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Der Schweizer Humanist Heinrich Glarean (1488 bis 1563) erwarb sich unter seinen Zeitgenossen einen herausragenden Ruf als Editor und Kommentator lateinischer Texte wie als Verfasser von wissenschaftlichen und auf den universitären Unterricht zielenden Werken. Zudem galt er als ebenso gesuchter wie origineller Lehrer an den Universitäten Basel und Freiburg sowie der Studenten seiner privaten Burse. Von der Dynamik der prägenden geistig-kulturellen und religiösen Strömungen seiner Zeit wurde er unmittelbar berührt: War es zunächst die Konsolidierung des oberrheinischen Humanismus, die ihn als…mehr

Produktbeschreibung
Der Schweizer Humanist Heinrich Glarean (1488 bis 1563) erwarb sich unter seinen Zeitgenossen einen herausragenden Ruf als Editor und Kommentator lateinischer Texte wie als Verfasser von wissenschaftlichen und auf den universitären Unterricht zielenden Werken. Zudem galt er als ebenso gesuchter wie origineller Lehrer an den Universitäten Basel und Freiburg sowie der Studenten seiner privaten Burse. Von der Dynamik der prägenden geistig-kulturellen und religiösen Strömungen seiner Zeit wurde er unmittelbar berührt: War es zunächst die Konsolidierung des oberrheinischen Humanismus, die ihn als Mitglied des Kreises um Erasmus prägte, so in späteren Jahren die Reformation, infolge derer er - nach anfänglichen Sympathien für die Sache Luthers - als kämpferischer romtreuer Katholik seinen Lebensmittelpunkt 1529 von Basel in das habsburgische Freiburg verlegte. Auch Glareans musiktheoretisches Hauptwerk, das 1547 in Basel gedruckte Dodekachordon, steht nicht isoliert, vielmehr verweisengerade Glareans Bemühungen um die Vermittlung dieser Schrift, dass er ihr sowohl im Gefüge der Wissenschaften, wie auch darüber hinaus in der Auseinandersetzung zwischen den Konfessionen zentrale Bedeutung beimaß.
Die Arbeit Bernhard A. Kölbls verfolgt die zwei Stränge dieser autorgeleiteten Rezeption des Dodekachordons, wie sie sich in bisher größtenteils unbeachteten und unerschlossenen Quellen abbilden: In solchen Exemplaren des Dodekachordons, die handschriftliche Eintragungen von Glarean selbst bzw. aus seinem unmittelbaren Umfeld aufweisen. Glarean vermittelte einerseits die Inhalte seines Werkes im Rahmen der von ihm privat abgehaltenen parauniversitären Lehrveranstaltungen mit Hilfe eines für diesen didaktischen Zweck entwickelten (und mindestens einmal grundlegend überarbeiteten) Glossenkorpus an seine Studenten. Andererseits versandte er zahlreiche mit handschriftlichen Widmungen versehene Exemplare des Buches an verschiedene Amts- und Funktionsträger (u.a. Äbte Schweizer Klöster und Kollegen aus dem Gelehrtenkreis) und versuchte so, insbesondere in das konfessionelle Spannungsfeld seiner Schweizer Heimat hinein zu wirken und seine labile Position als "Exilant" im vorderösterreichischen Freiburg zu sichern.
Auf Basis dieses Quellenmaterials geht der Autor der Unterrichtspraxis an der frühneuzeitlichen Universität und in ihrem Umfeld ebenso nach, wie der Position der Musik im Wissenssystem der Zeit und dem Verhalten des Humanisten Glarean in der Konfrontation mit Prozessen der Nationalisierung und Konfessionalisierung und verfolgt damit einen Ansatz, der den Ausgangspunkt der Rezeptionsgeschichte einer musiktheoretischen Schrift interdisziplinär ausweitet. Weitere Kapitel vertiefen relevante Kontexte der Wissenschaftsgeschichte, der Entwicklung des Druckerei- und Verlagsgewerbes und der Indizierungspraxis der katholischen Kirche. Schließlich bietet der zweite Teil der Studie zum ersten Mal eine kritische Edition der handschriftlichen Widmungstexte sowie des von Glarean zusammengestellten Glossenbestandes zum Dodekachordon.

Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Rezensionen
"Während die Edition vor allem der Glossen in erster Linie für Musikwissenschaftler relevant ist, ist Kölbls gründlich recherchierte und historisch informierte Darstellung auch für die Humanismusforschung und Universitätsgeschichte mit Gewinn zu lesen."

Von Hahn

In: Archiv für Reformationsgeschichte, 42, 2013, S. 65-66.