Autonomie und Einwilligung sind zentrale Begriffe der modernen Medizinethik und des Medizinrechts, denen für die Gestaltung und Regulierung der ärztlichen Praxis und des medizinischen Fortschritts eine besondere Bedeutung zukommt. Dieser Bedeutung wird der Diskussionsstand in der Medizinethik nicht gerecht. Während sich im Medizinrecht eine ausdifferenzierte Einwilligungslehre entwickelt hat, bleibt die Diskussion in der Medizinethik weitgehend auf den Stand der traditionellen Debatte zwischen Selbstbestimmung und Patientenwohl beschränkt. In diesem Buch wird eine medizinische Einwilligungslehre mit den Mitteln der modernen Sprach- und Handlungstheorie von Grund auf neu entwickelt. Die Autonomie eines Handelnden wird als dessen Fähigkeit, eine stimmige Präferenzordnung zu erstellen und über die Zeit aufrecht zu erhalten, bestimmt. Autonomie-Defizite lassen sich dann als Störungen der kognitiven und emotiven Fähigkeiten des Handelnden beschreiben und systematisieren. Die Einwilligung wird sprechakttheoretisch als Teil einer lebensweltlichen Praxis rekonstruiert, mit der Arzt und Patient ihre jeweiligen Berechtigungen und Verpflichtungen näher bestimmen. Die Funktion der Einwilligung geht damit deutlich über die üblicherweise genannte Aufgabe, das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu schützen, hinaus. Aus diesen Überlegungen werden Hinweise für Defizite der gegenwärtigen Praxis entwickelt, die als eine Richtschnur für zukünftige Verbesserungen dienen können.
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