Eine Mörderin legt ein Geständnis ab. Schon als Teenager bringt Jane Charlotte den Hausmeister ihrer Schule, den sie für einen Kindermörder hält, zur Strecke. Nun behauptet sie, einer Geheimorganisation anzugehören, die das Böse bekämpft. Doch je länger das Verhör in der psychiatrischen Abteilung eines Gefängnisses in Las Vegas dauert, desto widersprüchlicher und verstörender werden ihre Aussagen. Der Psychiater, der Jane befragt, scheint unheimlich viel von ihr zu wissen, von ihr und von ihrem kleinen Bruder, der als Kind entführt worden ist - doch stimmt das alles überhaupt? Matt Ruff erzählt in atemberaubendem Tempo einen Roman voll komischer, phantastischer, gruseliger und spannender Elemente. Wer an Philip K. Dick, Pynchon, Comics jeglicher Art und Matrix-Filme denkt, liegt nicht falsch.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.06.2008Von Tüftlern für Tüftler
Matt Ruffs furioser Genre-Roman „Bad Monkeys”
Zunächst ist alles so übersichtlich, als wäre man bei Beckett gelandet: Ein karger weißer Raum, ein Tisch, ein paar vereinzelte Gegenstände, bedeutungsschwangere Leere. Eine Frau sitzt am Tisch, die Hände in Handschellen, sie trägt einen orangefarbenen Overall, ein Mann im weißen Kittel kommt zur Tür herein, platziert seine Requisiten, eine Aktenmappe und einen kleinen Recorder. Doch die Frau braucht nur den Mund aufzumachen, schon sprengt ihr cooler Witz die Szenerie. Ob sie wisse, wo sie sich befinde? „Las Vegas, Strafvollzugsanstalt Clark County. Beklopptentrakt”, lautet die prompte Antwort, allerdings mit einer signifikanten kleinen Einschränkung: „...wenn die das Zimmer nicht in der Zwischenzeit verlegt haben”. Sie weiß auch, warum sie hier ist: „...weil ich jemanden getötet habe, den ich nicht hätte töten sollen”.
Schlichte Sätze, deutliche Signale. Wir sind weder im Theater noch in einer deutschen Krimiserie, sondern im psychedelischen Universum eines amerikanischen Autors, der Katz und Maus mit uns spielt. Romane dieses Genres – ein intelligenter Mix aus Realismus, Science Fiction und Mythen unterschiedlichster Provenienz – wollen beides sein: gute Unterhaltung und eine Herausforderung fürs Leserhirn, das allerlei verdeckte Informationen erkennen, aufeinander beziehen und zusammenfügen soll. Es ist Literatur von Tüftlern für Tüftler. Sie lebt davon, dass der Leser getäuscht, aber nicht belogen wird. Wer keinen Spaß an Konstruktionen hat, lässt lieber die Finger davon. Matt Ruff ist ein lockerer und amüsanter Erzähler, und seine weibliche Hauptfigur ist bei Gott nicht auf den Mund gefallen. Doch sein Hauptaugenmerk liegt auf der Stringenz, mit der „Bad Monkeys” seine eigene Logik entfaltet – und dass sie an manchen Stellen realistischer wirkt, als es einem recht sein kann.
Bitte das Böse bekämpfen
Die acht Szenen im „weißen Zimmer” strukturieren den Handlungsverlauf. „5. Juni 2002, ungefähr 9.45 Uhr. Dr. Richard Vale im Gespräch mit Untersuchungsperson Jane Charlotte”, spricht der Mann im weißen Kittel in der ersten Szene aufs Band. Jane behauptet, einer namenlosen Geheimorganisation anzugehören, die „das Böse” bekämpft. „Bad Monkeys” sei der Deckname ihrer Abteilung, zuständig für die „finale Ausschaltung nicht zu rettender Personen”. Das Ziel der Organisation sei es, „die Welt zu einem besseren Ort zu machen”. Sie sei kurz nach den Anschlägen aufs World Trade Center rekrutiert worden. Doch den ersten Kontakt zu den Bad Monkeys habe sie bereits als Teenager gehabt. Aber das sei eine lange Geschichte. Sie beginnt zu erzählen.
Aus den realistisch anmutenden Koordinaten einer verkrachten Jugend im San Francisco der siebziger Jahre entwickelt Matt Ruff einen immer abenteuerlicher werdenden Plot, den er nach und nach mit Science-Fiction-Elementen anreichert. Mit vierzehn Jahren wurde Jane von ihrer Mutter zu Onkel und Tante aufs Land verfrachtet. Die Alleinerziehende, die sich mit mehreren Jobs über Wasser hielt, hatte der Tochter die Sorge für den kleinen Bruder Phil aufgenötigt.
In dem Kaff bei Onkel und Tante will Jane den ersten Kontakt zu den Bad Monkeys gehabt haben. Matt Ruff erdet seinen Plot, indem er die Art und Weise, wie die Geheimorganisation operiert, nach dem Muster schizophrener Wahnvorstellungen strickt. Die Anweisungen werden per Telefon, Radio oder Kreuzworträtsel gegeben. So wird Jane genau im richtigen Moment, nämlich als sie einen Kindermörder, der in der Gegend sein Unwesen treibt, zur Strecke bringen will, ihre erste „NT-Waffe” zugespielt. Mit ihr lassen sich „Natürliche Todesarten” simulieren. Der Täter kann wählen, ob er sein Opfer mit „HI” (Hirninfarkt) oder mit „MI” (Myokardinfarkt) töten will. Janes reger Drogenkonsum legt ebenfalls eine Fährte, die sich eine Zeit lang mit guter Plausibilität verfolgen lässt. Irgendwann aber zieht Matt Ruff die Daumenschrauben an und lässt es richtig krachen. Die Handlung wird immer verwickelter, die Personen lassen sich kaum noch auseinander halten, auch wenn die Drahtzieher der Organisation so schöne Namen tragen wie True, Wise und Love (mit Vornamen heißen sie ohnehin alle Robert). Da wird gemordet und gestorben und wiederauferstanden, simuliert, materialisiert und teleportiert, was das Genre hergibt. Am schönsten sind die kleinen technischen Spielereien, die „Panopticon”, die „Abteilung für ubiquitäre intermittierende Observierung”, entwickelt, zum Beispiel Miniatursensoren in Form hauchdünner Kontaktlinsen, die auf Plakaten, Fotos oder Banknoten angebracht werden, um Personen oder den Geldverkehr zu überwachen. Die 9/11-Paranoia lässt grüßen.
„Bad Monkeys”, der vierte Roman des 1965 in New York geborenen Autors, treibt ein cleveres Spiel mit der Idee von Gut und Böse, mit der Rolle des Gewissens und der Frage persönlicher Schuld. Am Ende liefert er einen furiosen Showdown. Dennoch wird man den Verdacht nicht los, dass die Zwänge des Genres, eine gewisse Plausibilität mit Überraschungseffekten zu kombinieren, der Begabung Matt Ruffs eher im Weg stehen. „Bad Monkeys” ist auch eine Hommage auf Philip K. Dick, den amerikanischen Science-Fiction-Autor, der spätestens seit „Blade Runner”, Ridley Scotts Verfilmung von „Do Androids Dream of Electric Sheep?”, Kult ist. Von ihm und seiner früh verstorbenen Zwillingsschwester Jane hat sich Matt Ruff nicht nur die Namen seines Geschwisterpaars geborgt. Janes Witz und schroffer Charme, ihr Kampfgeist und ihre Schnoddrigkeit, aber auch die soziologisch genauen Details aus dem amerikanischen Alltag hinterlassen am Ende einen stärkeren Eindruck als das ganze Sci-Fi-Gebastle.MEIKE FESSMANN
MATT RUFF: Bad Monkeys. Roman. Aus dem Amerikanischen von Giovanni und Ditte Bandini. Hanser Verlag, München 2008. 252 Seiten, 19,90 Euro.
Matt Ruff Foto: Anna Weise
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Matt Ruffs furioser Genre-Roman „Bad Monkeys”
Zunächst ist alles so übersichtlich, als wäre man bei Beckett gelandet: Ein karger weißer Raum, ein Tisch, ein paar vereinzelte Gegenstände, bedeutungsschwangere Leere. Eine Frau sitzt am Tisch, die Hände in Handschellen, sie trägt einen orangefarbenen Overall, ein Mann im weißen Kittel kommt zur Tür herein, platziert seine Requisiten, eine Aktenmappe und einen kleinen Recorder. Doch die Frau braucht nur den Mund aufzumachen, schon sprengt ihr cooler Witz die Szenerie. Ob sie wisse, wo sie sich befinde? „Las Vegas, Strafvollzugsanstalt Clark County. Beklopptentrakt”, lautet die prompte Antwort, allerdings mit einer signifikanten kleinen Einschränkung: „...wenn die das Zimmer nicht in der Zwischenzeit verlegt haben”. Sie weiß auch, warum sie hier ist: „...weil ich jemanden getötet habe, den ich nicht hätte töten sollen”.
Schlichte Sätze, deutliche Signale. Wir sind weder im Theater noch in einer deutschen Krimiserie, sondern im psychedelischen Universum eines amerikanischen Autors, der Katz und Maus mit uns spielt. Romane dieses Genres – ein intelligenter Mix aus Realismus, Science Fiction und Mythen unterschiedlichster Provenienz – wollen beides sein: gute Unterhaltung und eine Herausforderung fürs Leserhirn, das allerlei verdeckte Informationen erkennen, aufeinander beziehen und zusammenfügen soll. Es ist Literatur von Tüftlern für Tüftler. Sie lebt davon, dass der Leser getäuscht, aber nicht belogen wird. Wer keinen Spaß an Konstruktionen hat, lässt lieber die Finger davon. Matt Ruff ist ein lockerer und amüsanter Erzähler, und seine weibliche Hauptfigur ist bei Gott nicht auf den Mund gefallen. Doch sein Hauptaugenmerk liegt auf der Stringenz, mit der „Bad Monkeys” seine eigene Logik entfaltet – und dass sie an manchen Stellen realistischer wirkt, als es einem recht sein kann.
Bitte das Böse bekämpfen
Die acht Szenen im „weißen Zimmer” strukturieren den Handlungsverlauf. „5. Juni 2002, ungefähr 9.45 Uhr. Dr. Richard Vale im Gespräch mit Untersuchungsperson Jane Charlotte”, spricht der Mann im weißen Kittel in der ersten Szene aufs Band. Jane behauptet, einer namenlosen Geheimorganisation anzugehören, die „das Böse” bekämpft. „Bad Monkeys” sei der Deckname ihrer Abteilung, zuständig für die „finale Ausschaltung nicht zu rettender Personen”. Das Ziel der Organisation sei es, „die Welt zu einem besseren Ort zu machen”. Sie sei kurz nach den Anschlägen aufs World Trade Center rekrutiert worden. Doch den ersten Kontakt zu den Bad Monkeys habe sie bereits als Teenager gehabt. Aber das sei eine lange Geschichte. Sie beginnt zu erzählen.
Aus den realistisch anmutenden Koordinaten einer verkrachten Jugend im San Francisco der siebziger Jahre entwickelt Matt Ruff einen immer abenteuerlicher werdenden Plot, den er nach und nach mit Science-Fiction-Elementen anreichert. Mit vierzehn Jahren wurde Jane von ihrer Mutter zu Onkel und Tante aufs Land verfrachtet. Die Alleinerziehende, die sich mit mehreren Jobs über Wasser hielt, hatte der Tochter die Sorge für den kleinen Bruder Phil aufgenötigt.
In dem Kaff bei Onkel und Tante will Jane den ersten Kontakt zu den Bad Monkeys gehabt haben. Matt Ruff erdet seinen Plot, indem er die Art und Weise, wie die Geheimorganisation operiert, nach dem Muster schizophrener Wahnvorstellungen strickt. Die Anweisungen werden per Telefon, Radio oder Kreuzworträtsel gegeben. So wird Jane genau im richtigen Moment, nämlich als sie einen Kindermörder, der in der Gegend sein Unwesen treibt, zur Strecke bringen will, ihre erste „NT-Waffe” zugespielt. Mit ihr lassen sich „Natürliche Todesarten” simulieren. Der Täter kann wählen, ob er sein Opfer mit „HI” (Hirninfarkt) oder mit „MI” (Myokardinfarkt) töten will. Janes reger Drogenkonsum legt ebenfalls eine Fährte, die sich eine Zeit lang mit guter Plausibilität verfolgen lässt. Irgendwann aber zieht Matt Ruff die Daumenschrauben an und lässt es richtig krachen. Die Handlung wird immer verwickelter, die Personen lassen sich kaum noch auseinander halten, auch wenn die Drahtzieher der Organisation so schöne Namen tragen wie True, Wise und Love (mit Vornamen heißen sie ohnehin alle Robert). Da wird gemordet und gestorben und wiederauferstanden, simuliert, materialisiert und teleportiert, was das Genre hergibt. Am schönsten sind die kleinen technischen Spielereien, die „Panopticon”, die „Abteilung für ubiquitäre intermittierende Observierung”, entwickelt, zum Beispiel Miniatursensoren in Form hauchdünner Kontaktlinsen, die auf Plakaten, Fotos oder Banknoten angebracht werden, um Personen oder den Geldverkehr zu überwachen. Die 9/11-Paranoia lässt grüßen.
„Bad Monkeys”, der vierte Roman des 1965 in New York geborenen Autors, treibt ein cleveres Spiel mit der Idee von Gut und Böse, mit der Rolle des Gewissens und der Frage persönlicher Schuld. Am Ende liefert er einen furiosen Showdown. Dennoch wird man den Verdacht nicht los, dass die Zwänge des Genres, eine gewisse Plausibilität mit Überraschungseffekten zu kombinieren, der Begabung Matt Ruffs eher im Weg stehen. „Bad Monkeys” ist auch eine Hommage auf Philip K. Dick, den amerikanischen Science-Fiction-Autor, der spätestens seit „Blade Runner”, Ridley Scotts Verfilmung von „Do Androids Dream of Electric Sheep?”, Kult ist. Von ihm und seiner früh verstorbenen Zwillingsschwester Jane hat sich Matt Ruff nicht nur die Namen seines Geschwisterpaars geborgt. Janes Witz und schroffer Charme, ihr Kampfgeist und ihre Schnoddrigkeit, aber auch die soziologisch genauen Details aus dem amerikanischen Alltag hinterlassen am Ende einen stärkeren Eindruck als das ganze Sci-Fi-Gebastle.MEIKE FESSMANN
MATT RUFF: Bad Monkeys. Roman. Aus dem Amerikanischen von Giovanni und Ditte Bandini. Hanser Verlag, München 2008. 252 Seiten, 19,90 Euro.
Matt Ruff Foto: Anna Weise
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Nur eine Weile lang findet der Rezensent Peter Körte diesen Roman überraschend und unterhaltsam. Die Vorbilder des Buchs sind schon mal nicht von schlechten Eltern: Philip K. Dick etwa oder auch die "Matrix"-Trilogie. Impliziert ist damit bereits der doppelte Boden, auf oder über dem Matt Ruff sich mit seiner Heldin Jane Charlotte bewegt. Die sitzt in der Psychiatrie, weil sie getötet hat, wenn auch - wenn man sie fragt, jedenfalls - im Auftrag einer Organisation mit dem Namen "Abteilung für die finale Ausschaltung nicht zu rettender Personen". Aus dieser Grundkonstellation macht der Autor einen turbulenten Roman, in dem es pausenlos knallt und Überraschungen gibt. Genau davon aber bekommt der Rezensent eher früher als später zu viel. Der rote Faden verliert sich in fortgesetzten Versuchen der "Selbstüberbietung" - und zu allem Überfluss werde der Qualitätsunterschied zu einem ähnlich gelagerten Roman wie Stewart O'Nans "Speed Queen" allzu deutlich.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2008Mit bösen Affen macht man kurzen Prozess
Matt Ruff, Autor von "Matrix", widmet sich einer Serienkillerin
Von Peter Körte
Dem weißen Kaninchen muss hier keiner folgen, und es gibt auch keinen Agent Smith, der sich noch schneller vervielfältigen kann als die Protagonisten in Matt Ruffs Roman "Ich und die anderen" (2004), die an MPS, an multipler Persönlichkeitsstörung litten. Aber an die "Matrix" soll man schon denken in Ruffs neuem Roman "Bad Monkeys", nicht bloß, weil der Verlag behauptet: "Wer an Philip K. Dick, Pynchon, Comics jeglicher Art und an Matrix-Filme denkt, liegt auf jeden Fall nicht falsch." Ob er damit richtigliegt, ist wohl eher die Frage.
Man kann aber den Roman des zweiundvierzigjährigen Ruff auch einfach mal beim Wort nehmen. Und das Wort hat Jane Charlotte. Die Enddreißigerin sitzt in der Psychiatrie, sie ist wegen Mordes angeklagt, und der behandelnde Arzt erklärt sich bereit, ihre Geschichte anzuhören. Er konfrontiert ihre Version mit deren inneren Widersprüchen und einigen offenkundigen Lügen. Und das Aufeinanderprallen der Versionen schürt nur die Paranoia, für die Jane Charlotte auch schon vorher höchst anfällig war. Sie behauptet, einer geheimen Organisation anzugehören, der "Abteilung für die finale Ausschaltung nicht zu rettender Personen". In dieser Mission hat sie den einen oder anderen Mord verübt, im Namen einer höherer Gerechtigkeit, die es ihr erlaubt hat, "böse Affen" ("bad monkeys") auszuschalten - nicht ohne Pannen, aber sehr entschlossen und von keinerlei Zweifel geplagt. Dass Jane Charlotte ein Drop-out ist, aus einer kaputten Familie kommt und sich jahrelang mit irgendwelchen Jobs über Wasser gehalten hat, kommt dabei notwendig auch ans Licht, und dass es da auch eine dunkle Geschichte um ihren jüngeren Bruder Phil gibt, wird desto unabweislicher, je trickreicher sie sie zu umschiffen sucht.
Da sind viele Schleier und manche Nebelkerzen, es gibt reichlich blutige Action, eine Menge Tote und skurrile Einfälle, die mit einer gewissen Atemlosigkeit aufeinanderfolgen, als habe Ruff sich Sorgen gemacht, dass ohne pausenlose Spezialeffekte, die sich ja in der Literatur deutlich preiswerter erzeugen lassen als im Kino, der Boden etwas dünn werden könnte, auf dem die Geschichte sich bewegt. Dass nichts ist, was es scheint, dass keiner derjenige ist, der er zu sein vorgibt, dass einer sich verrückt stellt, um nicht verrückt zu werden, dass einer Doppel- oder sogar Dreifach-Agent sein kann, der sich einschleusen lässt, um die Einschleuser zu düpieren, das ist eine Weile ganz amüsant, und die sprachlichen Pirouetten, die Ruff dabei vorführt, sind sowohl überraschend inszeniert als auch von einer gewissen Eleganz. Doch irgendwann wird man des Spiels müde, weil es weniger um den Thrill der Story geht, mit dem ein Roman den Leser in Atem hält, sondern nur noch um Selbstüberbietung und den jeweils noch absurderen Einfall.
Deshalb sieht man auch nicht recht ein, warum der Roman immer wieder zwischen der ersten und dritten Person Singular springt; denn im Grunde handelt es sich um eine verkappte Ich-Erzählung mit einer sehr unzuverlässigen und alles andere als sympathischen Ich-Erzählerin, die Grund hat, ihre mörderischen Bekenntnisse ein wenig zu manipulieren. Das allerdings hat man dann doch schon mal besser gelesen, in Stewart O'Nans "Speed Queen" (1998) zum Beispiel, wo sich Medienhype und Wahn einer Serienkillerin auf weit unheimlichere Weise verschränkten. Bei Matt Ruff ist vor lauter Einfällen irgendwann der konkrete Fall verschwunden.
- Matt Ruff: "Bad Monkeys". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Giovanni und Ditte Bandini. Carl Hanser Verlag, München 2008. 256 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Matt Ruff, Autor von "Matrix", widmet sich einer Serienkillerin
Von Peter Körte
Dem weißen Kaninchen muss hier keiner folgen, und es gibt auch keinen Agent Smith, der sich noch schneller vervielfältigen kann als die Protagonisten in Matt Ruffs Roman "Ich und die anderen" (2004), die an MPS, an multipler Persönlichkeitsstörung litten. Aber an die "Matrix" soll man schon denken in Ruffs neuem Roman "Bad Monkeys", nicht bloß, weil der Verlag behauptet: "Wer an Philip K. Dick, Pynchon, Comics jeglicher Art und an Matrix-Filme denkt, liegt auf jeden Fall nicht falsch." Ob er damit richtigliegt, ist wohl eher die Frage.
Man kann aber den Roman des zweiundvierzigjährigen Ruff auch einfach mal beim Wort nehmen. Und das Wort hat Jane Charlotte. Die Enddreißigerin sitzt in der Psychiatrie, sie ist wegen Mordes angeklagt, und der behandelnde Arzt erklärt sich bereit, ihre Geschichte anzuhören. Er konfrontiert ihre Version mit deren inneren Widersprüchen und einigen offenkundigen Lügen. Und das Aufeinanderprallen der Versionen schürt nur die Paranoia, für die Jane Charlotte auch schon vorher höchst anfällig war. Sie behauptet, einer geheimen Organisation anzugehören, der "Abteilung für die finale Ausschaltung nicht zu rettender Personen". In dieser Mission hat sie den einen oder anderen Mord verübt, im Namen einer höherer Gerechtigkeit, die es ihr erlaubt hat, "böse Affen" ("bad monkeys") auszuschalten - nicht ohne Pannen, aber sehr entschlossen und von keinerlei Zweifel geplagt. Dass Jane Charlotte ein Drop-out ist, aus einer kaputten Familie kommt und sich jahrelang mit irgendwelchen Jobs über Wasser gehalten hat, kommt dabei notwendig auch ans Licht, und dass es da auch eine dunkle Geschichte um ihren jüngeren Bruder Phil gibt, wird desto unabweislicher, je trickreicher sie sie zu umschiffen sucht.
Da sind viele Schleier und manche Nebelkerzen, es gibt reichlich blutige Action, eine Menge Tote und skurrile Einfälle, die mit einer gewissen Atemlosigkeit aufeinanderfolgen, als habe Ruff sich Sorgen gemacht, dass ohne pausenlose Spezialeffekte, die sich ja in der Literatur deutlich preiswerter erzeugen lassen als im Kino, der Boden etwas dünn werden könnte, auf dem die Geschichte sich bewegt. Dass nichts ist, was es scheint, dass keiner derjenige ist, der er zu sein vorgibt, dass einer sich verrückt stellt, um nicht verrückt zu werden, dass einer Doppel- oder sogar Dreifach-Agent sein kann, der sich einschleusen lässt, um die Einschleuser zu düpieren, das ist eine Weile ganz amüsant, und die sprachlichen Pirouetten, die Ruff dabei vorführt, sind sowohl überraschend inszeniert als auch von einer gewissen Eleganz. Doch irgendwann wird man des Spiels müde, weil es weniger um den Thrill der Story geht, mit dem ein Roman den Leser in Atem hält, sondern nur noch um Selbstüberbietung und den jeweils noch absurderen Einfall.
Deshalb sieht man auch nicht recht ein, warum der Roman immer wieder zwischen der ersten und dritten Person Singular springt; denn im Grunde handelt es sich um eine verkappte Ich-Erzählung mit einer sehr unzuverlässigen und alles andere als sympathischen Ich-Erzählerin, die Grund hat, ihre mörderischen Bekenntnisse ein wenig zu manipulieren. Das allerdings hat man dann doch schon mal besser gelesen, in Stewart O'Nans "Speed Queen" (1998) zum Beispiel, wo sich Medienhype und Wahn einer Serienkillerin auf weit unheimlichere Weise verschränkten. Bei Matt Ruff ist vor lauter Einfällen irgendwann der konkrete Fall verschwunden.
- Matt Ruff: "Bad Monkeys". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Giovanni und Ditte Bandini. Carl Hanser Verlag, München 2008. 256 S., geb., 19,90 [Euro].
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"Ruff, der im Erzählen fliegt und uns auf hohem literarischen Niveau mitfliegen lässt, hat mit "Bad Monkeys" eine Hommage auf den Menschen und Plotmeister Dick geschrieben, wie sie sich der Autor selbst kaum raffinierter hätte ausdenken können" Brigitte Helbling, Welt am Sonntag, 09.03.08
"Matt Ruff ist mit allen Wassern der modernen Medien gewaschen und wirbelt munter Pop- und Hochkultur durcheinander." Wieland Freund, Die Welt, 09.02.08
"Ein unglaublich spannender Roman, der immer wieder überraschende Wendungen auffährt. Was ist Realität, was Illusion? Erst ganz am Ende folgt die komplett unerwartete Auflösung, die allein schon einen Platz auf der Liste der Jahresbesten rechtfertigt." kulturnews, 02.08
"Seine Romane sind dick gepolsterte Kinosessel, in die man versinkt, um erst wieder aufzutauchen, wenn das Licht angeht und der Autor zur unvermeidlichen Danksagung ansetzt." Wieland Freund, Die Welt, 09.02.08
"Sollten die "Matrix"-Regisseure nach einem neuen Filmstoff suchen: Jane Charlotte und ihre metaphysischen Verwicklungen sind sehr zu empfehlen." Der Spiegel, 05.05.08
"Wer Philip K. Dick, Pynchon, Comics und Matrix-Filme mag, liegt bei ihm richtig: Matt Ruff hat für jeden etwas dabei." Peter Körte, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.03.08
"Der Autor glüht als Stern in der US-literarischen Landschaft. ... Ruff fliegt im Erzählen und lässt uns auf hohem literarischen Niveau mitfliegen." Brigitte Helbling, Welt am Sonntag, 09.03.08
"Ruff steuert die Leser seines Fantasy-Thrillers so raffiniert und rapide durch ein Labyrinth der Zweifel, Widersprüche, Doppelungen und unerwarteten Wendungen, dass sich selbst sein großes Vorbild Philip K. Dick bei dieser - nebenbei sehr witzigen - Tour de Force ein Schleudertrauma zugezogen hätte." Der Spiegel, 05.05.08
"Matt Ruff ist mit allen Wassern der modernen Medien gewaschen und wirbelt munter Pop- und Hochkultur durcheinander." Wieland Freund, Die Welt, 09.02.08
"Ein unglaublich spannender Roman, der immer wieder überraschende Wendungen auffährt. Was ist Realität, was Illusion? Erst ganz am Ende folgt die komplett unerwartete Auflösung, die allein schon einen Platz auf der Liste der Jahresbesten rechtfertigt." kulturnews, 02.08
"Seine Romane sind dick gepolsterte Kinosessel, in die man versinkt, um erst wieder aufzutauchen, wenn das Licht angeht und der Autor zur unvermeidlichen Danksagung ansetzt." Wieland Freund, Die Welt, 09.02.08
"Sollten die "Matrix"-Regisseure nach einem neuen Filmstoff suchen: Jane Charlotte und ihre metaphysischen Verwicklungen sind sehr zu empfehlen." Der Spiegel, 05.05.08
"Wer Philip K. Dick, Pynchon, Comics und Matrix-Filme mag, liegt bei ihm richtig: Matt Ruff hat für jeden etwas dabei." Peter Körte, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.03.08
"Der Autor glüht als Stern in der US-literarischen Landschaft. ... Ruff fliegt im Erzählen und lässt uns auf hohem literarischen Niveau mitfliegen." Brigitte Helbling, Welt am Sonntag, 09.03.08
"Ruff steuert die Leser seines Fantasy-Thrillers so raffiniert und rapide durch ein Labyrinth der Zweifel, Widersprüche, Doppelungen und unerwarteten Wendungen, dass sich selbst sein großes Vorbild Philip K. Dick bei dieser - nebenbei sehr witzigen - Tour de Force ein Schleudertrauma zugezogen hätte." Der Spiegel, 05.05.08