und Tod.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
In ihrer Besprechung vergleicht die Rezensentin Angela Schader, "Sei Nacht zu mir", einen Gedichtband, den der Autor 1998 veröffentlichte, mit dem neuen Band "Aussenhaut Binnenträume. Der Duktus des neuen Bandes, verrät die Rezensentin, sei der selbe, den der Leser schon von dem früheren Band kenne: Zwischen den Gedichten ließen sich Bezüge erahnen, "die einen quas erzählerischen Zusammenhang nahe legen". Allerdings sei der neue Band kompakter und zugänglicher, was vielleicht am größeren Umfang liege, "vielleicht aber auch an der noch intensiveren Intimität, der stets mit äußerster Knappheit formulierten Texte". Sie lobt Saids Texte, die "ins Ohr der Geliebten gesprochen, "wohl genossen und verstanden" werden - die sich aber auch " gelegentlich zu einer Zeugenschaft genötigt fühlen, die ihnen eigentlich nicht zusteht".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2003Mit Auge, Mund und Zunge
Der eigene Körper liest sich am besten: Saids lyrische Schicksale
Said ist von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Er bedichtet Haut und Haar, Augen, Mund und Zunge, die Brüste und die Brustwarzen, die Hüfte und die Taille, den Rücken, die (geöffneten) Beine und den Schoß, die Schenkel, die Füße und die Zehen der Geliebten. So leibhaftig und so leidenschaftlich schreibt in Deutschland nur Said über die Liebe. Allerdings: Der Tod, "diese fröstelnde laufhure", bleibt - bei aller Liebe - stets gegenwärtig; er, "der immerzu lauscht", "hausiert zwischen den zeilen". Diese gleichzeitige Gegenwärtigkeit von Liebe und Tod gehört zum unverkennbaren Sound Saids: "jeder von uns geht seinem tod entgegen und wartet. / nichts haben wir gelernt / von den vorbeiziehenden liebenden."
Das klingt fast vorwurfsvoll; so, als gäbe es etwas zu lernen von dieser Ars amatoria des aus Persien stammenden Said, die zugleich eine Ars moriendi ist. Kein ausgelassen-nachdenklicher Divan-Ton will sich hier einstellen; die Sinnlichkeit ist von anderer Art: Sie ist einerseits direkter, zupackender (im Hinblick auf die Geliebte) und andererseits schwarzgallig-melancholischer (im Hinblick auf den Liebenden). Die Person der Geliebten bleibt trotz (oder wegen?) ihrer Körperlichkeit merkwürdig unvollständig: Sie besitzt in diesen Texten keine eigene Erfahrung, keine Meinung, keinen Geist, vielleicht mit der Ausnahme eines einzigen erzählenden Gedichtes, das zugleich mit zehn Zeilen das längste des ganzen Bandes ist: "sie behielt den engel bei sich / und zog ihm die zähne. / tagsüber warf sie ihm / stroh vor die füße; / zur nacht / stopfte sie sein maul / mit heißen küssen. / das licht verkauften sie dann / an jeden, / der genug zahlte."
Ob man dieses Gedicht als Domestizierungsgeschichte des Mannes lesen möchte oder als Dokument einer Solidargemeinschaft zwischen Frau und Mann - in beiden Fällen kann sicherlich nicht davon gesprochen werden, daß sich hier dem Leser eine spezifisch persische Bilder- und Erfahrungswelt öffnet, was dem Autor oft und gern nachgesagt wird. Persisch-Exotisches findet sich kaum in seinen Gedichten. Ein Maulbeerbaum ist, sieht man von einem Hinweis auf seine Exilsituation in Deutschland ab, schon das äußerste Requisit des Fremdartigen, das in seinen Gedichten begegnet.
Nein: Said ist ein durch und durch deutscher Dichter. Er schreibt ein gepflegtes, gelegentlich geradezu gewähltes Deutsch, er liebt die guten alten geheimnisvollen Genitivmetaphern der fünfziger und sechziger Jahre - "die mundlose ungeduld der straßen", "der gekrümmte schlaf des todes", "die geplünderte hauptstadt meiner hände" - und er hat sogar einen gewissen Hang zum deutschen Raunen, zum Vergeheimnissen des Offenbaren: "als sie ging / nahm sie alle wasser mit". Sehr deutsch auch die Konzentration auf den eigenen After ("ich lebe in eintracht mit meinem after"), das Sperma und die nassen Bettlaken. Kein Wunder, daß die deutschen Schriftsteller ihn, der 1957 im Alter von achtzehn Jahren nach Deutschland kam, im Jahr 2000 zu ihrem Obmann wählten, zum Präsidenten des deutschen Pen-Clubs West: Er ist in der Tat einer von ihnen.
WULF SEGEBRECHT
Said: "Außenhaut Binnenträume". Neue Gedichte. Verlag C.H. Beck, München 2002. 98 S., br., 14,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der eigene Körper liest sich am besten: Saids lyrische Schicksale
Said ist von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Er bedichtet Haut und Haar, Augen, Mund und Zunge, die Brüste und die Brustwarzen, die Hüfte und die Taille, den Rücken, die (geöffneten) Beine und den Schoß, die Schenkel, die Füße und die Zehen der Geliebten. So leibhaftig und so leidenschaftlich schreibt in Deutschland nur Said über die Liebe. Allerdings: Der Tod, "diese fröstelnde laufhure", bleibt - bei aller Liebe - stets gegenwärtig; er, "der immerzu lauscht", "hausiert zwischen den zeilen". Diese gleichzeitige Gegenwärtigkeit von Liebe und Tod gehört zum unverkennbaren Sound Saids: "jeder von uns geht seinem tod entgegen und wartet. / nichts haben wir gelernt / von den vorbeiziehenden liebenden."
Das klingt fast vorwurfsvoll; so, als gäbe es etwas zu lernen von dieser Ars amatoria des aus Persien stammenden Said, die zugleich eine Ars moriendi ist. Kein ausgelassen-nachdenklicher Divan-Ton will sich hier einstellen; die Sinnlichkeit ist von anderer Art: Sie ist einerseits direkter, zupackender (im Hinblick auf die Geliebte) und andererseits schwarzgallig-melancholischer (im Hinblick auf den Liebenden). Die Person der Geliebten bleibt trotz (oder wegen?) ihrer Körperlichkeit merkwürdig unvollständig: Sie besitzt in diesen Texten keine eigene Erfahrung, keine Meinung, keinen Geist, vielleicht mit der Ausnahme eines einzigen erzählenden Gedichtes, das zugleich mit zehn Zeilen das längste des ganzen Bandes ist: "sie behielt den engel bei sich / und zog ihm die zähne. / tagsüber warf sie ihm / stroh vor die füße; / zur nacht / stopfte sie sein maul / mit heißen küssen. / das licht verkauften sie dann / an jeden, / der genug zahlte."
Ob man dieses Gedicht als Domestizierungsgeschichte des Mannes lesen möchte oder als Dokument einer Solidargemeinschaft zwischen Frau und Mann - in beiden Fällen kann sicherlich nicht davon gesprochen werden, daß sich hier dem Leser eine spezifisch persische Bilder- und Erfahrungswelt öffnet, was dem Autor oft und gern nachgesagt wird. Persisch-Exotisches findet sich kaum in seinen Gedichten. Ein Maulbeerbaum ist, sieht man von einem Hinweis auf seine Exilsituation in Deutschland ab, schon das äußerste Requisit des Fremdartigen, das in seinen Gedichten begegnet.
Nein: Said ist ein durch und durch deutscher Dichter. Er schreibt ein gepflegtes, gelegentlich geradezu gewähltes Deutsch, er liebt die guten alten geheimnisvollen Genitivmetaphern der fünfziger und sechziger Jahre - "die mundlose ungeduld der straßen", "der gekrümmte schlaf des todes", "die geplünderte hauptstadt meiner hände" - und er hat sogar einen gewissen Hang zum deutschen Raunen, zum Vergeheimnissen des Offenbaren: "als sie ging / nahm sie alle wasser mit". Sehr deutsch auch die Konzentration auf den eigenen After ("ich lebe in eintracht mit meinem after"), das Sperma und die nassen Bettlaken. Kein Wunder, daß die deutschen Schriftsteller ihn, der 1957 im Alter von achtzehn Jahren nach Deutschland kam, im Jahr 2000 zu ihrem Obmann wählten, zum Präsidenten des deutschen Pen-Clubs West: Er ist in der Tat einer von ihnen.
WULF SEGEBRECHT
Said: "Außenhaut Binnenträume". Neue Gedichte. Verlag C.H. Beck, München 2002. 98 S., br., 14,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main