Als Najem Wali ein Kind war, erschien ihm Bagdad wie ein Traum. Sein Vater brachte ihm von dort Geschenke und Geschichten mit. Sobald er die Schule abgeschlossen hatte, zog Wali zum Studium in die Hauptstadt. Als 1980 der Iran-Irak-Krieg ausbrach, floh er nach Deutschland. Nun erinnert Najem Wali an eine Welt, die nach Jahrzehnten des Terrors und der Zerstörung gänzlich unterzugehen droht. Er erzählt von "seinem" Bagdad, einer Stadt der Kaufleute, der Wissenschaftler und Künstler, so international und chic wie London und Paris. Sein Buch verbindet die Geschichte einer Metropole mit persönlichen Erinnerungen und setzt den Bildern der Verwüstung die Bilder einer blühenden Weltstadt entgegen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.09.2017NEUE TASCHENBÜCHER
Zweigeteiltes
Leben
Bagdad ist Najem Walis Sehnsuchtsort. Angefangen hat diese Leidenschaft mit ein paar Postkarten in Schwarzweiß, die sein Vater von den Fahrten mit seinem weißen Chevrolet aus Bagdad mitbrachte – damit weckte er die Neugier seines damals sechsjährigen Sohnes. Doch Bagdad, das war zugleich eine Stadt, wo sich Foltergefängnisse neben Moscheen oder hinter einem Theatersaal versteckten. Das sollte Wali, der der diktatorisch herrschenden Baath-Partei nicht beitreten wollte, noch erfahren. Der Exil-Iraker erzählt von seiner Kindheit, Jugend und Studienzeit im Irak und zoomt dabei diese ferne Stadt ganz nah heran. Von kuriosen Begegnungen, die wie zufällig immer wieder etwas mit seinem späteren Zufluchtsort Deutschland zu tun hatten. Bis zu jenem 10. Oktober 1980, als er sein Land verließ. Heute lebt der Autor, der in Bagdad Germanistik studierte, in Berlin. Zwischen den Zeilen der Übersetzung von Hartmut Fähndrich spürt man noch die Weisen arabischer Erzählkunst. „Ich bin zweigeteilt“, schreibt der heute 60-jährige Wali, „ein Najem, der in Bagdad lebt, und ein anderer, der weit weg lebt. Und nur auf diese Art existieren wir beide.“ MICHAELA METZ
Najem Wali: Bagdad. Erinnerungen an eine Weltstadt. Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich. dtv, München 2017. 413 Seiten, 14,90 Euro.
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Zweigeteiltes
Leben
Bagdad ist Najem Walis Sehnsuchtsort. Angefangen hat diese Leidenschaft mit ein paar Postkarten in Schwarzweiß, die sein Vater von den Fahrten mit seinem weißen Chevrolet aus Bagdad mitbrachte – damit weckte er die Neugier seines damals sechsjährigen Sohnes. Doch Bagdad, das war zugleich eine Stadt, wo sich Foltergefängnisse neben Moscheen oder hinter einem Theatersaal versteckten. Das sollte Wali, der der diktatorisch herrschenden Baath-Partei nicht beitreten wollte, noch erfahren. Der Exil-Iraker erzählt von seiner Kindheit, Jugend und Studienzeit im Irak und zoomt dabei diese ferne Stadt ganz nah heran. Von kuriosen Begegnungen, die wie zufällig immer wieder etwas mit seinem späteren Zufluchtsort Deutschland zu tun hatten. Bis zu jenem 10. Oktober 1980, als er sein Land verließ. Heute lebt der Autor, der in Bagdad Germanistik studierte, in Berlin. Zwischen den Zeilen der Übersetzung von Hartmut Fähndrich spürt man noch die Weisen arabischer Erzählkunst. „Ich bin zweigeteilt“, schreibt der heute 60-jährige Wali, „ein Najem, der in Bagdad lebt, und ein anderer, der weit weg lebt. Und nur auf diese Art existieren wir beide.“ MICHAELA METZ
Najem Wali: Bagdad. Erinnerungen an eine Weltstadt. Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich. dtv, München 2017. 413 Seiten, 14,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Schaffen wir die Orte oder schaffen sie uns? Diese Frage nimmt Christian H. Meier aus Najem Walis Erinnerungen an Bagdad mit, in denen der Rezensent sowohl die Biografie einer Stadt wie auch die Autobiografie eines Autors erkennt. Wehmütig erinnert an Wali an Bagdads einstige Größe, Bedeutung und Reichtum, um dann jedoch die Geschichte eines Verfalls zu lesen, der in Walis Erzählung nicht erst mit den Kriegen eingesetzt hat, sondern bereits mit dem "Karneval der Baath-Partei", der den Ort "unpoetisch, grausam und kalt" gemacht habe und Wali als jungen Mann schließlich aus dem Irak vertrieben habe. Nicht alles findet der Rezensent in diesen Erinnerungen gelungen, manche Passagen erscheinen ihm etwas hölzern oder konstruiert, aber über weite Strecken hat ihn dieses Buch doch sehr in den bann gezogen, als Protestchronik, gepaart mit Lokalgeschichte und intimen Lebenserinnerungen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Eine hinreißende Liebeserklärung" Johanna Metz, Das Parlament, 21.12.2015
"Am schönsten sind Najem Walis 'Erinnerungen an eine Weltstadt' immer dort, wo beides zusammenfällt, das Heranwachsen eines jungen begabten Irakers, sein Ehrgeiz, auch seine Ahnungslosigkeit und die vielen irakischen Besonderheiten. Dann spürt man den Zauber jener Tage, als die europäische Kultur auf eine jahrtausende alte arabische Tradition traf, als etwas hätte beginnen können." Sonja Zekri, Süddeutsche Zeitung, 13.10.15
"Das mit immenser Detailkenntnis geschriebene Werk hat Qualitäten eines erzählenden Sachbuches, und doch kann man es ebenso gut als autobiographischen Künstlerroman lesen." Sigrid Brinkmann, Deutschlandfunk, 23.10.15
"'Bagdad' ist das lesenswerte Beispiel einer subjektiven Geographie." Ingo Arend, Deutschlandradio Kultur, 21.08.15
"Am schönsten sind Najem Walis 'Erinnerungen an eine Weltstadt' immer dort, wo beides zusammenfällt, das Heranwachsen eines jungen begabten Irakers, sein Ehrgeiz, auch seine Ahnungslosigkeit und die vielen irakischen Besonderheiten. Dann spürt man den Zauber jener Tage, als die europäische Kultur auf eine jahrtausende alte arabische Tradition traf, als etwas hätte beginnen können." Sonja Zekri, Süddeutsche Zeitung, 13.10.15
"Das mit immenser Detailkenntnis geschriebene Werk hat Qualitäten eines erzählenden Sachbuches, und doch kann man es ebenso gut als autobiographischen Künstlerroman lesen." Sigrid Brinkmann, Deutschlandfunk, 23.10.15
"'Bagdad' ist das lesenswerte Beispiel einer subjektiven Geographie." Ingo Arend, Deutschlandradio Kultur, 21.08.15