"In meiner Brust wachsen Bäume.": Während die Welt zum Zimmer schrumpft, entfaltet sich in Joseph Zoderers Gedichten das Leben."Mit den Händen / die Nachterde betasten / darin versteckt sich / das Licht."Joseph Zoderers Gedichte führen in einen Kosmos, der sich immer weiter verengt - die Welt wird zum Zimmer, der Horizont durch die Fenster begrenzt. Doch was sich in diesem reduzierten Raum entfaltet, ist nichts weniger als das Leben selbst: Liebe und Schmerz, Sehnsucht und Verzweiflung, die Befragung der Vergangenheit und das unbarmherzige Wissen um den Tod. Joseph Zoderer öffnet mit wenigen Worten Türen in sinnliche Welten: zu den Erinnerungen an gelebte Leben und geliebte Lieben, in das Wandeln zwischen Nacht und Tag, zwischen Wachheit und Traum.Joseph Zoderers Lyrik: zartfühlend und unbarmherzig zugleichJoseph Zoderer ist ein begnadeter Sprachkünstler, der in seiner Dichtung tief in den Kern des Menschen und des Menschseins vordringt. Diese Kraft wird dort am deutlichsten, wo sich die Literatur auf das Wesentliche reduziert: in der Lyrik. Ihre poetische Energie schöpfen Joseph Zoderers Gedichte aus dem Dialog mit der Natur. Und wie selbstverständlich wird in der Isolation das Unmögliche zur Wirklichkeit, strömen Flüsse durchs Haus und ziehen Kormorane an der Zimmerdecke entlang. Das stetige Werden und Vergehen der Natur wird zum Bild für die Einsamkeit und Vergänglichkeit jeder Existenz, für die Unabdingbarkeit des Todes - aber zugleich auch für das ungebrochene Beharren auf dem Leben.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Harald Hartung staunt, wie verhalten glanzvoll die Altersgedichte von Joseph Zoderer daherkommen. Sogar von den letzten Dingen spricht der Dichter diskret, aber selbstbewusst, findet er. Kein Schwätzer, auch kein Mystiker der Stille, sondern ein Gryphius im neuen Gewand, der den Rezensenten mit blühender Fantasie, poetischer Ökonomie und freien Versen überzeugt und in "poetische Wälder" entführt. Die Gedichte vergleicht Hartung mit Haikus, die frei sind von Bekenntnissen und Verdunkelungen gleichermaßen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.04.2022Vor der letzten Sonne
In freien Versen: Joseph Zoderers poetische Wälder
Was braucht ein Dichter im Alter? Wir stellen uns vor, dass er seine gesammelten Werke hinter sich hat und von Zeit zu Zeit das Zimmer betritt, worin er sie schrieb. Welcher Dichter? Und was will das Zimmer von ihm? Wir denken an den Südtiroler Joseph Zoderer, der neben erfolgreichen Romanen auch Gedichtbände veröffentlichte. Jetzt kommen die Gedichte des Alters. Sie heißen so einfach wie überraschend "Bäume im Zimmer". Von ihnen heißt es etwa: "Meine Bäume im Zimmer / erzählen von der Zärtlichkeit des Windes."
Fragen wir nicht, wie viele Bäume ins Zimmer passen, und nicht nach der Herkunft des zärtlichen Windes. Des Dichters Phantasie macht alles möglich. Sie kann auch die Zahl der Zimmer vermehren. "Mehrmals am Tag / gehe ich / von Zimmer zu Zimmer / pflege meine Bäume wie Pferde / messe ihr heilloses Wachsen / und tröste sie / dass sie nie ein Wald werden."
Zoderer ist ein Baumpfleger mit Zweifeln. Doch wenn er daran zweifelt, dass seine Bäume ein Wald Joseph werden, hat er die Verbindung von Bäumen und Wald schon aufgerufen. In älterer Zeit nannte man Sammlungen von Schriften und Poesien gern "Silvae"(Wälder): "Ich erkenne sie alle wieder / die übriggebliebenen Bäume / in meinem Zimmer."
Nennen wir Zoderers lyrische Sammlung nach Gryphius' Vorbild ruhig "Poetische Wälder". Mögen es viele Bäume oder wenige sein, der Dichter ist um die Füllung seiner poetischen Räume nie verlegen. Ebenso wenig um die poetische Ökonomie. Der Altmeister gibt den Kleinmeister der lyrischen Technik. Er kommt mit wenig aus. Die Gedichte bleiben ohne Titel und sind ausnahmslos kurz. Sie ähneln Haikus und Tankas, doch kein Gedicht benutzt traditionelle Silbenregeln, es sind freie Verse.
Zoderer ist kein Plauderer, kein Schwätzer. Er kommt ohne Verdunkelungen, ohne Erläuterungen aus. Er hasst Bekenntnisse und liebt die Stille und das Schweigen: "Wenn das Schweigen / schmerzt / höre ich die Zwischentöne / der Stille." Doch wollen wir aus Zoderer keinen Mystiker der Stille machen. Er gibt sich eher diskret, hält sein Ich zurück. Es kann sogar fragwürdig scheinen: "Ich lasse mich forttragen / von Betrug zu Verrat."
So viele Bäume seine Wälder enthalten, so viele andere Dinge enthält Joseph Zoderers Welt. Er traktiert auch, was man die letzten Dinge nennt. Gegen Ende heißt es: "Die letzte Tür ist / ein stummer Schrei / ein Fallbeil / das man von dir trennt / Erschrick nicht / vor der letzten Sonne." Dem Autor gelingt es, in den bitteren Schluss noch etwas Glanz zu legen. HARALD HARTUNG
Joseph Zoderer: "Bäume im Zimmer". Gedichte.
Haymon Verlag, Innsbruck 2022. 85 S. br., 19,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In freien Versen: Joseph Zoderers poetische Wälder
Was braucht ein Dichter im Alter? Wir stellen uns vor, dass er seine gesammelten Werke hinter sich hat und von Zeit zu Zeit das Zimmer betritt, worin er sie schrieb. Welcher Dichter? Und was will das Zimmer von ihm? Wir denken an den Südtiroler Joseph Zoderer, der neben erfolgreichen Romanen auch Gedichtbände veröffentlichte. Jetzt kommen die Gedichte des Alters. Sie heißen so einfach wie überraschend "Bäume im Zimmer". Von ihnen heißt es etwa: "Meine Bäume im Zimmer / erzählen von der Zärtlichkeit des Windes."
Fragen wir nicht, wie viele Bäume ins Zimmer passen, und nicht nach der Herkunft des zärtlichen Windes. Des Dichters Phantasie macht alles möglich. Sie kann auch die Zahl der Zimmer vermehren. "Mehrmals am Tag / gehe ich / von Zimmer zu Zimmer / pflege meine Bäume wie Pferde / messe ihr heilloses Wachsen / und tröste sie / dass sie nie ein Wald werden."
Zoderer ist ein Baumpfleger mit Zweifeln. Doch wenn er daran zweifelt, dass seine Bäume ein Wald Joseph werden, hat er die Verbindung von Bäumen und Wald schon aufgerufen. In älterer Zeit nannte man Sammlungen von Schriften und Poesien gern "Silvae"(Wälder): "Ich erkenne sie alle wieder / die übriggebliebenen Bäume / in meinem Zimmer."
Nennen wir Zoderers lyrische Sammlung nach Gryphius' Vorbild ruhig "Poetische Wälder". Mögen es viele Bäume oder wenige sein, der Dichter ist um die Füllung seiner poetischen Räume nie verlegen. Ebenso wenig um die poetische Ökonomie. Der Altmeister gibt den Kleinmeister der lyrischen Technik. Er kommt mit wenig aus. Die Gedichte bleiben ohne Titel und sind ausnahmslos kurz. Sie ähneln Haikus und Tankas, doch kein Gedicht benutzt traditionelle Silbenregeln, es sind freie Verse.
Zoderer ist kein Plauderer, kein Schwätzer. Er kommt ohne Verdunkelungen, ohne Erläuterungen aus. Er hasst Bekenntnisse und liebt die Stille und das Schweigen: "Wenn das Schweigen / schmerzt / höre ich die Zwischentöne / der Stille." Doch wollen wir aus Zoderer keinen Mystiker der Stille machen. Er gibt sich eher diskret, hält sein Ich zurück. Es kann sogar fragwürdig scheinen: "Ich lasse mich forttragen / von Betrug zu Verrat."
So viele Bäume seine Wälder enthalten, so viele andere Dinge enthält Joseph Zoderers Welt. Er traktiert auch, was man die letzten Dinge nennt. Gegen Ende heißt es: "Die letzte Tür ist / ein stummer Schrei / ein Fallbeil / das man von dir trennt / Erschrick nicht / vor der letzten Sonne." Dem Autor gelingt es, in den bitteren Schluss noch etwas Glanz zu legen. HARALD HARTUNG
Joseph Zoderer: "Bäume im Zimmer". Gedichte.
Haymon Verlag, Innsbruck 2022. 85 S. br., 19,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Dem Autor gelingt es, in den bitteren Schluss noch etwas Glanz zu legen." FAZ, Harald Hartung "Joseph Zoderer legt einen Gedichtband vor, der seinesgleichen sucht ..." Dolomiten, Helmut Groschup "In Zoderers knappen Gedichten herrscht Zuwendung und Erstaunen, jedoch nicht Verklärung. Denn Realismus liegt Zoderer näher als Romantizismus." APA - Austria Presse Agentur, Wolfgang Huber-Lang "Vielen Töne, auch Zwischentöne klingen aus diesen Gedichten, die dazu einladen, immer wieder gelesen zu werden." # Bücherschau, Rudolf Kraus ",Bäume im Zimmer' versammelt kurze und kürzeste Gedichte, die sich wie Rilkes Panther im allerkleinsten Kreise drehen ..." Die Neue Südtiroler Tageszeitung, Christine Vescoli "Es sind Gedichte, die das Leben bejahen - mit dem Wissen um Tod und Vergänglichkeit, mit vielen Erinnerungen im Kopf, die sich in poetische Bilder verwandeln. Es ist Zoderers bestes Buch seit langem ..." ff - Das Südtiroler Wochenmagazin, Georg Mair "Eine suggestive Lyrik am Rande der Entschlüsselbarkeit, die durch die poetische Kraft ihrer Bilder überzeugt und der nicht immer ein konkreter Sinn abgerungen sein muss." Manfred Bosch, ekz-Informationsdienst "Joseph Zoderer philosophiert über das Leben, die Liebe und Trauer, Sehnsucht und Einsamkeit. Schließlich auch über die Gewissheit des Todes, der uns alle Menschen betrifft." A. Morgenstern, Blog "Pflege und Kunst"