Wie erinnert sich eine Nation an die Zeit ihrer Teilung und das Scheitern des unterlegenen Staates? Eine Antwort darauf geben die autobiographischen Erinnerungen der Eliten aus den amerikanischen Südstaaten nach 1865 und aus Ostdeutschland nach 1989. Angesichts der räumlichen und zeitlichen Trennung beider Gesellschaften überraschen die hierbei erkennbaren Parallelen in der Nutzung des Erinnerungsmediums "autobiographischer Text".
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2009Sachbuch Es stimmt, die Geschichte muss umgeschrieben werden. Es wird immer deutlicher, woran die DDR wirklich gescheitert ist: Sie hatte sich übernommen. Wer nebenberuflich immer auch noch damit zu tun hat, die Geschicke der Bundesrepublik zu bestimmen, der kommt zu Hause zu nichts mehr. So feiert die BRD mit großem Pomp Geburtstag und tut immer noch so, als hätte sie aus eigener Kraft gesiegt. Wie wir aber sehen dürfen, stimmt das gar nicht. Aber bis die Bücher darüber vorliegen, wie die Stasi das Wirtschaftswunder auslöste, den Dreier-BMW erfand und den Keil zwischen die Brüder Adi und Rudolf Dassler trieb, müssen wir uns noch mit Büchern befassen, die der irrigen Geschichtsauffassung eines westlichen Sieges anhängen. Zwei Bücher aus dem Böhlau-Verlag können da besonders empfohlen werden. Das eine heißt "Die Wessis" ("Westdeutsche Führungskräfte beim Aufbau Ost" von Friedrich Thießen, 29,90 Euro) und versammelt die Auskünfte derer, die man nach 1990 im Osten Alteigentümer, Glücksritter oder schlicht "Existenzen, die im Westen nichts geworden sind und sich jetzt bei uns wichtig machen" nannte. Deren eigene Erinnerungen erinnern dagegen eher an die Bilanzen von Kolonialbeamten, Archäologen oder Pionieren im Wilden Westen. Und das andere Buch zieht nun endlich auf sozialpsychologischer Ebene zusammen, wozu man vorher Friedrich von Borries' und Jens-Uwe Fischers Buch über die "Sozialistischen Cowboys" mit Wolfgang Schivelbuschs "Kultur der Niederlage" kurzschließen musste: "Autobiographische Verarbeitungen gesellschaftlichen Scheiterns: Die Eliten der amerikanischen Südstaaten nach 1865 und der DDR nach 1989" von Stefan Zahlmann. In dieser Verarbeitung der Niederlage schwingt in beiden Fällen die Gewissheit mit, der moralische Gewinner zu sein und von der Zeit dereinst ins Recht gesetzt zu werden. Weiterhin ein Desiderat bleibt mit anderen Worten das Buch "Die Aufklärung der Dialektik".
ripe
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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