Seit 1826 im nordenglischen Darlington der erste Bahnhof der Welt eröffnet wurde, hat sich viel getan in der Welt der Eisenbahn. Entsprechend vielfältig sind unter anderem die Empfangsgebäude: Die Spannbreite reicht von den »Kathedralen der industriellen Revolution« (G. K.Chesterton) bis zu romantischen Nebenbahnstationen. Allen gemein ist, dass sie einen großen Reiz auf die Menschen ausüben: Sie signalisieren unter anderem die Aussicht auf Flucht vor dem Alltag, ferne Ziele.Kommen Sie mit auf eine faszinierende Tour durch die Bahnhöfe auf fünf Kontinenten. Mit vielen Luftbildern.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2020Keile, Köpfe und Berührungen
Vorweg ein klärendes Wort: "Bahnhöfe sind Bahnanlagen mit mindestens einer Weiche, wo Züge beginnen, enden, ausweichen oder wenden dürfen. Als Grenze zwischen den Bahnhöfen und der freien Strecke gelten im allgemeinen die Einfahrsignale oder Trapeztafeln, sonst die Einfahrweichen." Nachzulesen in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, kurz EBO. Ganz so einfach ist die Sache trotzdem nicht. Zu unterscheiden gilt es zwischen Kopf- oder Sackbahnhof, Durchgangsbahnhof, Endbahnhof, Anschlussbahnhof, Kreuzungsbahnhof, Reiterbahnhof, Turmbahnhof, Keilbahnhof, Knotenbahnhof, Berührungsbahnhof, Zwischenbahnhof - eine komplexe Materie, in die Martin Weltner kurz und kundig führt. Dann erst kann die Reise durch die Bahnhöfe dieser Welt beginnen. Sie beginnt wie die Geschichte der Eisenbahn auch in England, genauer gesagt im 1852 eröffneten Londoner Kopfbahnhof King's Cross, in dessen Haupthalle anderthalb Jahrhunderte später Harry Potter den Zug nach Hogwarts besteigen sollte. Seit 2012 freilich brandet eine futuristische, halbkreisförmige Schalterhalle an die alte Fassade aus gelben Ziegelsteinen und stiehlt der viktorianischen Pracht die Schau. Nicht ganz so umwerfend ist der architektonische Clash beim 1883 eröffneten und 2007 umgebauten Straßburger Hauptbahnhof. Seit dem Ausbau zum Hochgeschwindigkeitszugbahnhof macht sich die wilhelminische Elefantenhausarchitektur dank einer davorgesetzten schwungvollen, gläsernen Wandelhalle nicht mehr ganz so wichtig, ein architektonisch eindeutiges Manifest. Was für fast alle Bahnhöfe gilt. Bahnhöfe sind immer mehr als nur Bahnanlagen, einerlei, ob man den Zug in Madrids 1992 eröffnetem, eine lichte Zukunft predigendem Durchgangsbahnhof Atocha nimmt, ob man durch den 57 Meter hohen, 1966 im Béton-brut-Stil errichteten Durchgangsbahnhof Beira in Moçambique zum Gleis schreitet oder vor der Blockhütte der East Glacier Park Station und damit in the middle of nowhere auf den Amtrak-Fernverkehrszug "Empire Builder" von Chicago nach Seattle wartet. "Spektakuläre Hauptbahnhöfe und erstaunliche Provinzstationen" verspricht der großformatige Bildband im Untertitel. Fürwahr.
ksi.
"Bahnhöfe der Welt" von Martin Weltner. GeraMond Verlag, München 2020. 192 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 39,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vorweg ein klärendes Wort: "Bahnhöfe sind Bahnanlagen mit mindestens einer Weiche, wo Züge beginnen, enden, ausweichen oder wenden dürfen. Als Grenze zwischen den Bahnhöfen und der freien Strecke gelten im allgemeinen die Einfahrsignale oder Trapeztafeln, sonst die Einfahrweichen." Nachzulesen in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, kurz EBO. Ganz so einfach ist die Sache trotzdem nicht. Zu unterscheiden gilt es zwischen Kopf- oder Sackbahnhof, Durchgangsbahnhof, Endbahnhof, Anschlussbahnhof, Kreuzungsbahnhof, Reiterbahnhof, Turmbahnhof, Keilbahnhof, Knotenbahnhof, Berührungsbahnhof, Zwischenbahnhof - eine komplexe Materie, in die Martin Weltner kurz und kundig führt. Dann erst kann die Reise durch die Bahnhöfe dieser Welt beginnen. Sie beginnt wie die Geschichte der Eisenbahn auch in England, genauer gesagt im 1852 eröffneten Londoner Kopfbahnhof King's Cross, in dessen Haupthalle anderthalb Jahrhunderte später Harry Potter den Zug nach Hogwarts besteigen sollte. Seit 2012 freilich brandet eine futuristische, halbkreisförmige Schalterhalle an die alte Fassade aus gelben Ziegelsteinen und stiehlt der viktorianischen Pracht die Schau. Nicht ganz so umwerfend ist der architektonische Clash beim 1883 eröffneten und 2007 umgebauten Straßburger Hauptbahnhof. Seit dem Ausbau zum Hochgeschwindigkeitszugbahnhof macht sich die wilhelminische Elefantenhausarchitektur dank einer davorgesetzten schwungvollen, gläsernen Wandelhalle nicht mehr ganz so wichtig, ein architektonisch eindeutiges Manifest. Was für fast alle Bahnhöfe gilt. Bahnhöfe sind immer mehr als nur Bahnanlagen, einerlei, ob man den Zug in Madrids 1992 eröffnetem, eine lichte Zukunft predigendem Durchgangsbahnhof Atocha nimmt, ob man durch den 57 Meter hohen, 1966 im Béton-brut-Stil errichteten Durchgangsbahnhof Beira in Moçambique zum Gleis schreitet oder vor der Blockhütte der East Glacier Park Station und damit in the middle of nowhere auf den Amtrak-Fernverkehrszug "Empire Builder" von Chicago nach Seattle wartet. "Spektakuläre Hauptbahnhöfe und erstaunliche Provinzstationen" verspricht der großformatige Bildband im Untertitel. Fürwahr.
ksi.
"Bahnhöfe der Welt" von Martin Weltner. GeraMond Verlag, München 2020. 192 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 39,99 Euro.
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Die großen Aufnahmen zeigen die meist spektakulären Bauten mit ihren vielen Details - oder die Schönheit der kleinen Stationen. Eine abwechslungsreiche Tour durch fünf Kontinente! BizTravel