Ein junger Journalist macht Karriere bei einer Wochenzeitung und gerät in den Sog des schillernden, diabolischen Chefredakteurs - mit lebensbedrohlichen Folgen. Anfangs versucht M. den nationalkonservativen Furor seines Chefs mit Humor zu nehmen, zumal der smarte Blattmacher dabei brillant und originell vorgeht. Zunehmend irritiert stellt M. fest, dass er in seiner neuen Position kaum etwas entscheiden darf und auch noch den Sündenbock für seinen Chef und dessen Umstrukturierungspläne spielen soll. Irritiert ist allerdings nicht nur M., sondern auch eine Gruppe radikaler Muslime, die die Hetze gegen Ausländer satt hat. Jemand soll dafür bezahlen. Ein temporeicher und scharfsinniger Thriller über die Manipulation und Stimmungsmache in Medien und Gesellschaft.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Rainer Stadler gibt zu, dass Bruno Ziauddins unter anderem aus eigenen Erinnerungen gebaute Mediensatire nicht eben von der Unvorhersehbarkeit des Geschehens lebt. Das Drama um eine Zürcher Wochenzeitung, allerhand politische Scharmützel, einen skrupellosen Chefredakteur, Geldsäcke, Islamismus und Hasskommentatoren im Internet bietet laut Stadler zwar jede Menge Zeitgeist, aber leider auch keine echte gedankliche Durchdringung der angerissenen Themen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.02.2016Ein Schlüsselroman für die Schweiz?
Ist das nun Roger Köppel oder nicht? Bruno Ziauddins "Bad News" behandelt kritisch die helvetische Medienlandschaft
Bei "Maischberger" hat Jakob Augstein die "Weltwoche" vergangene Woche mit dem "Stürmer" verglichen - und ihr Verleger wie Chefredakteur Roger Köppel hat das Titelblatt über die Ausländerkriminalität als äußerst gelungen verteidigt. Auf dem Theater, im Züricher Neumarkt, war der Wochenzeitung von dem Regisseur Milo Rau mit Ankläger, Verteidiger und Zeugen während dreier Tage der Prozess gemacht worden. Jetzt ist die "Weltwoche" auch noch Schauplatz eines Romans mit Roger Köppel in der wichtigsten Nebenrolle: "Bad News". Geschrieben hat ihn Bruno Ziauddin, Journalist und Autor eines im Rowohlt Verlag erschienenen Essays über die "deutschen Gummihälse" in der Schweiz.
Er beginnt mit einer akribisch recherchierten Notoperation, deren tempogeladene Beschreibung zeigt, wie gut Bruno Ziauddin das Handwerk des Reporters beherrscht. Die Anlage der Geschichte suggeriert, dass der Patient, um dessen Überleben die Ärzte kämpfen, Roger Köppel ist. Sie spielt in den frühen Jahren unseres Jahrtausends in der "wichtigsten Wochenzeitung des Landes", deren Name genauso wenig genannt wird wie jener der hauptsächlichen Akteure M. und T.
M. ist leidenschaftlicher Journalist und T. sein Chefredakteur, der ihn in die Führungsriege beruft. Die Konstellation erinnert unweigerlich an die "Weltwoche", zu deren Redaktionsleiter Roger Köppel damals nach undurchsichtigen Besitzerwechseln ernannt worden war. Er verpasste der linksliberalen Wochenzeitung mit großer Vergangenheit einen Kurswechsel. Bruno Ziauddin wurde in die Redaktionsleitung berufen. Er blieb länger als viele Kollegen.
Die inhaltlichen Auseinandersetzungen in der Redaktion drehen sich um den Angriff der Amerikaner auf den Irak in der Folge des 11. Septembers. Der "Krieg der Kulturen" steht für den Triumph der neokonservativen Intellektuellen. Ziauddin geht es darum, mit seinem Köppel-Roman den Epochenwandel in der Schweiz zu thematisieren: Die Achtundsechziger verlieren die Deutungshoheit, die neuen Gesellschaftsveränderer betreiben die Provokation gegen die "politische Korrektheit" - sie war Köppels publizistisches Erfolgsrezept. Diese Strategie eröffnete die inzwischen erfolgte Eroberung der kulturellen Hegemonie und den Aufstieg der Schweizerischen Volkspartei. Sie hatte nach dem Fall der Mauer das Feindbild Moskau durch Brüssel ersetzt und erklärte Europa zur Neuauflage des Dritten Reichs. Jegliche Annäherung bekämpfte die SVP als "Frage von Anpassung oder Widerstand". Seit der erfolgreichen Abschottung geht es um die Ausschließung: gegen Ausländer und Einwanderer, schwarze Schafe und Minarette. Gegen Merkel, für Orban und Putin. Und als Feindbild gibt der Islam publizistisch und politisch einiges her.
Der Krieg im Balkan hatte der Schweiz eine neue Generation von Flüchtlingen beschert. Um Damir, einen jungen Muslim bosnischer Herkunft, entwickelt Bruno Ziauddin den zweiten Strang der Handlung. Er beschreibt das Lebensgefühl dieser Jugend im helvetischen Exil. Damirs Vater ist eine schwache Figur, die Mutter wurde im Krieg vergewaltigt. Über einen Job und den väterlichen Freund Mohamed führt der Weg in die Moschee, wo die Artikel in der "wichtigsten Wochenzeitung des Landes" als islamophobe Beschimpfung empfunden werden.
M. ist kein Fremdenhasser und seine Freundin, der "ein Lulatsch wie hypnotisiert in den Ausschnitt stiert", eine "Jugo-Tussi": "Sie hatte Männer gehabt, die besser aussahen (Drago), sportlicher waren (Milan) und besser im Bett (Kevin, Nino). Er würde natürlich ausflippen, wenn er wüsste, wie sie dachte. Dabei waren ihr diese Dinge überhaupt nicht wichtig, ehrlich. Sie hatte sich in sein Hirn verliebt. Dieses sorgte dafür, dass sie sich in seiner Gegenwart nie langweilte, ganz viel lachte und ganz viel Spannendes lernte. Zum Beispiel wusste er über den Jugoslawien-Krieg besser Bescheid als sie selbst."
Man liest diese Zeilen gezwungenermaßen als literarisches (Selbst-)Porträt des Journalisten M. Etwas weniger ironisch fällt jenes seines "diabolischen" (so der Klappentext) Chefredakteurs T. aus. Dieser schenkt seinem Mitarbeiter als Belohnung für gute Arbeit zwei Karten für das Champions-League-Endspiel in Manchester, will ihn aber nicht begleiten: "Ich mache mir nichts aus Fußball." Auf den realen Roger Köppel trifft das nicht zu. Seine Karriere hatte in der Sportredaktion begonnen. Und er schwärmte vom neuen deutschen Fußball, als es der helvetische Mainstream noch immer mit den Nazi-Klischees hielt.
Auch andere Einschätzungen, Anekdoten, Indiskretionen in Ziauddins Roman können selbst von Insidern kaum an konkreten Fakten festgemacht werden. In den wenigen Figuren mit Bekanntheitspotential spiegeln sich viele Facetten tatsächlich existierender Personen - und genauso verwirrend hat der Autor es gewollt. Sein Roman ist keine Abrechnung mit Roger Köppel. Den Zynismus, die Seilschaften und Machtkämpfe kennt man aus anderen Redaktionen nur zu gut.
Romane von Journalisten sind manchmal ziemlich peinlich. Vor allem, wenn sie aus den seichten Niederungen der Aktualität zu den poetischen Gipfeln der literarischen Unsterblichkeit streben. Dieser Versuchung geht Bruno Ziauddin konsequent aus dem Weg. Eine kleine literarische Freiheit nimmt er sich gleichwohl: Er bringt T. mit einem dubiosen finnischen Holocaust-Leugner in Verbindung. Doch zum Skandal, wie ihn Martin Walsers "Tod eines Kritikers" auslöste, eignet sich "Bad News" nicht. Es gibt keinen Mord am Chefredakteur, der im wahren späteren Leben auch noch Chefredakteur in Deutschland (der "Welt"), Besitzer der "Weltwoche", Parteimitglied der Schweizerischen Volkspartei, Abgeordneter in Bern und Dauergast in den deutschen Talkshows werden darf.
Mit einer herrlichen Volte lässt Bruno Ziauddin seine konsequent aufgebaute Dramaturgie ins Leere laufen. M. hat sich zur Kündigung entschlossen. Er folgt T. ins Fitnesszentrum, ein Weg, dessen Regelmäßigkeit auch den Islamisten aufgefallen ist. Ein "Bärtiger" ist ihnen dicht auf den Fersen. Das Attentat verläuft jedoch anders als geplant. Und auf dem Operationstisch liegt schließlich nicht der, den man zu Beginn dort vermutete.
JÜRG ALTWEGG
Bruno Ziauddin:
"Bad News". Roman.
Verlag Nagel & Kimche,
Zürich 2016. 208 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ist das nun Roger Köppel oder nicht? Bruno Ziauddins "Bad News" behandelt kritisch die helvetische Medienlandschaft
Bei "Maischberger" hat Jakob Augstein die "Weltwoche" vergangene Woche mit dem "Stürmer" verglichen - und ihr Verleger wie Chefredakteur Roger Köppel hat das Titelblatt über die Ausländerkriminalität als äußerst gelungen verteidigt. Auf dem Theater, im Züricher Neumarkt, war der Wochenzeitung von dem Regisseur Milo Rau mit Ankläger, Verteidiger und Zeugen während dreier Tage der Prozess gemacht worden. Jetzt ist die "Weltwoche" auch noch Schauplatz eines Romans mit Roger Köppel in der wichtigsten Nebenrolle: "Bad News". Geschrieben hat ihn Bruno Ziauddin, Journalist und Autor eines im Rowohlt Verlag erschienenen Essays über die "deutschen Gummihälse" in der Schweiz.
Er beginnt mit einer akribisch recherchierten Notoperation, deren tempogeladene Beschreibung zeigt, wie gut Bruno Ziauddin das Handwerk des Reporters beherrscht. Die Anlage der Geschichte suggeriert, dass der Patient, um dessen Überleben die Ärzte kämpfen, Roger Köppel ist. Sie spielt in den frühen Jahren unseres Jahrtausends in der "wichtigsten Wochenzeitung des Landes", deren Name genauso wenig genannt wird wie jener der hauptsächlichen Akteure M. und T.
M. ist leidenschaftlicher Journalist und T. sein Chefredakteur, der ihn in die Führungsriege beruft. Die Konstellation erinnert unweigerlich an die "Weltwoche", zu deren Redaktionsleiter Roger Köppel damals nach undurchsichtigen Besitzerwechseln ernannt worden war. Er verpasste der linksliberalen Wochenzeitung mit großer Vergangenheit einen Kurswechsel. Bruno Ziauddin wurde in die Redaktionsleitung berufen. Er blieb länger als viele Kollegen.
Die inhaltlichen Auseinandersetzungen in der Redaktion drehen sich um den Angriff der Amerikaner auf den Irak in der Folge des 11. Septembers. Der "Krieg der Kulturen" steht für den Triumph der neokonservativen Intellektuellen. Ziauddin geht es darum, mit seinem Köppel-Roman den Epochenwandel in der Schweiz zu thematisieren: Die Achtundsechziger verlieren die Deutungshoheit, die neuen Gesellschaftsveränderer betreiben die Provokation gegen die "politische Korrektheit" - sie war Köppels publizistisches Erfolgsrezept. Diese Strategie eröffnete die inzwischen erfolgte Eroberung der kulturellen Hegemonie und den Aufstieg der Schweizerischen Volkspartei. Sie hatte nach dem Fall der Mauer das Feindbild Moskau durch Brüssel ersetzt und erklärte Europa zur Neuauflage des Dritten Reichs. Jegliche Annäherung bekämpfte die SVP als "Frage von Anpassung oder Widerstand". Seit der erfolgreichen Abschottung geht es um die Ausschließung: gegen Ausländer und Einwanderer, schwarze Schafe und Minarette. Gegen Merkel, für Orban und Putin. Und als Feindbild gibt der Islam publizistisch und politisch einiges her.
Der Krieg im Balkan hatte der Schweiz eine neue Generation von Flüchtlingen beschert. Um Damir, einen jungen Muslim bosnischer Herkunft, entwickelt Bruno Ziauddin den zweiten Strang der Handlung. Er beschreibt das Lebensgefühl dieser Jugend im helvetischen Exil. Damirs Vater ist eine schwache Figur, die Mutter wurde im Krieg vergewaltigt. Über einen Job und den väterlichen Freund Mohamed führt der Weg in die Moschee, wo die Artikel in der "wichtigsten Wochenzeitung des Landes" als islamophobe Beschimpfung empfunden werden.
M. ist kein Fremdenhasser und seine Freundin, der "ein Lulatsch wie hypnotisiert in den Ausschnitt stiert", eine "Jugo-Tussi": "Sie hatte Männer gehabt, die besser aussahen (Drago), sportlicher waren (Milan) und besser im Bett (Kevin, Nino). Er würde natürlich ausflippen, wenn er wüsste, wie sie dachte. Dabei waren ihr diese Dinge überhaupt nicht wichtig, ehrlich. Sie hatte sich in sein Hirn verliebt. Dieses sorgte dafür, dass sie sich in seiner Gegenwart nie langweilte, ganz viel lachte und ganz viel Spannendes lernte. Zum Beispiel wusste er über den Jugoslawien-Krieg besser Bescheid als sie selbst."
Man liest diese Zeilen gezwungenermaßen als literarisches (Selbst-)Porträt des Journalisten M. Etwas weniger ironisch fällt jenes seines "diabolischen" (so der Klappentext) Chefredakteurs T. aus. Dieser schenkt seinem Mitarbeiter als Belohnung für gute Arbeit zwei Karten für das Champions-League-Endspiel in Manchester, will ihn aber nicht begleiten: "Ich mache mir nichts aus Fußball." Auf den realen Roger Köppel trifft das nicht zu. Seine Karriere hatte in der Sportredaktion begonnen. Und er schwärmte vom neuen deutschen Fußball, als es der helvetische Mainstream noch immer mit den Nazi-Klischees hielt.
Auch andere Einschätzungen, Anekdoten, Indiskretionen in Ziauddins Roman können selbst von Insidern kaum an konkreten Fakten festgemacht werden. In den wenigen Figuren mit Bekanntheitspotential spiegeln sich viele Facetten tatsächlich existierender Personen - und genauso verwirrend hat der Autor es gewollt. Sein Roman ist keine Abrechnung mit Roger Köppel. Den Zynismus, die Seilschaften und Machtkämpfe kennt man aus anderen Redaktionen nur zu gut.
Romane von Journalisten sind manchmal ziemlich peinlich. Vor allem, wenn sie aus den seichten Niederungen der Aktualität zu den poetischen Gipfeln der literarischen Unsterblichkeit streben. Dieser Versuchung geht Bruno Ziauddin konsequent aus dem Weg. Eine kleine literarische Freiheit nimmt er sich gleichwohl: Er bringt T. mit einem dubiosen finnischen Holocaust-Leugner in Verbindung. Doch zum Skandal, wie ihn Martin Walsers "Tod eines Kritikers" auslöste, eignet sich "Bad News" nicht. Es gibt keinen Mord am Chefredakteur, der im wahren späteren Leben auch noch Chefredakteur in Deutschland (der "Welt"), Besitzer der "Weltwoche", Parteimitglied der Schweizerischen Volkspartei, Abgeordneter in Bern und Dauergast in den deutschen Talkshows werden darf.
Mit einer herrlichen Volte lässt Bruno Ziauddin seine konsequent aufgebaute Dramaturgie ins Leere laufen. M. hat sich zur Kündigung entschlossen. Er folgt T. ins Fitnesszentrum, ein Weg, dessen Regelmäßigkeit auch den Islamisten aufgefallen ist. Ein "Bärtiger" ist ihnen dicht auf den Fersen. Das Attentat verläuft jedoch anders als geplant. Und auf dem Operationstisch liegt schließlich nicht der, den man zu Beginn dort vermutete.
JÜRG ALTWEGG
Bruno Ziauddin:
"Bad News". Roman.
Verlag Nagel & Kimche,
Zürich 2016. 208 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Rezensent Jürg Altwegg ist ganz froh, dass der Journalist Bruno Ziauddin in seinem Roman der Versuchung aus dem Weg geht, sich mit diesem Buch unsterblich zu machen und seine an den "Weltwoche"-Mann und ehemaligen Chef Roger Köppel angelegten Protagonisten allzu deutlich zu skandalisieren und mit dem Hinweis auf Fakten mit ihm abzurechnen. Dramaturgisch scheint ihm der Text dennoch konsequent gemacht, der Autor erscheint Altwegg als findiger Reporter, der den neokonservativen Wandel in der Schweiz nach 9/11 exemplarisch vorzuführen weiß.
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