Mit den beiden Begriffen "Autopsie" und "reproduktive Phantasie" hat Georg Büchners Mentor Karl Gutzkow eine, wenn nicht die charakteristische Qualität des Büchnerschen Oeuvres schon früh erfaßt: den kritisch-sezierenden Rückgriff auf historisches und literarisches Quellenmaterial, das im Prozeß der Literarisierung kreativ verarbeitet und transzendiert wird. Neben der Hauptquelle, dem Bericht des Steintalpfarrers Oberlin, werden in den vorliegenden Quellenstudien erstmals zusammenhängend und vollständig die historisch-biographischen Informationen gesichtet, die sich Büchner über seinen Protagonisten Lenz, aber auch über die "Nebenfigur" Oberlin verschafft hat. Nach detaillierten Analysen zur Struktur und Chronologie der Erzählung wird Büchners Quellenverarbeitung in Nahaufnahme an einigen exemplarischen Textteilen untersucht. Die dabei zu Tage tretende faszinierende Verzahnung der unterschiedlichsten Quellenmaterialien läßt sich auch in der quellensynoptischen Edition des `Lenz' nachverfolgen, die der Darstellung in einem separaten Band beigegeben ist. Darin werden neben dem Erzähltext und der Hauptquelle die zentralen Stellen aus den historisch-biographischen und literarischen Quellen sowie die zahlreichen text- und werkinternen Parallelen auf einen Blick dargeboten. Abschließend werden die wesentlichen Grundzüge von Büchners Schreibmethodik herausgearbeitet und mit neueren Positionen zur Genese und Fragmentarität von Georg Büchners "Lenz"-Entwurf konfrontiert.