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Produktdetails
  • Verlag: Anagrama
  • Seitenzahl: 304
  • Spanisch
  • Abmessung: 205mm x 137mm x 20mm
  • Gewicht: 307g
  • ISBN-13: 9788433967817
  • ISBN-10: 8433967819
  • Artikelnr.: 22572315

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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.02.2008

Europas Schrecken und Schönheit
W. G. Sebald: „Austerlitz”
Was verbirgt sich nicht alles im Namen „Austerlitz”? Ein Schlachtfeld in Mähren, auf dem Napoleon im Dezember 1805 zwei andere Kaiser besiegte. „Austerlitz” ist auch ein nach diesem Schlachtfeld benannter Pariser Bahnhof, im Westen der Stadt, hinter dem Jardin des Plantes gelegen. Und schließlich ist „Austerlitz” die Hauptfigur in W. G. Sebalds letztem Roman, der zuerst im Frühjahr 2001, ein gutes halbes Jahr vor dem Unfalltod seines Autors erschien – eines Autors, der gerade die Schwelle zum Weltruhm überschritten zu haben schien. Die Geschichte von Jacques Austerlitz ist das leichteste, das zugänglichste Werk dieses Schriftstellers, eine Wanderung rückwärts durch das Leben der Titelfigur, durch europäische Geschichtslandschaften, auf der immer wieder zwei Motive aufeinanderstoßen: die Schrecken der Geschichte und die Schönheit der Landschaften.
Jacques Austerlitz, zum Zeitpunkt des Erzählens ein rastloser Reisender kreuz und quer durch den Kontinent, gekleidet in eine Arbeitshose aus verschossener blauer Baumwolle sowie in ein „maßgeschneidertes, aber längst aus der Mode gekommenes Anzugsjackett”, hatte dreißig Jahre lang als Kunsthistoriker in London gearbeitet. Davor war er Schüler an einem wunderlich verstaubten Internat in England gewesen, davor Kind eines calvinistischen Predigers an der Küste von Wales. Bald aber ist Jacques Austerlitz unterwegs nach Prag, zu seiner eigentlichen, im Holocaust verschwundenen Familie, zu seinem eigentlichen Ich – und unterwegs nach Theresienstadt. Denn Jacques Austerlitz, der jüdische Knabe, war kurz vor dem Zweiten Weltkrieg mit einem „Kindertransport” aus der Tschechoslowakei nach England geschickt worden, um dort in der Adoption zu überleben. Die Suche nach der persönlichen Identität scheint diesem Buch das Handlungsmodell zu liefern. Doch so einfach ist es nicht. Denn dahinter, in einem beispiellosen Amalgam aus Essay, Poesie, Tatsachenbericht und Roman, entfaltet sich der Versuch, die europäische Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts als das Leben eines einzelnen Menschen zu erzählen, so nah wie möglich, so vielfältig, so disparat wie nötig.
Zusammengehalten wird dieses Unternehmen durch eine einzigartige Sprache: W. G. Sebald ist ein Meister der literarischen Vergegenwärtigung und des Periodenbaus. Der ruhige Wellenschlag seiner Sätze erinnert an eine längst vergangene Kunst, die ins neunzehnte Jahrhundert zu gehören scheint, zu Adalbert Stifter vielleicht. In dieser Sprache wird das Persönliche, das Private, zu etwas schlicht und einfach Vorfallenden, und das Große schrumpft, und doch verliert es nicht das Ungeheuerliche. Diese Sprache bringt alles, was sie berührt, auf mehr oder minder menschliches Maß – auch das Unmenschliche. Darin gleicht sie dem Helden dieser Geschichte: einer seltsam ungebundene Gestalt von auswärtiger Verfassung, kultiviert, diskret und sehr ernst. THOMAS STEINFELD
Winfried Georg Sebald Foto: Tappe/SZ Photo
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